Jane Got a Gun

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Fast drei Jahre nach seiner Fertigstellung schafft es der Neo-Western „Jane got a Gun“ mit Oscar-Preisträgerin Natalie Portman in der Titelrolle nun doch in die deutschen Kinos – und das sogar vor dem für Februar geplanten US-Start. Einst als loses Remake einer alten Revenge-Story angekündigt, konzentriert sich der geradlinige Plot auf das Zusammentreffen einer mutigen Einzelkämpferin mit ihrem ersten Mann (Joel Edgerton), der sie und ihren schwerverletzten Gatten vor den Schergen einer brutalen Bande und deren Anführer (Ewan McGregor) beschützen soll. Vor der kargen Kulisse New Mexicos kommt es zu einem blutigen Duell, in dem sich Gut und Böse in alter Western-Tradition gegenüber stehen.

Webseite: www.jane-got-a-gun.de

USA 2015
Regie: Gavin O’Connor
Drehbuch: Brian Duffield, Joel Edgerton, Anthony Tambakis
Kamera: Mandy Walker
Darsteller: Natalie Portman, Joel Edgerton, Ewan McGregor, Noah Emmerich, Rodrigo Santoro
Laufzeit: 98 Minuten
Verleih: Universum
Kinostart: 31.12.2015
 

FILMKRITIK:

Ein neues Leben beginnen, an einem neuen Ort. Dieser Wunsch ist es, der Jane (Natalie Portman) einst Richtung Westen aufbrechen ließ. In New Mexico glaubte sie, eine sichere Heimat gefunden zu haben. Doch die Vergangenheit holt sie und ihren Mann Bill (Noah Emmerich) schließlich ein. Sieben Jahre sind vergangen als plötzlich Bills alte Mitstreiter – allesamt Mitglieder einer gefürchteten Gangsterbande, die unter ihrem brutalen Anführer (Ewan McGregor) Angst und Schrecken verbreiten – auftauchen und ihn mit mehreren Kugeln niederstrecken. Nur mit allerletzter Kraft kann er sich nach Hause retten. Dort wird Jane beim Anblick ihres schwerverletzten Mannes bewusst, dass sie den Kampf gegen die Gang kaum alleine führen kann. In dieser schweren Stunde erinnert sie sich an ihr erstes Leben und ihre erste große Liebe. Mit dem gemeinsamen Kind hatte Jane ihren Mann Dan (Joel Edgerton) damals nach dessen Gefangenschaft verlassen. Daraufhin blieb die Suche nach seiner Familie für viele Jahre Dans einziger Lebensinhalt. Nun wird er gebraucht. Trotz verletzter Gefühle und nicht verheilter Wunden ist er zur Stelle.
 
Vor der kargen Landschaft des so oft beschriebenen und verfilmten Wilden Westens entwickelt sich fortan ein trotz eingestreuter Rückblenden, in denen der Film Janes Aufbruch in ein neues Leben beleuchtet, ein geradliniges Duell bis zum unausweichlichen Showdown im Kugelhagel. Damit bewegt sich „Jane got a Gun“ einerseits durchaus in den erwartbaren Koordinaten seines Genres. Auch die starke Fixierung auf eine weibliche Hauptfigur in dem traditionell von Männern bestimmten Western überrascht angesichts des Titels und der prominenten Besetzung mit Oscar-Preisträgerin Natalie Portman nicht wirklich. Immerhin steht ihr schon bald ein wehrhafter, an der Waffe ebenso geübter Mann zur Seite. Janes vom Australier Joel Edgerton verkörperter „Ex“ ist eigentlich der spannendere, weil ambivalentere Charakter.
 
Seine Gefühle als verlassener Ehemann brodeln hier zumeist unter der Oberfläche der von Mandy Walkers Kamera perfekt ausgeleuchteten Western-Dekors. Erst im letzten Filmdrittel räumt Regisseur Gavin O’Connor den Emotionen dank einer geschickten Wendung mehr Raum ein. Die handwerkliche Klasse, die „Jane got a Gun“ dabei von der ersten Minute ausstrahlt, ist unbestritten. Jede Einstellung taucht die Protagonisten und die raue, karge Landschaft New Mexicos, in der sie sich behaupten müssen, in das Licht eines vor allem von Atmosphäre und (An-)Spannung bestimmten Neo-Westerns, dem doch eine gewisse Eigenständigkeit fehlt. Man muss kein Kenner vergleichbarer Geschichten sein, um die Motive der Figuren zu durchschauen und den narrativen Bogen zu erkennen. Das Skript des Autoren-Trios entscheidet sich für den schnörkellosen und zugleich sicheren Weg.
 
Für Natalie Portman bot die Rolle diverse Möglichkeiten, einmal mehr ihre Wandlungsfähigkeit in einem für sie eher ungewohnten Genre unter Beweis zu stellen – wobei es hierfür natürlich keinen Beweis mehr bräuchte. Jane, die sowohl große Ängste als auch Entschlossenheit in sich vereint, ist sicherlich das emotionale Zentrum von O’Connors Western-Interpretation. Und doch verlagert sich der Fokus immer wieder zu Joel Edgertons reaktiviertem Beschützer, für den die Begegnung mit seiner vermissten Ehefrau auch zu einem Kampf mit der eigenen Vergangenheit wird. Der von Ewan McGregor eiskalt verkörperte Anführer der Räuberbande tritt angesichts dessen etwas zu sehr in den Hintergrund. Von ihm hätte man gerne mehr gesehen.
 
Es bleibt bei der soliden Erkundung eines leider nicht mehr massenkompatiblen Genres – Tarantinos Pulp-Opern ausgenommen –, dem O’Connor wohl kaum zu einem Comeback verhelfen dürfte. Zumindest erhielt „Jane got a Gun“ nach einer bewegten, keinesfalls reibungslosen Produktionsgeschichte und fast drei Jahre nach seiner Fertigstellung letztlich doch noch eine verdiente Kinoauswertung.
 
Marcus Wessel