Interview

Zum Vergrößern klicken

Das Verhältnis zwischen Medien und Prominenten gleicht einer zerrütteten Ehe. Es ist von herzlicher gegenseitiger Abneigung, tiefem Misstrauen, allerlei Eitelkeiten und dem Wunsch geprägt, den jeweils anderen in die Pfanne zu hauen. Vielleicht haben die „Interview“-Macher deshalb die gegnerischen Parteien mit einem Mann und einer Frau besetzt. Es hat sich jedenfalls gelohnt. Steve Buscemi als arroganter und hinterhältiger Reporter und Sienna Miller als zickiges Starlet mit überraschender Scharfzüngigkeit liefern sich einen fulminanten Schlagabtausch, der ebenso boshaft wie amüsant zu Tage fördert, warum Presse und Stars nicht miteinander können.

Webseite: www.interview.kinowelt.de

USA, Kanada, Niederlande 2007
Regie: Steve Buscemi
Buch: Steve Buscemi, David Schechter
Darsteller: Steve Buscemi, Sienna Miller
Länge: 84 Minuten
Verleih: Kinowelt
Kinostart: 29. Mai 2008

PRESSESTIMMEN:

...


FILMKRITIK:

Es fängt schon ganz schlecht an. Reporter Pierre Peders (Steve Buscemi), eigentlich für die großen politischen Themen zuständig, wurde nach einer Verfehlung von seinem Chefredakteur verdonnert, das Soap-Sternchen Katya (Sienna Miller) zu interviewen. Entsprechend übellaunig ist er. Nachdem die Schauspielerin ihn auch noch eine Stunde im Restaurant hat warten lassen, sinkt seine Stimmung auf dem Nullpunkt. Pierre macht aus seiner Verachtung keinen Hehl, als er mit Blick auf ihre wohlgeformte Oberweite äußert: „Schön, euch beide zu treffen.“ Freimütig räumt er ein, keinen von Katyas Filmen gesehen zu haben, und so bricht das schöne Starlet das ruppige Gespräch alsbald ab. Nachdem der Fahrer des Taxis, in dem Pierre entschwindet, einen Unfall baut, an dem Katya nicht ganz unschuldig ist, findet das Interview seine Fortsetzung in deren schickem Loft. Es beginnt ein Kleinkrieg in Gesprächsform, in dessen Verlauf sich die beiden umgarnen und vor den Kopf stoßen, Intimes preisgeben und sich verletzen, Interesse heucheln und nach Informationen bohren, die sich gewinnbringend gegen den jeweils anderen einsetzen lassen. Es ist ein Boxkampf mit Worten, Gesten und Finten, bei dem bis zum Ende spannend bleibt, wer als Sieger aus dem Ring steigt.
 

Klatsch ist ein Thema, bei dem der Nachrichtenfluss nie versiegt. Steve Buscemi und David Schechter konnten aus dem Vollen schöpfen, als sie – nach einer Vorlage des ermordeten niederländischen Regisseurs Theo van Gogh -, das Drehbuch zu „Interview“ schrieben. Manches in dieser messerscharfen Auseinandersetzung mag übertrieben wirken. Doch ruft man sich die realen Absurditäten ins Gedächtnis, relativiert sich dieser Eindruck doch beträchtlích. Die Selbstentblößung einer Paris Hilton, die öffentliche Demontage einer Britney Spears, die tödliche Jagd auf Lady Diana, das Treiben der Paparazzi, Borderline-Journalismus, erfundene und verfälschte Geschichten aus der Welt der Promis – all diese Phänomene finden ihren Niederschlag in dem Film. Buscemi inszeniert das zugrunde liegende Problem als Rollenkonflikt. Die Medien, vor allem die Klatschpresse, wollen intime Informationen, die Prominenten wollen ihr Privatleben schützen und sind doch auf die Medien angewiesen, um im Gespräch zu bleiben und PR zu betreiben. Man benutzt einander, das kann nicht gut gehen. So etwas wie Harmonie oder Verständnis kommt bei den Film-Kontrahenten nur auf, wenn sie mal kurz aus der Rolle fallen und damit den Boden für gegenseitige Sympathie finden.

Indie-Ikone Steve Buscemi hat mit Sienna Miller eine starke Partnerin. Miller, die bislang meist in schmückender Funktion in leichtgewichtigen Produktionen zu sehen war, zeigt hier ihre schauspielerischen Qualitäten und beweist wie ihre Filmfigur, dass ein Image nicht zwingend etwas mit den eigenen Fähigkeiten zu tun hat. Sympathieträger sind weder der Reporter noch der Star, dazu sind sie zu hinterhältig und durchtrieben, was der Freude am Zuschauen aber eher förderlich ist. Buscemi hat im Zusammenhang mit seinem Film gesagt, ein gutes Interview sei ein anregendes Gespräch unter Gleichen über ein interessantes Thema. Da mag er Recht haben. Als Film wäre das aber sehr dröge. 

Volker Mazassek 

----------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Amerikanisches Remake eines Films des niederländischen Regisseurs Theo van Gogh – Urgroßneffe des berühmten Malers -, der im November 2004 von einem muslimischen Fundamentalisten ermordet wurde.

Theo van Gogh drehte mit Vorliebe Kammerspielfilme, meist mit zwei Personen, in denen ein Mann und eine Frau miteinander ringen: um den besten Eindruck von sich, um die Oberhand, um die schlagendsten Argumente, um die vorteilhafteste Taktik im Umgang miteinander – den Sex nicht zu vergessen.

Ein solches Ausgangsszenario liegt auch hier vor. Der Washingtoner Journalist Pierre Peders wird, statt in der Hauptstadt am wichtigen politischen Geschehen teilnehmen zu können, zu seinem großen Bedauern nach New York geschickt, um ein Interview mit Katya, sexy Darstellerin in B-Filmen, zu machen. Erregt schon der Auftrag den Unwillen Pierres, so macht die Tatsache, dass Katya eine Stunde zu spät erscheint, die Begegnung zunächst nicht interessanter. Sie ist denn auch nach wenigen Fehlversuchen zu Ende.

Doch dann rast das Taxi, mit dem sich Pierre auf den Rückweg macht, in einen Lastwagen, weil der Taxifahrer mit Katya flirtet. Pierre wird verletzt. Katya nimmt ihn mit in ihr nahe gelegenes Loft, um ihn zu verbinden.

Damit ist nolens volens die zweite Runde eröffnet. Jetzt beginnt das „Interview“ erst richtig. Es wird zum Spielchen, zum Austausch geschliffener Dialoge, zum Kampf, zur Verbreitung falscher Lebensgeschichten, zum Bluff, zum Schlagabtausch, zum Katz- und Maus-Spiel, zum verlogenen Küssen, zum letztendlichen Geständnis der wahren Lebenstragödien und zu einem Schluss, den man nicht vorausahnt.

Das Hervorstechendste an diesem Film: die schauspielerischen Leistungen von Steve Buscemi als Pierre und Sienna Miller als Katya. Da ist es egal, dass man dem Film je nach Hinsehen und Hinhören das zugrunde liegende Theaterstück anmerkt. Die beiden spielen derart lebendig, rhythmisch der Situation oder dem Rededuell angepasst und elegant, dass man – von anderen Vorzügen abgesehen – schon allein deshalb den Film richtig genießt.

Thomas Engel