In den Uffizien

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Leer standen sie in Zeiten von Corona, die großen Museen der Welt, so wie die Uffizien in Florenz. Ein Gefühl, wie ein Museumsbesuch ohne Besuchermassen aussehen kann, geben Corinna Belz und Enrique Sánchez Lansch in ihrem Dokumentarfilm „In den Uffizien“, der hinter die Kulissen blickt und zeigt, wie ein modernes Museum funktioniert.

Website: http://www.piffl-medien.de/film

Dokumentarfilm
Deutschland 2020
Regie & Buch: Corinna Belz & Enrique Sánchez Lansch
Länge: 100 Minuten
Verleih: Piffl Medien
Kinostart: 25. November 2021

FILMKRITIK:

Der Louvre in Paris, das British Museum in London, das Metropolitan Museum in New York. Viel weiter muss man in der Liste der großen Museen der Welt nicht gehen, bevor man zu den Florenzer Uffizien kommt. Einst ein Bürogebäude, begannen die herrschenden Medicis Ende des 16. Jahrhunderts damit, das Gebäude zu einer Kunstsammlung umzufunktionieren. Von dem, was wir heute unter Museum verstehen waren die Uffizien zwar noch weit entfernt, doch der Anfang war gemacht.

Konnten zunächst nur Menschen der oberen Schichten, Freunde und Gönner die Ausstellung besuchen, haben die Uffizien heute, zumindest in den Zeiten vor Corona, etwa 2,2 Millionen Besucher jährlich, Besucher, die Botticellis „Die Geburt der Venus“ sehen wollen oder Caravaggios „Medusa“, die vielleicht auch nur auf den Spuren von Robert Langdon wandeln wollen, den Dan Brown in seinem Bestseller „Inferno“ auch durch die Uffizien schickte.

Seit einigen Jahren leitet der in Freiburg geborene Kunsthistoriker Eike Schmidt die altehrwürdige Institution, als erster Deutscher, der es offenbar vermag deutsche Pünktlichkeit mit italienischer Gelassenheit zu verbinden. Wie er die Uffizien für die nächsten Jahrzehnte, ach, Jahrhunderte aufstellen will, ist eine große Frage. Wie lassen sich widerstrebende Erwartungen unter einen Hut bringen, einerseits die finanziell notwendigen enormen Publikumsströme, die andererseits ein Genießen der Kunst fast unmöglich machen. Was ist wichtiger: Erfolgreiches Haus sein oder Oase der Kunst? Geht vielleicht auch beides?

In den Uffizien versucht Schmidt einen Spagat, ist sich der Geschichte des Ortes bewusst, versucht ihn aber auch zu öffnen, für moderne Positionen des zeitgenössischen Künstlers Antony Gormley etwa, dessen Skulpturen in den Gängen der Uffizien wie Fremdkörper wirken und gerade dadurch auf faszinierende Weise mit den Werken der alten Meister in Dialog treten.

Es ist das erste Mal, dass sich Corinna Belz nicht mit einem Künstler beschäftigt, nach Porträts über Gerhard Richter und Peter Handke ist „In den Uffizien“, bei dem sie zusammen mit Enrique Sánchez Lansch Regie führte, ihr erster Film über einen Ort, eine Institution. Was zwangsläufig den Vergleich zu „National Gallery“, einem Film des Großmeisters des beobachtenden Dokumentarfilms, Frederick Wiseman, aufwirft. Diesem großen Vorbild folgend versuchen auch Belz und Lansch quasi einen Blick auf die Uffizien von unten zu werfen. Sie zeigen Wärter und Angestellte, die tagtäglich neben einigen der großartigsten Gemälden der Kunstgeschichte stehen und doch vor allem darauf achten sollen, dass die Besucher sich benehmen. Ganz mag dieser Blick nicht gelingen, zu fasziniert sind die Autoren vom großen Ganzen, auch von Eike Schmidt, der über sein Haus herrscht, wie das Museumsdirektoren eben seit Jahrhunderten so machen. Der Faszination der großen Männer zu entkommen: So ganz gelingt Corinna Belz das auch „In den Uffizien“ nicht, auch wenn hier eigentlich kein einzelner Mann im Mittelpunkt steht, sondern eins der großen Museen der Menschheit.

Michael Meyns