Invictus – Unbezwungen

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Wie Nelson Mandela Südafrika davor bewahrte, im Bürgerkrieg zu versinken, könnte der Untertitel dieses Sport-Dramas von Clint Eastwood mit Morgan Freeman und Matt Damon in den Hauptrollen lauten. „Invictus“ ist eine Eloge an einen großen Mann und Politiker, exzellent gespielt, souverän gefilmt, schamlos sentimental und enorm mitreißend.

Webseite: www.invictus-derfilm.de

USA 2009, 133 Minuten
Regie: Clint Eastwood
Drehbuch: John Carlin
Kamera: Tom Stern
Schnitt: Joel Cox, Gary Roach
Musik: Kyle Eastwood, Michael Stevens
Darsteller: Morgan Freeman, Matt Damon, Tony Kgoroge, Patrick Mofokeng, Matt Stern, Julian Lewis Jones, Patrick Lyster
Länge: 133 Min.
Verleih: Warner Brothers
Kinostart: 18. Februar 2010

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Gleich die erste Einstellung von „Invictus“ zeigt die ganze Klasse, die Clint Eastwood als Regisseur nach Jahrzehnten des Filmemachens besitzt: Man sieht ein Rugbyteam beim Training, ausschließlich weiße Männer. Der Spielzug bedingt eine Kamerabewegung nach links, ein mächtiger Eisenzaun, mit spitzen Zacken wird sichtbar, die Kamera fährt nach oben, eine Straße kommt ins Bild, dahinter ein vergammelter Maschendrahtzaun und dahinter eine Gruppe Fußballspieler, ausschließlich Schwarze. Eine Einblendung präzisiert Zeit und Ort: Südafrika, 11. Februar 1990. An diesem Tag wurde Nelson Mandela nach 27 Jahren aus dem Gefängnis entlassen, war das Apartheid-System zumindest auf dem Papier beendet.

Doch die sozialen Probleme Südafrikas, die Rassentrennung ging wesentlich tiefer als die Tatsache, dass Schwarze lieber Fußball spielten und Weiße lieber Rugby. Wie nah das Land in jenen Tagen vor einem Bürgerkrieg stand, ist kaum vorstellbar, und auch „Invictus“ vermag dies nur anzudeuten. Die verständliche Wut der jahrzehntelang unterdrückten schwarzen Mehrheit auf die weiße Minderheit, die nun ihrerseits um ihre Pfründe besorgt war, hätte allzu leicht zu Gewaltexzessen führen können, die jede Hoffnung auf ein halbwegs friedliches Miteinander auf Jahre unmöglich gemacht hätte. Wie es Nelson Mandela gelang, Südafrika zu vereinen, das erzählt dieser Film. Zumindest einen Teil der Geschichte. Einen Teil, der sich so unglaublich anhört, dass man ihn nicht hätte erfinden können.

Um die Brillanz von Mandelas Handeln nachvollziehen zu können, ist es nötig, einiges über die Geschichte Südafrikas zu wissen, eine Aufgabe, die der Film sich mit einigen etwas schwerfälligen Szenen entledigt. Kurz gesagt war das Rugby-Team, die so genannten Springboks, ein Symbol des rassistischen Apartheidsystems. Die Aversion der schwarzen Bevölkerung gegen das Team ging so weit, das bei Spielen von Südafrika der jeweilige Gegner unterstützt wurde. Wie es der Zufall bzw. das Schicksal wollte, fand 1995 die Rugby-Weltmeisterschaft in Südafrika statt. Und so machte es sich Mandela zur Aufgabe, das Rugby-Team so zu motivieren, dass es den Titel gewinnen und dabei von allen Südafrikanern – den Weißen und den Schwarzen – angefeuert werden würde. Sein engster Vertrauter wurde der Kapitän Francois Pienaar, gespielt von Matt Damon, der mit großen Augen und unverhohlener Faszination viel dazu beiträgt, dass das Charisma von Morgan Freemans Mandela überzeugend wirkt.

Man mag sich kaum ausmalen, was aus diesem Stoff in den Händen eines weniger subtilen Regisseurs geworden wäre. Zwar ist auch Clint Eastwoods Film oft grenzwertig kitschig, doch Eastwood ist erfahren genug, die Geschichte für sich sprechen zu lassen, ohne die Emotionalität der geglückten Vereinigung zweier verfeindeter Gruppen noch zusätzlich zu betonen. Dass dabei die Komplexität der Historie zu kurz kommt, von den enormen Problemen, mit denen Südafrika seit 1995 zu kämpfen hat ganz zu schweigen, ist kaum zu vermeiden. „Invictus“ ist kein vielschichtiges Bild einer Gesellschaft, sondern eine Ode an einen Mann, der wie wenige andere den Lauf der Geschichte verändert hat. Wie sehr wünscht man sich da, dass in ein paar Monaten bei der Fußball-Weltmeisterschaft immer noch Nelson Mandela auf der Tribüne sitzen würde; zumindest aber Morgan Freeman.

Michael Meyns

Nelson Mandela ist sicherlich eine der charismatischsten Persönlichkeiten unserer Zeit. Klar, dass das Kino sich seiner annehmen musste. Und dass Clint Eastwood das getan hat – umso besser.

Es werden nicht biographisch das Leben Mandelas und etwa sein 27jähriger Gefängnisaufenthalt, sondern eine Episode gezeigt, die Mitte der 90er Jahre liegt, als er längst Präsident Südafrikas war.

Er war nach dem Sturz des Apartheid-Regimes nicht auf Hass und Rache aus, sondern möglichst auf Versöhnung und Neuanfang. Dass er für den Neuaufbau des Landes die Mitarbeit der Weißen brauchen würde, war ihm stärker bewusst als denen, die auf Vergeltung aus waren.

Um dies zu verdeutlichen, griff Eastwood auf ein Ereignis zurück, das für die gesamte Bevölkerung Südafrikas von Bedeutung war und gleichzeitig Mandela für seine Ziele als Allegorie dienen konnte, nämlich auf den Rugby-World-Cup des Jahres 1995.

Die „Springboks“ die Rugby-Nationalmannschaft, setzte sich mit einer einzigen Ausnahme aus weißen Sportlern zusammen. Sie war deshalb bei den maßgebenden Farbigen alles andere als beliebt. Sogar der Name und die Symbole der Mannschaft sollten ausgelöscht werden.

Mandela verhinderte das und nahm den Vorfall zum Anlass, seinen Mitmenschen klar zu machen, dass nur ein Miteinander und ein Vorwärtsschauen Erfolg bringen könne – im gesellschaftlich-staatlichen Leben wie im Sport. Langsam setzte eine Wandlung ein.

Der Präsident gewann den Mannschaftskapitän François Pienaar für sich, besuchte die Sportler, ließ sie mit Kindern trainieren bzw. spielen, beschwor die Männer, sich voll und ganz einzusetzen. Er selbst wollte kein einziges Spiel versäumen. Südafrika gewann den Cup gegen Neuseeland. Die Stimmung im Lande war ähnlich der, die bei der Fußball-WM 2006 in der Bundesrepublik herrschte – grenzenloser Jubel.

Eastwoods Rugby-Trick ist sicherlich legitim, denn dadurch konnte plastisch veranschaulicht werden, was Mandela wollte und will.

Soweit die Auswahl, die Episode, der Erfindungsreichtum, die Kinoseite. Es gibt in Südafrika natürlich auch eine andere Realität: die Arbeitslosigkeit, die Verbrechen, den verbleibenden Hass, die Kluft zwischen arm und reich und den noch immer bestehenden Gegensatz zwischen den Weißen und den Schwarzen; es gibt Soweto und die Slums. Solches ist in dem Film ausgespart. Und es gibt die hier ebenfalls verschwiegene Tatsache, dass das hoch favorisierte Team Neuseelands im Finale durch eine Lebensmittelvergiftung gehandikapt war, über deren Ursprung schlimme Vermutungen bestehen.

Und doch ist der Film höchst sehenswert: wegen Mandela, wegen des Geistes, der dahinter steht, wegen Eastwoods gelungener Rugby-Finte, wegen der glaubhaften, wirklich großartigen Darstellung Mandelas durch Morgan Freeman; sympathischer und charismatischer kann man nicht sein. Übrigens ist auch Matt Damon gut; er spielt den Mannschaftskapitän.

Thomas Engel