Irresistible

Zum Vergrößern klicken

In Jon Stewarts Politsatire „Irresistible“ battlen Steve Carell und Rose Byrne auf „The Big Short“-Niveau um die Gunst ihrer Wähler. Dabei legt Regisseur und Autor Jon Stewart diverse Missstände der US-amerikanischen Politik offen und ist ganz nebenbei auch noch echt lustig.

USA 2020
Drehbuch und Regie: Jon Sten Stewart
Darsteller: Steve Carell, Rose Byrne, Chris Cooper, Mackenzie Davis, Brent Sexton, Will Sasso, C.J. Wilson
Verleih: Universal Pictures
Länge 101 Min.
Start: 6. August 2020

FILMKRITIK:

Politikberater Gary Zimmer (Steve Carell) soll der Demokratischen Partei wieder zu mehr Zuspruch in der ländlichen Bevölkerung verhelfen. Seine geniale Idee: Er will den pensionierten Veteran Colonel Hastings (Chris Cooper) bei dessen Wahlkampf um das Bürgermeisteramt der Kleinstadt Deerlaken unterstützen, nachdem dieser mit einer flammenden Rede für die Einwandererbevölerung einen viralen Hit gelandet war. Leider stellt sich nur allzu schnell heraus, dass eine öffentlichkeitswirksame Kampagne auf dem Land auch so ihre Tücken hat. Zu allem Übel rufen seine Bemühungen außerdem seine Erzfeindin, die skrupellose Republikanerin, Faith Brewster (Rose Byrne) auf den Plan, die alles unternimmt, um Zimmers Pläne zu durchkreuzen.

Adam McKay hat mit seiner Politcomedy „The Big Short“ vor ein paar Jahren den Trend für Filme über große gesellschaftspolitische Themen und Ereignisse mit pfiffig-metafiktionaler Inszenierung gelegt. Einen Beitrag hat er mit „Vice – Der Spitzenkandidat“ selbst hinzugefügt und darin über den US-amerikanischen Vizepräsidenten hergezogen. Es folgten Filme wie „I, Tonya“ „Hustlers“ und kürzlich „Bad Education“ – allesamt Geschichten über wahre Ereignisse respektive Straftaten, erzählt ohne den bierernsten Duktus normaler Dramen oder Thriller, sondern darauf bedacht, dem Zuschauer auch komplizierteste Zusammenhänge zu erläutern und ganz nebenbei immer wieder zu betonen, wie dumm alle Beteiligten – ganz gleich ob Opfer oder Täter – überhaupt erst gehandelt haben müssen, damit es so weit kommen konnte.

Auch Jon Stewartss „Irresistable“ lässt sich diesem Genre hinzufügen. Er beginnt schon damit, dass zwei Politberater – der eine Demokrat, die andere eine Republikanerin – vor die Presse treten und dort ungeschönt darüber sprechen, dass sie die Bevölkerung mit ihren Wahlprogrammen ja ohnehin nur belügen würden, um möglichst viele Stimmen zu generieren. Besonders subversiv ist das nicht. Aber das sind Satiren ja ohnehin nur selten. „Irresistable“ macht da keine Ausnahme; ist mal scharf beobachtende Politnachdichtung und dann wieder alberne Komödie. Und dabei gelingt es Drehbuchautor und Regisseur Jon Stewart („Rosewater“) immer auch, den Finger in eine ziemlich salzige Wunde zu legen, die viel über den aktuellen Zustand der US-amerikanischen Politik aussagt. Im Vorspann zu „Irresistable“ unternimmt Jon Stewart einen Streifzug durch die vergangenen Jahrzehnte politischer Führung in den USA. Chronologisch sehen wir Fotografien früherer Präsidenten und Präsidentschaftsanwärter im Kontakt mit Wählern und potenziellen Stimmgebern – bis auf dem letzten Bild ein gelangweilt vor einem Teller Nudeln hockender Donald Trump sitzt, der daran zu scheitern droht, eine Gabel Spaghetti in seinen Mund zu befördern. Im US-amerikanischen Politgeschehen ist eben alles möglich. Und genau das einzufangen, ist Jon Stewart mit „Irresistable“ hervorragend gelungen. Im Mittelpunkt steht mit Gary Zimmer ein verzweifelt um demokratische Stimmen aus den ländlichen Gebieten der USA ringender Berater, der nicht umsonst von Steve Carell gespielt wird. Gewiss hat sich Carell durch Performances in „Foxcatcher“ und „Willkommen in Marwen“ längst auch im ernsten Schauspielfach bewiesen. Doch mit seiner hier stark an seine „Space Force“-Darbietung erinnernden Performance ist Carell einfach der ideale Kandidat, um seiner Figur aller ernsthaften Absichten zum Trotz einen tollpatschigen Anstrich zu geben, ohne sie direkt inkompetent erscheinen zu lassen. Verrückte Zeiten erfordern eben verrückte Maßnahmen. Das gilt auch für die Methoden der Wahlberater, mit denen sie sich jedoch bisweilen selbst überfordert sehen.

Obwohl Stewart „Irresistable“ deutlich mit der Mentalität einer Komödie versieht, nimmt er den entscheidenden Kern darum, wie Politik in den USA funktioniert, sehr, sehr ernst. Das trifft auch auf einen äußerst smarten Twist im Finale zu, der in bester „Vice“-Manier (weshalb das sogar auch auf der inszenatorischen Ebene zutrifft, wollen wir aus Spoilergründen an dieser Stelle nicht verraten) den Spotlight auf menschliche Versäumnisse – oder besser: Blödheit – richtet, was einen Teil der vorherigen Ereignisse in einem ganz neuen Licht erscheinen lässt. Vielleicht ist das auch ein Grund für die eher verhaltenen Kritiker- und Publikumsstimmen in den USA, die im Grunde dasselbe an „Irresistable“ kritisieren wie damals schon an „Vice“: das vermeintliche Austeilen gegen die Menschen, die sich die aktuelle politische Lage in den USA selbst eingebrockt haben. Doch anders als vorwiegend gegen die Republikaner zu schießen, kritisiert Stewart hier in erster Linie das System im Gesamten und nicht die einzelnen Parteiausrichtungen.

Antje Wessels