Immer nie am Meer

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Drei Männer im Auto“ könnte der neue Film von Antonin Svoboda auch heißen. Widrige Umstände bringen drei latent psychotische Charaktere – eingeschlossen in einem Auto – zusammen. Mit Rettung ist nicht zu rechnen und so bestimmen Apathie und merkwürdige Unterhaltungen das Geschehen. Mit viel Schmäh und einer gehörigen Portion Zynismus inszeniert Svoboda ein Kammerspiel der besonderen Art. Urkomisch und bitterböse, wenngleich nichts für Zuschauer, die auf ein Happy End bestehen und ein eher optimistisches Weltbild ihr Eigen nennen.

Webseite: www.immernieammeer.de

Regie: Antonin Svoboda
Buch: Christoph Grissemann, Dirk Stermann, Heinz Strunk, Antonin Svoboda, Jörg Kalt
Kamera: Martin Gschlacht
Schnitt: Oliver Neumann
Darsteller: Christoph Grissemann, Dirk Stermann, Heinz Strunk, Philip Bialkowski, Eva Maria Neubauer
Osterreich 2007, 88 Minuten, Format 1:1,85
Verleih: Arsenal Filmverleih
Kinostart: 4. Oktober

PRESSESTIMMEN:

"Immer nie am Meer“ ist lustiger als alle Filme von Otto Waalkes und Loriot zusammen und anrührender als die Melodramen Fassbinders. Ein Meisterwerk!
Frankfurter Allgemeine Zeitung

Pressestimmen auf film-zeit.de hier...

FILMKRITIK:

Die Grundsituation von „Immer nie am Meer“ ist schnell etabliert: Nach einer Familienfeier sind der depressive, Tabletten und Alkohol schluckende Anzengruber (Christoph Grissemann) und sein phlegmatischer Schwager Baisch (Dirk Stermann) auf dem Weg nach Hause. Auf der Straße lesen sie noch den deutschen Kleinkünstler Schwanenmeister (Heinz Strunk) auf, der gerade ein wenig gelungenes Gastspiel in der österreichischen Provinz hinter sich hat. Es ist tiefste Nacht, plötzlich steht eine Geherin auf der Straße und der Unfall passiert. Eingekeilt zwischen Baumstämmen findet sich das ungleiche Trio wieder, die Türen lassen sich ebenso wenig öffnen wie die Fenster, so bleibt ihnen nichts anderes übrig, als zu warten und auf Rettung zu hoffen. Einzige Verpflegung ist ein Heringsalat und ein paar Flaschen Prosecco, die von der Feier übrig geblieben sind, allerdings bald Fragen nach dem Verrichten von kleinen und großen Geschäften aufwerfen. Als einen Tag später ein Junge den Wagen entdeckt, scheint die Rettung nah. Doch das Kind hat andere Pläne und benutzt die drei Männer in ihrem Wagen lieber als Ersatz für Experimente mit Ratten, deckt den Wagen mit Planen ab, experimentiert mit lauter Musik und grellem Licht und treibt die Insassen immer mehr zum Wahnsinn.

Mehr als eine Stunde lang spielt Antonin Svobodas Film fast ausschließlich in und um das zum Verließ gewordene Auto. Doch trotz dieser Statik, trotz der überaus eingeschränkten Bewegungsmöglichkeit der Darsteller vermisst man die fehlende Dynamik in keiner Weise. Mit viel Geduld beobachtet der Film wie sich die Figuren in ihre Situation fügen, wie sie zunächst noch entspannt, von der baldigen Rettung überzeugt, Scherze machen, nach und nach aber immer extremere Verhaltensweisen an den Tag legen. So entsteht eine Art Kammerspiel, eine Situation, die man sich auch auf der Bühne vorstellen kann, von der die drei Hauptdarsteller ursprünglichen kommen. In langer gemeinsamer Arbeit entwickelten sie das Drehbuch und ihre Figuren, die nur leicht verklausulierte Versionen der Schauspieler selbst sind. Es sind Typen, wie sie jedermann kennt. Leidlich erfolgreich und gebildet, aber auf nicht wirklich zu fassende Weise unzufrieden mit ihrem Leben, mit der Absurdität des Seins. Auf unterschiedliche Weise versuchen sie mit sich und der Welt zurechtzukommen: Schwanenmeister mit betont lustigen Liedern, die jedoch gerade in den öden Gaststätten, in denen er auftritt, ihre ganze Tristesse verraten. Baisch wiederum hat jeden Widerstand längst aufgegeben und Anzengruber versucht seinen Weltekel offensiv zu betäuben.

Aus dem Wechselspiel dieser Figuren entsteht die Spannung des Films. Diese hat nicht das Ziel zu einer Auflösung zu führen, Problemlösungen anzubieten oder auch nur die Geschichte selbst zu einem Ende zu bringen. Stattdessen funktioniert „Immer nie am Meer“ situativ, überzeugt durch seine Situationen, in denen auf unterschwellig pointierte Weise die Absurdität des menschlichen Daseins herausgearbeitet wird. Zwar gibt es durchaus auch grobschlächtigere Momente, in denen nachgrade Kalauer erzählt werden, in aller Regel jedoch funktioniert der Humor auf feine, subtile Weise und gerade das macht die besondere Qualität von Antonin Svoboda Film aus.
Michael Meyns