Irrational Man

Zum Vergrößern klicken

Alle Jahre wieder ein neuer Woody Allen. Auch mit 79 Jahren bleibt der fleißige Neurosen-Züchter seinem Lieblingsthema treu und präsentiert in seinem nunmehr 46-sten Werk eine tragikomische Lovestory mit Starbesetzung. Joaquin Phoenix, mit verblüffend fetter Wampe ausgestattet, gibt den berühmten Philosophie-Professor, der chronisch am Sinn seiner Existenz zweifelt – bis eine total verknallte Studentin sowie der Plan für den perfekten Mord neue Lebensgeister weckt. Famos fabulierend, vergnüglich hakenschlagend erzählt, dazu wortwitzige Dialoge, wunderbare Bilder samt beschwingtem Jazz-Soundtrack – was will man von Woody mehr? Damit beschert der Maestro, der am 4. Dezember seinen 80-sten feiert, seinen Fans ein originell verpacktes, cineastisches Geschenk in bewährter Allen-Klasse.

Webseite: www.irrationalman.de

USA 2015
Regie: Woody Allen
Darsteller:  Joaquin Phoenix, Emma Stone, Parker Posey
Filmlänge: 96 Minuten
Verleih: Warner Bros.
Kinostart: 12. November 2015
 

FILMKRITIK:

„Philosophie ist verbale Masturbation“ lässt Professor Abe Lucas (Joaquin Phoenix), der neue Star am Campus, seine verblüfften Studenten gleich zum Auftakt wissen. Zu Heidegger und Kant gibt Abe sich gerne die Kante: Regelmäßige Schlückchen aus dem Flachmann gehören zum Tagesritual des chronisch frustrierten Intellektuellen. Trotz üppigem Bierbauch und noch mehr Zynismus hat der notorische Miesepeter einen ziemlichen Schlag bei den Frauen. Seine verheiratete Kollegin Rita (Parker Posey) mutiert zum liebestollen Luder, das mit teurem Whiskey und gutem Gras zur Affären-Attacke bläst – dass bei Abe im entscheidenden Moment die Manneskräfte versagen, lässt die Verführerin nicht verzagen.

Als gefährliche Flirt-Konkurrentin entpuppt sich die hübsche Studentin Jull (Emma Stone), die den Professor mit smarten Sprüchen bezirzt – sehr zum Ärger des alsbald zu Recht höchst eifersüchtigen Freundes. Die Erregung von Abe bleibt indes bescheiden. „Ich konnte mich nicht an den Sinn des Lebens erinnern und als er mir wieder einfiel, fand ich ihn nicht überzeugend“, zelebriert er seine depressive Dauerkrise. Die Lebensgeister des Philosophen erwachen erst, als er in einem Restaurant zufällig zum Zeugen eines Gesprächs wird, in dem eine verzweifelte Mutter über einen höchst ungerechten Richter klagt, der demnächst ihre Existenz zerstören wird. Was tun? Wie kann man der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen? Dieser jämmerliche Jurist muss weg und dazu bedarf es rigoroser Maßnahmen: Ein Mord aus moralischen Gründen, sinniert der Denker begeistert und tüftelt alsbald den perfekten Plan dafür aus. Clever wie er ist, gelingt der kühne Coup. Allerdings hat der gute Professor seine schlaue und schwer verknallte Studentin wohl etwas unterschätzt…
 
Mit gewohnter Lässigkeit führt Altmeister Allen seine Figuren als perfekter Marionettenspieler durch die raffiniert verschachtelte Tragikomödie. Er lässt sie genüsslich zappeln, legt sie famos flach oder stürzt sie gnadenlos in den Abgrund. Die gewohnt gut gedrechselten Allen-Dialoge werden diesmal mit Zitaten von Kant und Kierkegaard originell aufpoliert, ohne dabei je verquast oder anstrengend zu wirken.

Ein exquisites Ensemble gehört seit jeher zum verlässlichen Markenzeichen der Regie-Ikone. Während seine „Magic in the Moonlight“-Muse Emma Stone abermals mit mühelosem Charme die quirlige Schönheit gibt, präsentiert Joaquin Phoenix sich mit Mut zum Bauch. Seine widerwilligen Flirt-Sequenzen mit Parker Posey geraten dabei so amüsant wie die leidenschaftliche Umsetzung des raffinierten Mordplans.
 
Die visuelle Handschrift mit wunderbaren Bildern, dazu der beschwingte Jazz-Soundtrack – bei Maestro Woody fast überflüssig zu erwähnen. Klar, dass Allen sich mit seinen fast 80 Jahren nicht mehr neu erfindet, das hat er ohnehin nicht oft getan. Er präsentiert einmal mehr eine federleichte Variation seiner Lieblingsthemen. Weil er dabei nicht auf Autopilot schaltet, kann man sich bereits auf das nächste Projekt freuen. Nach dem kurzen Abstecher zu Amazon mit einer TV-Serie dreht der rüstige Regisseur bereits sein nächstes Kino-Werk – dann mit „Twilight“-Star Kristen Stewart als neuer Muse.
 
Dieter Oßwald