Im Namen meiner Tochter – Der Fall Kalinka

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Das Drama „Im Namen meiner Tochter“ handelt vom wahren Todesfall der 14-jährigen Kalinka Bamberski. 1982 kam diese unter mysteriösen Umständen ums Leben, doch erst 2011 konnte der Täter gerichtlich zur Rechenschaft gezogen werden: ihr eigener Stiefvater. Voraus ging der Verhaftung ein spektakulärer Fall von Selbstjustiz. Dank seiner beiden Hauptdarsteller und gekonnt in die Handlung eingebauter Rückblenden ist der Film emotional ergreifend geraten. Schade ist, dass er die Handlung – die sich über viele Jahrzehnte erstreckt – in unter 90 Minuten abarbeitet, wodurch der Film etwas gehetzt und getrieben wirkt.

Webseite: www.kochmedia-film.de

Frankreich, Deutschland 2015
Regie: Vincent Garenq
Drehbuch: Vincent Garenq, Julien Rappeneau
Darsteller: Daniel Auteuil, Sebastian Koch, Marie-Josée Croze,
Christelle Cornil, Lila-Rose Gilberti
Länge: 87 Minuten
Verleih: Koch Media, Vertrieb: Die Filmagentinnen
Kinostart: 20.10.2016
 

FILMKRITIK:

10. Juli 1982: Für André Bamberski (Daniel Auteuil) ändert sich an diesem Tag das Leben auf radikale Weise. Nicht nur, dass er den Tod seiner 14-jährigen Tochter verkraften muss, auch die Begleitumstände des Todes verwirren Bamberski und kommen ihm schon am Tag der Nachricht suspekt vor. Die Tochter verbrachte zur Tatzeit ihre Ferien bei Mutter Dany (Marie-Josée Croze) und ihrem deutschen Stiefvater, dem Arzt Dieter Krombach (Sebastian Koch). Das merkwürdige Verhalten von Krombach sowie die verpfuschte Autopsie, sind für ihn klare Anzeichen: seine Tochter wurde Opfer eines Verbrechens. Die Situation spitzt sich zu, als klar wird, dass Krombach einige seiner Patientinnen sexuell missbraucht hat. Überzeugt davon, dass der Arzt etwas mit dem Tod zu tun hat, beginnt für Bamberski ein zermürbender Kampf um Gerechtigkeit und gegen die Mühlen der Justiz – nicht ahnend, dass sich dieser fast 30 Jahre hinziehen wird.

Das Drama „Im Namen meiner Tochter“ beruht auf einem unglaublichen Kriminalfall, der nicht zuletzt deshalb weltweit Aufsehen erregte, weil der Vater des Opfers 27 Jahre nach der Tat, Gebrauch von Selbstjustiz machte. Er entführte Dieter Krombach, um ihn in Frankreich seiner gerechten Strafe zuzuführen. Zuvor lehnten deutsche Behörden Auslieferungsersuche mehrfach ab. Für den französischen Regisseur Vincent Garenq ist es der vierte Spielfilm, dessen männliche Hauptrollen er mit den nationalen Star-Schauspielern Sebastian Koch („Der Tunnel“) und Daniel Auteuil („Eine französische Frau“, „Caché“) besetzen konnte.

Erst 2011 konnte der Arzt Dieter Krombach von einem Gericht für schuldig erklärt werden. Dem gingen – vor allem für den Vater des Opfers – quälende Jahres des Kampfes gegen die Justiz, die Aufarbeitung von Verfahrensfehlern und dutzende Taten voraus, die ungesühnt blieben. Dies alles schildert der Film mit viel Nachdruck und hoher Intensität. Man benötigt dabei keine Kenntnisse des Falls, um dem Film folgen zu können. Zudem entwickelt der langjährige Kampf von Bamberski um Gerechtigkeit eine ungemeine Sogwirkung, der man sich kaum entziehen kann. Dies liegt auch an den Darstellern.

Daniel Auteuil brilliert mit seiner entwaffnend emotionalen, nonverbalen Kommunikation. In seinen Blicken sowie seiner – mal unbeherrschten, mal in sich gekehrten – Körpersprache, manifestieren sich Leid, Trauer aber auch unbändige Wut über die Unfähigkeit des Justizapparats sowie der zuständigen Behörden. Seine Gestik und Mimik sorgen dafür, dass man unmittelbar und quasi ungefiltert auf Bamberskis seelischen Gemütszustand schließen kann. Sebastian Koch hält sich etwas zurück, was dem reservierten, schwer greifbaren Charakter Krombachs sehr entgegen kommt. Er scheint jederzeit zu Wissen was er tut, agiert emotionslos, rational und kühl.

Rückblicke in die Vergangenheit sowie die Erinnerungen seiner Opfer, die im Film als verschwommene, kurze Wackelkamera-Sequenzen gelungen in die Handlung eingeflochten sind, zeigen aber: mit Nichten war Krombach Herr seiner Handlungen, vielmehr einer von seinen Neigungen und psychischen Störungen Angetriebener, dem Fehler um Fehler unterliefen. Und das immer wieder, bei verschiedenen Taten und in unterschiedlichen Jahrzehnten.

Hinsichtlich der Sprünge durch jene Jahrzehnte hätten sich Maske und Make-up hier aber ein wenig mehr Mühe geben können. Obwohl sich die Handlung des Films grob von Mitte der 70er (als sich Krombach und Bamberskis Frau kennenlernen) bis ins Jahr 2011 umspannt, dauert es lange, bis sich die Figuren optisch verändern und altern. So sieht Sebastian Koch als Krombach bei seiner Verurteilung nicht viel älter aus als er im wahren Leben ist (Mitte 50). Tatsächlich aber war Krombach damals bereits über 75 Jahre alt. Und: ein wenig mehr Zeit als 85 Minuten hätte sich der Film bei all den Zeitsprüngen (oft geht es innerhalb von Minuten von den 70ern ins Jahr 2011 und wieder zurück ins Tatjahr 1982) auch lassen können. Diese wirken aufgrund der kurzen Laufzeit daher etwas gehetzt und zu rasant aneinandergereiht.

Björn Schneider