Jeanne D‘Arc

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Bruno Dumont erzählt in seiner Fortsetzung des eigenwilligen Musicals „Jeannette – Die Kindheit der Jeanne D’Arc“ vom Erwachsenenlebender Johanna von Orléans. In „Jeanne D’Arc“ wird die Nationalheldin von einer ebenso unerbittlichen wie uneinsichtigen Schar an Geistlichen und Kirchenvertretern abgeurteilt. Der Mix aus Historienfilm, Drama und Porträt ist konsumierbarer und weniger extrem als der Vorgänger. Im Mittelpunkt des brillant gespielten Films stehen diesmal die Dialoge und die Rhetorik der Figuren.

Webseite: grandfilm.de/jeanne_d_arc/

Frankreich 2019
Regie & Drehbuch: Bruno Dumont
Darsteller: Lise LeplatPrudhomme, Fabrice Luchini, Jean-François Causeret, Annick Lavieville
Länge: 138 Minuten
Verleih: Grandfilm
Kinostart: 02. Januar2020

FILMKRITIK:

Frankreich, 1430. Die mittlerweile erwachsene Jeanne d'Arc (Lise Leplat Prudhomme) fällt in Ungnade. Zuvor wurde sie als Retterin Frankreichs mit göttlichen Eingebungen verehrt und zur Anführerin berufen, die das Land aus der Not herausführen sollte. Doch die Zeit der militärischen Erfolge gegen die Engländer ist vorbei. Schlimmer noch: In der Schlacht von Compiègne wird die königliche Armee, die Jeanne d'Arc anführt, vernichtend geschlagen. Die Burgunder nehmen sie gefangen und liefern sie kurz darauf an die Engländer aus. Jeanne D’Arc kommt vor ein Kirchengericht – und wird als vom Glauben abgefallene Ketzerin schließlich zum Tode durch Verbrennung verurteilt.

Mit „Jeanne D’Arc“ knüpft Regisseur Bruno Dumont direkt an sein als schrilles Musical realisiertes Werk „Die Kindheit der Jeanne D’Arc“ an. Das Sequel, das seine internationale Premiere bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes feierte,  kommt nun allerdings wesentlich zugänglicher und weniger experimentell daher. Dumont verzichtet auf die ausufernden Tanzeinlagen sowie den rockigen Soundtrack. Außerdem erzählt er recht nüchtern und geradlinig von den letzten Lebensmonaten der heute als Ikone gefeierten jungen Frau. Im ersten Film unterbrach er die Handlung noch unvermittelt mit plötzlich einsetzenden Musical-Nummern und wilden Tänzen.

Was nicht heißt, dass Dumont auf die Musik als schmückendes und Emotionen verstärkendes Element verzichtet. Nur setzt er sie diesmal wesentlich zielgerichteter und sparsamer ein. Zum Beispiel in jener Szene, in der sich Jeanne an den Allmächtigen wendet und ihm, kurz nach der fehlgeschlagenen Befreiung der Hauptstadt Paris, ihre innere Zerrissenheit mitteilt: in Form einer episch angelegten, sechsminütigen Synthie-Ballade. Den Gesang des sentimentalen Lieds übernimmt ein Mann, Jeanne-Darstellerin Lise Leplat Prudhomme bewegt dazu nur die Lippen.

Überhaupt überwiegt in „Jeanne D’Arc“ eine schwermütige, gedrückte Stimmung. Das Unbeschwerte und die Sorglosigkeit vieler Momente (allen voran der Tänze) des ersten Films weichen Melancholie, Trübsinn und Leid. Weiterhin fällt schon sehr früh auf, dass Dumont diesmal einen Schwerpunkt auf die Dialoge bzw. das gesprochene Wort legt. Und: auf die Macht der Rhetorik. Dies wird in einer der stärksten Szenen deutlich. In der Mitte des Films verlässt Dumont die Schlachtfelder und verlagert den Film in das Innere einer beeindruckenden, riesigen Kirche. Im Mittelpunkt steht nun der Prozess gegen Jeanne D’Arc, die man wegen „ihres Aberglaubens und ihrer Irrlehren“ vor Gericht bringt.

Schon die Größe und spektakuläre Architektur des Gotteshauses flößen Respekt ein. Das Gebäude versinnbildlicht die außerordentliche Stellung und Macht des Klerus zur damaligen Zeit. 15 Minuten lang liefern sich die rhetorisch und dialektisch geschulten Geistlichen ein mitreißendes Wortgefecht mit der angeklagten Hauptfigur. Im unnachgiebigen Kreuzverhör der Kleriker beweist Jeanne D’Arc Intelligenz, Schlagfertigkeit und schwarzen Humor. Beharrlich hält sie an ihren Glaubensgrundsätze und unerschütterlichen  Überzeugungen fest.

Und auch im weiteren Verlauf des Films kommt den Dialogen tragende Bedeutung zu. Und das unabhängig vom Ort des Geschehens oder den am Gespräch beteiligten Personen. Erwähnenswert ist darüber hinaus die einnehmende Präsenz und beachtlich tiefgründige schauspielerische Leistung von Lise Leplat Prudhomme, die die wehrhafte Jungfrau von Orleans leidenschaftlich und glaubhaft verkörpert. Bis zum bitteren Ende auf dem Scheiterhaufen.

Björn Schneider