Kandahar

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Seit zwei Jahren ist der Krieg in Afghanistan beendet – zumindest der Teil, der nach dem 11. September von den USA begonnen wurde – Filme über den Konflikt gibt es schon länger. Meist folgen sie denselben Mustern, zeigen Spezialeinheiten, die unter Beschuss geraten und so überrascht es nicht, dass auch „Kandahar“ dieses Thema variiert, dabei aber zumindest in Ansätzen auch von der moralischen Ambivalenz des Krieges erzählt.

Regie: Ric Roman Waugh
Buch: Mitchell LaFortune
Darsteller: Gerard Butler, Navid Negahban, Ali Fazal, Bahador Foladi, Travis Fimmel, Nina Toussaint-White

Länge: 119 Minuten
Verleih: Leonine
Kinostart: 17. August 2023

FILMKRITIK:

Im Untergrund agiert der CIA-Agent Tom Harris (Gerard Butler), übernimmt Aufgaben, die sonst niemand übernehmen will. Gerade hat er einen Job im Iran beendet, wo er eine Nuklearanlage in die Luft gejagt hat und bereitet sich in Dubai auf den Heimflug nach London vor. Dort wartet seine Tochter, während seine Frau längst aufgehört hat zu warten und die Scheidung will.

Doch kurzfristig wird Tom ein neuer Job angetragen, der so viel Geld bringt, dass Tom nicht Nein sagen kann. In der Grenzregion zwischen Iran und Afghanistan soll er eine Landebahn vorbereiten, vor Ort soll ihm der afghanischen Übersetzer Mo (Navid Negahban) zur Seite stehen. Doch kaum vor Ort erfährt Tom, dass der Anschlag im Iran weite Kreise gezogen hat und seine Tarnung gelüftet wurde.

Unterschiedliche Agenten sind ihm auf den Fersen, darunter die iranische Revolutionsgarde und der eiskalte Killer Kahil (Ali Fazal). Toms einziger Ausweg ist es, sich über die 400 Meilen in die regionale Hauptstadt Kandahar zu bewegen, wo in genau 30 Stunden ein Transportflugzeug für exakt eine Minute landen wird und seine einzige Rettung darstellt.

Erstaunlicherweise ist „Kandahar“ neben Guy Ritchies „The Covenant“ schon der zweite Hollywood-Actionfilm des Jahres, in dem die Figur eines Übersetzers Sidekick der Hauptfigur ist. Gerade während des arg überhasteten Rückzugs der internationalen Truppen waren die lokalen Hilfskräfte ja bekanntermaßen so ziemlich das letzte, an das die USA und ihre Verbündeten gedacht haben. Wie viele Afghanis trotz gegenteiliger Versprechen im Land zurückgelassen wurden und von den Taliban wegen Verrats ermordet wurden, wird wohl nie bekannt werden.

Dass auch diese Hilfsarbeiter Menschen sind und Familien haben, ist selbstverständlich, allerdings nicht unbedingt im Hollywood-Actionkino. Umso überraschender und angenehmer mutet es daher an, dass  Ric Roman Waugh „Kandahar“, zu dem der Veteran Mitchell LaFortune das Drehbuch schrieb, immer wieder versucht, mehr zu sein als nur ein stringenter Actionfilm. Manche Nebenhandlungen – eine Journalistin etwa, die kurzzeitig vom iranischen Geheimdienst verhaftet wird – bleiben dabei zwar bedauerlicherweise unterentwickelt, vermitteln aber dennoch einen Ansatz von der komplexen Gemengelage an Interessen und Absichten, die die Region so umkämpft macht. Ein einfaches Freund/ Feind-Schema findet sich hier nur selten, moralisch „richtige“ Entscheidungen gibt es kaum und am Ende mag man erkennen, dass auch die Vertreter der anderen Seite legitime Interessen haben.

Zumindest in Ansätzen zeichnet „Kandahar“ ein vielschichtiges Bild der Lage im Mittleren Osten, vor allem aber ist er ein Action-Thriller, der von der Spannung und seinen (übrigens komplett in Saudi-Arabien gedrehten) Action-Szenen lebt. Mit Sicherheit nicht der letzte Film, in dem der zwanzig Jahre währende, über eine Trillionen Euro teure Afghanistan-Krieg, thematisiert wird, aber bislang einer der ambitionierteren.

 

Michael Meyns