Jugend ohne Jugend

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Wenn nach zehn Jahren Pause ein Regisseur vom Kaliber eines Francis Ford Coppola einen neuen Film gedreht hat, ist das schon mal per se ein Ereignis. Das „Jugend ohne Jugend“ nicht an die Qualität von Coppolas besten Filmen herankommt, war zu erwarten. Doch mit welcher Verve sich der inzwischen 68jährige Regisseur in die moralisch, wie philosophisch komplexe Geschichte eines Mannes wirft, der vom Blitz getroffen wird und verjüngt wieder aufwacht, nötigt höchsten Respekt ab. Auch wenn das Ergebnis ein Film ist, der eher intellektuell fasziniert als emotional.

Webseite: www.jugend-ohne-jugend.de

OT: Youth without Youth
USA 2007
Regie: Francis Ford Coppola
Buch: Francis Ford Coppola, nach der Novelle von Mircea Eliade
Kamera: Mihai Malaimare Jr.
Schnitt: Walter Murch
Musik: Osvaldo Golijov
Darsteller: Tim Roth, Alexandra Maria Lara, Bruno Ganz, André Hennicke, Matt Damon, Marcel Lures, Adrian Pintea
124 Minuten, Format: 1:2,35
Verleih: SONY
Kinostart neu: 10.7.2008

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Rumänien, 1938. Der alternde Linguistik-Professor Dominic Matei (Tim Mroth) will gerade einen Zug nach Bukarest nehmen, da wird er vom Blitz getroffen. Eigentlich müsste er Tod sein, doch stattdessen beobachtet sein Arzt (Bruno Ganz) Erstaunliches: Matei verjüngt sich und kann bald als vielleicht 30jähriger verlassen. Doch nicht nur sein Körper ist verjüngt, auch sein Geist hat einen erstaunlichen Wandel durchgemacht. Ungeahnte Fähigkeiten besitzt Matei, er kann den Inhalt eines Buches in Sekunden erfassen und Sprachen in wenigen Tagen lernen. Nun scheint es ihm möglich, sein Lebenswerk zu vollenden, dem Ursprung der Sprache und damit der menschlichen Existenz auf die Spur zu kommen. Gleichzeitig jedoch ist diese Suche mit einem Preis verbunden. Bei einer Reise in die Alpen hatte Matei Veronica (Alexandra Maria Lara) kennengelernt, die ihm wie eine Wiedergeburt seiner großen Liebe Laura (ebenfalls gespielt von Alexandra Maria Lara) erscheint. Die hat ihn einst wegen seiner Arbeit verlassen,, sie wollte ihm nicht im Weg stehen. In Veronica hat Matei nun nicht nur eine neue/ alte Liebe (wieder-)gefunden, sondern auch ein Medium in die Frühzeit der Sprachen. Denn Veronica fällt immer öfter in visionsartige Zustände, in denen sie in Sanskrit, in Babylonisch und noch älteren Sprachen spricht. Doch je näher Matei dem Ziel seiner Forschung kommt, desto schwächer wird Veronica. 

So in etwa sieht eine grobe Beschreibung von zumindest einem Teil der Geschichte aus, die Coppola hier erzählt. Über 30 Jahre erstreckt sich die Erzählung, springt von Rumänien über die Schweiz und Malta bis nach Indien und kommt am Ende wieder am Anfang an. Viel Raum zur Interpretation bietet diese Struktur, doch die mystischen Elemente streift der Film nur nebenbei. Schon einige Male, vor allem in „Peggy Sue“ und „Jack“ bediente sich Coppola ähnlicher Strukturen, löste das physische Alter vom psychischen. Auch hier bekommt Matei eine zweite Chance, bekommt die Gelegenheit, begangene Fehler zu ändern, sich diesmal anders zu entscheiden, vor allem aber wieder jung im Geist zu werden. Vermutlich ist dies der entscheidende Aspekt der Novelle, die Coppola so faszinierte. Auch er ist ein nicht mehr junger Mann, der nun, nach zehn Jahren Pause versucht, sich noch einmal neu zu erfinden. 

Er tut das mit einer solchen Begeisterung, dass sein Film unter den vielfältigen Handlungssträngen, den philosophischen Diskursen, die kurz angerissen werden, und dazu noch einer Raum und Zeit überbrückenden Liebesgeschichte zusammenzubrechen scheint. Manches Mal würde man sich Momente der Ruhe wünschen, die Gelegenheit, die Fülle an Informationen zu verarbeiten. Doch die kann Coppola hier nicht bieten und natürlich auch keine Antworten auf die Fragen die „Jugend ohne Jugend“ aufwirft. 

Doch allein das ein Film sich Fragen nach dem Sinn des Lebens annimmt, und dazu noch mit einer geradezu experimentellen Erzählstruktur, ist bemerkenswert. Ähnlich wie letztes Jahr bei Darren Aronofskys „The Fountain“ würde man es sich viel zu einfach machen, dies als esoterisch abzutun. Ja, es ist ein komplexer, vielschichtiger Film, aber eben eine faszinierende Thematik. Und nicht zuletzt ist Coppola ein außerordentlicher Regisseur, der es hier mit geringsten Mitteln und einem verschwindend niedrigem Budget schafft, einen visuell hervorragenden Film zu drehen. Bei allen Schwächen bleibt „Jugend ohne Jugend“ ein außerordentlicher Film und markiert möglicherweise oder besser gesagt hoffentlich den Beginn des ungefähr dritten Frühlings in der Karriere Francis Ford Coppolas.
 

Michael Meyns