Irina Palm

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Endlich ist Marianne Faithfull einmal in einer Hauptrolle zu sehen – und in was für einer: Im bejubelten Berlinale-Wettbewerbsbeitrag „Irina Palm“ nimmt die multitalentierte Musikerin mit der rauchigen Stimme einen Job im Rotlichtmilieu von London-Soho an und wird dort zur „wichsenden Witwe“, weil sie dringend Geld für die Operation ihres Enkels braucht.  Stellenweise mit absurdem Humor verarbeitet Regisseur Sam Gabarski („Der Tango der Rashevskis“) diese Geschichte zu einem tragikomischen Märchen, in dem die grandiose Faithfull ihr Glück und einen Neuanfang im denkbar unromantischsten aller Milieus findet.

Webseite: www.irinapalm-derfilm.de

Belgien, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Luxemburg 2007
Regie: Sam Gabarski
Drehbuch: Philippe Blasband, Sam Gabarski, Martin Herron
Darsteller: Marianne Faithfull (Maggie), Miki Manojlovic (Mikky), Kevin Bishop (Tom), Siobhan Hewlett (Sarah)
Kamera: Christophe Beaucarne
Schnitt: Ludo Troch
Verleih: X-Verleih/ Warner Bros.
Kinostart: 14. Juni 2007

PRESSESTIMMEN:

 

Eine ebenso amüsante wie anrührende, in der Hauptrolle virtuos gespielte Tragikomödie, die sich trotz inszenatorischer Glätte stets ihre Ecken und Kanten bewahrt. Ebenso nachdenklich wie satirisch lustvoll spielt der Film mit den bigotten Moralvorstellungen des britischen Bürgertums. - Sehenswert ab 16.
film-dienst

Großartig und hochkomisch.
ARD Kulturmagazin ttt

Eine sympathische Komödie mit vielen extrem lustigen Momenten und einer anbetungswürdigen Marianne Faithfull. Entzückend.
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK:

Eigentlich verbringt Maggie ihre Tage in einem spießigen Londoner Vorort mit Teekränzchen und Besuchen bei ihrem Enkel im Krankenhaus. Doch die schüchterne Witwe hat ein Geheimnis, von dem weder ihre Familie, noch ihre Nachbarinnen etwas ahnen: Seit kurzer Zeit arbeitet sie im Rotlichtbezirk in Soho, wo sie durch ein Loch in der Wand die männlichen Kunden masturbiert. Bekommen hat sie den Job, weil ihre Hände so schön weich sind, dass sie fortan Irina Palm (dt. Handballen) genannt wird. Angenommen hat sie ihn, weil ihre Verzweiflung so groß war, einen großen Geldbetrag für die Operation ihres tot kranken Enkels zusammenzukratzen. Schnell stehen die Männer sogar Schlange, um von ihren Fantasie beflügelnden Fingern den Orgasmus zwischendurch zu bekommen. Ja, die Karriere der fingerfertigen Rentnerin verläuft sogar so steil, dass sie von einem anderen Etablissement abgeworben werden soll.
Dass „Irina Palm“, dieses handfeste Unternehmen von Regisseur Sam Gabarski („Der Tango der Rashevskis“), gelingt, ist nicht nur der ungewöhnlichen Geschichte, sondern zu großen Teilen auch der anbetungswürdigen Marianne Faithfull zu verdanken. Nach unzähligen Nebenrollen wie zuletzt als Maria Theresia in „Marie Antoinette“ hat sie als „beste Hand Londons“ endlich eine Hauptrolle – und was für eine: als zögernde, trotzige, mutige, anpackende Witwe mit dieser typischen tief rauen, aber warmen Stimme. Watschelt die Musik- und Groupielegende in einem Moment noch zu der Musik aus eindringlich simpler Gitarrenmusik mit in sich gekehrtem, nachdenklichem Blick durch London, bringt sie im nächsten Moment wieder Männer im Akkord zum Höhepunkt. Greift sie erst noch zögerlich zu, erledigt sie die Arbeit bald ganz pragmatisch und richtet sich regelrecht in ihrem Job und der Umgebung  am Arbeitsloch ein.

In diesen Szenen hat „Irina Palm“ diesen wundervoll grotesken Humor, wenn Faithfull in Kittelschürze den Dienst antritt, ihren Platz mit einem Bild an der Wand und einer Blumenvase verschönert und am Masturbationstischchen auch schon mal ihre Tupperdose mit Pausenbrot auspackt. Immer mehr sagt sie sich von ihrem alten Leben los und gewinnt stetig an Selbstbewusstsein: Etwa  gegenüber ihren verlogenen, frustrierten  Vorortfreundinnen, die sie bei der Verkündung ihres Geheimnisses köstlich auflaufen lässt. Aber auch gegenüber ihrem Arbeitgeber und „Sexworld“-Besitzer Mikki (Miki Manojlovic), der sich dabei zunehmend von ihr angezogen fühlt. Anfangs wirkt Mikki noch wie eine dieser typischen Rotlichtgestalten. Die Haare zurück geschlickt und mit einem abschätzenden Blick, der jedem sofort klarmacht, dass es ihm ganz gleichgültig nur ums Geld geht. Aber Manojlovic gelingt es mit der Zeit sogar, in dieser schmierigen Rolle durchaus Sympathien zu gewinnen. Mit ihm wird Maggie auch ein neues Leben starten und findet eine neue Liebe, ein neues Glück.

Um politische Korrektheit kümmert sich Gabarski dabei nicht und auch über die Ausbeutung von Frauen in diesem Business wird hier nur ganz beiläufig etwas gesagt. Vielleicht hätte der Regisseur noch weiter gehen sollen und Maggies Gründe für den Nebenjob nicht in der Aufopferung für ihren Enkel, sondern im Entkommen ihres langweiligen Seniorendaseins finden sollen. Das ändert allerdings nur wenig daran, dass „Irina Palm“ als wundervoll seltsames Märchen im undenkbarsten aller Milieus funktioniert. Der Film ist fast so etwas wie eine romantische Tragikomödie in einer Umgebung maschineller Triebabfertigung, die nach gängigen Vorstellungen so etwas wie Glück eigentlich gar nicht zulassen dürfte.

Sascha Rettig

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Maggie ist in einem kleinen englischen Städtchen nicht weit von London zu Hause. Sie ist Großmutter. Ihr Enkel Olly ist schwer krank. Eine Operation könnte helfen, doch die ist nur in Australien durchführbar. Und Geld ist keines da. Ollys Vater Tom und seine Frau Sarah sind verzweifelt. Dass Maggie und Sarah sich schlecht verstehen, macht die Sache auch nicht besser.

Maggie sieht nur eine Möglichkeit: Sie muss arbeiten, um das nötige Geld aufzutreiben. Durch Zufall stößt sie in London auf das Schild „Hostess gesucht“. Sie meldet sich, meint, dass es um Saubermachen oder Servieren gehe. In Wirklichkeit heißt der Laden „Sexy World“, und was Maggie da machen muss, geht auf keine Kuhhaut (höchstens auf eine Vorhaut!). 

Maggie hält alles geheim. Die Freundinnen werden aufmerksam, beginnen zu tuscheln. Tom ist die Sache ebenfalls nicht geheuer. Er spioniert der Mutter nach. Beinahe kommt es zur Katastrophe. Aber nur beinahe. 

Eine nette, leicht schlüpfrige, aber amüsante Idee, bestens in Szene gesetzt. Dramaturgisch fängt es ruhig an, um dann immer lebendiger und spannender zu werden. Manche originelle Idee kommt zum Tagen, der geschmückte Arbeitsplatz – pardon, die Sexkabine – zum Beispiel. 

Die Seele des Ganzen ist natürlich Marianne Faithful. Sie spielt nicht nur, sie ist Irina Palm – das Beste, was man von einer Darstellung sagen kann. Sie strahlt Ruhe und Glaubhaftigkeit aus. Sie überzeugt. Ihr Zusammenspiel mit Miki Manojlovic, ihrem Boss, der zuerst abweisend und mürrisch ist, sich dann langsam wandelt und zuletzt Maggie liebt, ist Spitze.

Eine bestens präsentierte, menschliche und zugleich amüsante  „Großmutter“- und Sex-Story mit glänzenden Hauptdarstellern.

Thomas Engel