Ingeborg Bachmann – Reise in die Wüste

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Eine tolle Vicky Krieps („Corsage“) im neuesten Film von Margarethe von Trotta, die nach „Hannah Arendt“ (2012) wieder eine ganz besondere Frauengeschichte erzählt: Es geht um die große Lyrikerin und Autorin Ingeborg Bachmann – eine Proto-Feministin, die an ihren eigenen Ansprüchen scheitert.

Schweiz/ Österreich/ Deutschland/ Luxemburg 2023
Regie und Drehbuch: Margarethe von Trotta
Darsteller: Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld, Tobias Resch, Basil Eidenbenz, Luna Wedler, Marc Limpach
Kamera: Martin Gschlacht
Musik: André Mergenthaler

Länge: 110 Minuten
Verleih: Alamode
Start: 19.10.2023

FILMKRITIK:

Wie ein roter Faden zieht sich durch die lange Filmkarriere der Regisseurin und Autorin Margarethe von Trotta eine deutlich erkennbare Vorliebe für große Frauenpersönlichkeiten, deren Biografien sie fürs Kino adaptiert hat: Zuerst porträtierte sie „Rosa Luxemburg“ (1985), dann Hildegard von Bingen („Vision – Aus dem Leben der Hildegard von Bingen“, 2009) und zuletzt „Hannah Arendt“ (2012). Nun also die früh verstorbene Ingeborg Bachmann, wie die anderen Frauengestalten ebenfalls eine durchaus umstrittene Persönlichkeit, die sich jedem Schubladen-Denken und jedem Klischee widersetzt. Und das ist sicherlich ebenfalls typisch für Margarethe von Trotta: Sie macht es sich nicht leicht mit ihren weiblichen Hauptpersonen und verzichtet auf jede eindimensionale und womöglich sogar verklärende Darstellung von Frauen, die im wahrsten Sinne des Wortes Geschichte machten.

Nun also Ingeborg Bachmann, die streitbare Dichterin. Im Mittelpunkt steht hier die Beziehung zwischen ihr, der seinerzeit bereits berühmten österreichischen Autorin, und dem Schweizer Schriftsteller Max Frisch (Ronald Zehrfeld). Die beiden lernen sich in Paris kennen, und es dauert nicht lange, bis Ingeborg zu ihm nach Zürich zieht. Doch die anfangs so bestrickende und für beide inspirierende Romanze entwickelt sich in eine fatale Richtung: Die freiheitsliebende Autorin kommt in der spießigen Schweiz nicht zurecht und immer weniger auch mit Max, dem sie eine gute Partnerin sein will. Ihre Arbeit leidet darunter, sie wird immer empfindlicher und fühlt sich schon vom Klappern seiner Schreibmaschine genervt. Erst als sie wieder nach Rom zurückkehrt, in die Stadt, die sie liebt, und zu den nonkonformistischen, antibürgerlichen Freunden, mit denen sie sich umgibt, geht es ihr besser. Sie kann wieder arbeiten, sie schreibt endlich weiter. Aber nun wird sie von dem eifersüchtigen Max bedrängt, der sie voller Misstrauen verfolgt und kontrolliert. Die Beziehung endet unschön. Ingeborg Bachmann hat diese Entwicklung selbst zumindest provoziert, wenn nicht gar herbeigeführt, dennoch gerät sie in eine schwere Krise.

Dankenswerterweise verzichtet Margarethe von Trotta auch hier auf jede Form von emotionalem Kitsch – und das wäre ebenfalls eines ihrer Markenzeichen. Statt in gefühlige Dialoge verpackt sie die biografische Story in stimmungsvolle Bilder. Licht und Schatten, weiche Linien und harte Kontraste – Ingeborg Bachmann ist bei ihr eine Frau, die in der Sonne auflebt, sie braucht die Helligkeit des Südens, um selbst zu strahlen. In der Dunkelheit geht sie zugrunde, und die Schweiz ist für sie ein sehr, sehr düsteres Land. Geschickt arbeitet Margarethe von Trotta dabei mit Rückblenden: Den großen Rahmen bildet Ingeborg Bachmanns Reise nach Ägypten, wo sie sich endlich vom Beziehungsstress mit Max Frisch erholen will. Die interessante Form macht den Film zum visuellen Erlebnis und ist nicht nur eine elegante Lösung, um aus Ingeborg Bachmanns bewegtem Leben zu erzählen, sondern gleichzeitig eine coole und sehr kluge Idee: Die Geschichte einer Schriftstellerin wird über Bilder erzählt. Die Chronik der toxischen Liebesaffäre Bachmann/Frisch, deren Scheitern vorprogrammiert ist, wird in die optimistische Erzählung der Ägyptenreise gleichsam eingewebt.

Vicky Krieps, die das Kinopublikum in „Corsage“ als Sisi begeisterte, spielt Ingeborg Bachmann als hypersensible Frau, die sich in den 1950er und 1960er Jahren dank ihres Talents und ihrer Intelligenz in der Männerwelt der Literatur Respekt erarbeitet. Sich diesen Respekt zu erhalten, kostet Kraft. Doch sie nimmt Stellung und lehnt sich auf – gegen die atomare Rüstung, gegen das Schweigen über die Nazigräuel, gegen den Umgang mit den Tätern. Vicky Krieps zeigt die Ambivalenz dieses Künstlerinnenlebens mit sehr unterschwelliger Dramatik: Ingeborg Bachmann ist bei ihr eine echte Dame, immer schick, immer schön, immer in Pose, aber auch immer am Limit. Nur selten kann sie aus sich herausgehen, authentisch sein. Bei ihren Freunden und Geliebten in Italien klappt das eher als bei Max Frisch. Basil Eidenbenz spielt mit viel Charme den eng mit Ingeborg Bachmann befreundeten Komponisten Hans Werner Henze, der jugendlich frische Tobias Resch den Adolf Opel, mit dem sie nach Marokko reiste. Max Frisch (Ronald Zehrfeld) wurde lediglich für kurze Zeit ihr inspirierender Liebhaber, der verständnisvolle Freund und Kollege – und Vicky Krieps spielt ohne jeden Kitschverdacht und sehr einfühlsam die Hoffnung auf ein echtes partnerschaftliches Miteinander ebenso wie das Nichtwahrhabenwollens des Scheiterns.

 

Gaby Sikorski