Nach seinen beiden erfolgreichen deutschen Filmen „Oh Boy“ und „Lara“ zielt Jan-Ole Gerster nun auf ein breiteres Publikum: Auf Fuerteventura drehte er mit internationaler Besetzung „Islands“, eine in der gleißenden Sonne der Kanaren gedrehte Film-Noir-Variation, die sich langsam und manchmal etwas zu bedächtig entwickelt, falsche Fährten legt, mit Antonioni- und Hitchcock-Verweisen kokettiert und von einem Mann erzählt, der verloren ist.
Über den Film
Originaltitel
Islands
Deutscher Titel
Islands
Produktionsland
DEU
Filmdauer
123 min
Produktionsjahr
2025
Regisseur
Gerster, Jan-Ole
Verleih
Leonine Distribution GmbH
Starttermin
08.04.2025
Einst war er ein vielversprechender Tennisspieler, doch inzwischen hat es sich Tom (Sam Riley) in seinem Job auf der Kanaren-Insel Fuerteventura eingerichtet: Tagsüber gibt er Gästen in einem ausladenden Hotel-Komplex Tennisunterricht, abends ist er Dauergast in den Clubs der Insel, geht mit Touristinnen ins Bett und wacht mit unschöner Regelmäßigkeit verkatert auf.
Aus seinem Rhythmus holt ihn die Familie Murphy, neue Gäste im Hotel. Schon als Anne (Stacy Martin) aus dem Bus steigt bleibt ihr Blick etwas zu lange auf Tom haften, so als würde sie ihn kennen. Für ihren achtjährigen Sohn Anton (Dylan Torrell) bucht sie Tennis-Stunden, aus denen schnell eine seltsame Nähe zwischen Tom und der Familie entsteht, zu der auch der selbstgefällige Dave (Jack Farthing) gehört, der sichtlich mit seiner Ehe hadert.
Kein Wunder also, dass er am Abend eines gemeinsam verbrachten Tages (Tom hatte der Familie als quasi Touristenführer die schönen Seiten der Insel nahegebracht) darauf besteht, noch einen Drink im Club zu nehmen. Nur widerstrebend stimmt Tom zu und wacht am nächsten Morgen einmal mehr verkatert auf. So weit so normal, doch dann erfährt Tom, das Dave verschwunden ist.
„Niemand ist eine Insel“ heißt es, doch die Hauptfigur in Jan-Ole Gersters Drama versucht ihr bestes. Ausgerechnet auf einer Insel hat der von Sam Riley gespielte Tom es sich gemütlich eingerichtet, lebt ein Leben ohne Einschränkungen, dass den Neid vieler seiner (männlichen) Tennis-Schüler erweckt, die oft froh sind, zumindest für ein paar Tage aus dem Trott ihres Familienlebens ausbrechen zu können.
Dass Tom jedoch nicht wirklich zufrieden mit seiner Existenz ist, wird schnell deutlich, und welche Überraschungen ihm Gerster und seine Co-Autoren in den Weg gelegt haben, lässt aus einem konventionellen Ansatz eine über weite Strecken überzeugende Genremischung werden.
Mysteriös wirkt Anne, die Andeutungen macht, Tom von früher zu kennen, die nach dem Verschwinden ihres Mannes seltsam kühl wirkt, so als würde sie finstere Pläne schmieden. Wie eine jener kühlen Blonden aus einem Hitchcock-Film wirkt sie hier unterstützt von der Musik, die klingt wie eine Variation von Bernard Herrmann. Betont vage deutet Gerster diverse Erklärungen an, hält viele Möglichkeiten im Spiel, während das Rätsel um Daves Verschwinden immer größer wird. Unweigerlich muss man hier an Michelangelo Antonionis großen Klassiker „Die mit der Liebe spielen“ denken, bei dem das Verschwinden einer Frau (ebenfalls auf einer Insel), als Katalysator der Ereignisse diente. Und so geht es auch Tom, der durch die Begegnung mit der Familie sieht, welches Leben er vielleicht selbst hätte führen können, wenn er nur etwas mehr Initiative gezeigt hätte.
Doch so einfach ist es dann auch wieder nicht. Clever hält Jan-Ole Gerster die Motive und Hintergründe der Figuren offen, spielt mit Thrillerelementen und der sexuellen Anziehung zwischen Tom und Anne. Wie er seine Geschichte schließlich auflöst mag nicht jedem gefallen, andere Möglichkeiten hätten ebenfalls Sinn gemacht, aber seinem melancholischen Helden einen Moment der Hoffnung zu schenken, ist vielleicht nicht die schlechteste Wahl.
Michael Meyns