Killing them softly

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Eiskalte Killer kann keiner cooler als Brad Pitt. Hier soll er wieder Ordnung in der örtlichen Unterwelt schaffen, deren profitables Geschäftsmodell durch den frechen Überfall zweier Kleinganoven auf ein illegales Pokerturnier gefährdet wurde. Zum klassischen Ganoven-Stück gibt’s als Upgrade die politische Parabel auf das marode System von Amerika. Beides funktioniert blendend. Starke Spannung samt Systemkritik schaffen einen clever gestrickten, visuell faszinierenden Thriller mit Tiefgang. Bestes Genre-Vergnügen à la „Drive“.

Webseite: www.wildbunch-germany.de

USA 2012
Regie: Andrew Dominik
Darsteller: Brad Pitt, Scoot McNairy, Ben Mendelsohn, James Gandolfini, Ray Liotta
Filmlänge: 104 Minuten
Verleih: Wild Bunch
Kinostart: 29. November 2012

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

„Amerika ist kein Land, Amerika ist ein Geschäft“ kommentiert Killer Jackie (Brad Pitt) eine Wahlkampfrede von Barack Obama, die anno 2008 auf dem Fernsehschirm einer Bar übertragen wird. Von seinem Auftraggeber will er dort unauffällig den Lohn fürs Töten kassieren, das Honorar fällt indes kleiner als vereinbart aus, „wir haben schließlich Finanzkrise“ lächelt der eiskalte Hintermann. Doch der Reihe nach, zurück auf Los: Die beiden Kleinkriminellen Frankie und Russell wittern einen großen Coup und überfallen mutig die illegale Pokerrunde in einem Hinterzimmer. Das organisierte Verbrechen ist von solch unorganisierten Raubzügen wenig begeistert, schließlich gehört die Zockerei zum Kerngeschäft der Mafia. Damit die alte Ordnung nicht ins Wanken gerät, wird Auftragskiller Jackie engagiert, um den Frevel zu rächen.

Ganz so reibungslos läuft die Sache mit der Rache jedoch nicht. Da wäre jene gewisse Bürokratie und Knauserigkeit im Verbrechersyndikat. Oder der als Subunternehmer engagierter Killer-Kollege (James Gandolfini), der seinem legendären Ruf längst nicht mehr gerecht wird und sich als sexsüchtiger Säufer entpuppt. Last not least findet sich mit dem Poker-Veranstalter Markie (Ray Liotta) ein weiterer Verdächtiger, der vor einigen Jahren schon einmal einen Überfall vorgetäuscht hat, um sich zu bereichern. Dem alten Fuchs Jackie macht allerdings niemand etwas vor. So freundlich wie gnadenlos arbeitet er seinen Auftrag ab. Am liebsten tötet er seine Opfer aus der Ferne, titelgebend „softly“ eben, um sich den grausam Anblick zu ersparen. Bisweilen freilich erfordert der Job auch den gemeinen Kopfschuss aus der Nähe.

Wie schon in „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ (gleichfalls mit Brad Pitt) erweist sich der Neuseeländer Andrew Dominik als rigoroser Regisseur der eigenwilligen Art. Mit einem Füllhorn visueller Finessen verbindet er das Gangster-Genre mit Gesellschaftskritik und zeichnet, gleichsam nebenbei, ein düsteres Bild von „God’s own country“. Gleich im ersten Bild hört man Barack Obama mit einer Wahlkampfrede aus dem Radio, später sieht man ihn und Noch-Präsident George Bush immer wieder in auffällig drapierten TV-Geräten im Hintergrund. Die hohlen Phrasen der Politiker werden wie zum Soundtrack der besonderen Art und untermalen die Bilder einer Gesellschaft, in der nicht nur unter Gangstern die Stärkeren rücksichtslos auf Kosten der Schwächeren ihre Macht und Besitzstände verteidigen: „Amerika ist kein Land, Amerika ist ein Geschäft“ - wie es der erwähnte Kommentar des Killers mit Grips so trefflich auf den Punkt bringt. Andere Dialoge, und davon gibt es reichlich, fallen weniger pointiert aus. Das tarantinoeske Geplapper hat freilich Methode: Zum einen dient es der Entschleunigung, zum anderen entwickeln sich aus dem Fabulieren die Psychogramme der Figuren - entsprechend lustvoll zelebrieren die Akteure ihren Wortschwall.

Visuell bietet das Gangsterstück einen atmosphärisch dichten, stilsicher verwaschenen Look samt grandioser Ideen. Die Halluzinationen im Drogenrausch etwa waren auf diese Weise bislang kaum auf der Leinwand zu erleben. Auch der Kopfschuss in Zeitlupe gerät zum kleinen Kunstwerk, zumal die Szene mit einer überraschenden Zugabe aufwartet.

Gegen die charismatische Coolness von Hauptdarsteller (und Produzent) Brad Pitt haben seine Mitspieler naturgemäß keinen leichten Stand, doch das Ensemble schlägt sich wacker. Die eher unbekannten Scoot McNairy und Ben Mendelsohn überzeugen als bemitleidenswerte Verlierertypen. Der lange in der Versenkung verschwundene Ray Liotta läuft zu alter Form auf. Und von „Soprano“ James Gandolfini kann man ohnehin nicht genug sehen.

Dieter Oßwald

2008. In den USA herrscht Wahlkampf. Obama will an die Macht kommen. Er hält Yes-we-can-Reden, eine nach der anderen.

Frankie und Russel sind seit ihrer Entlassung aus dem Gefängnis Kumpel. Frankie strebt ein ordentliches Leben an mit Frau, Familie, Auto. Russel stiehlt derzeit Hunde und verkauft sie weiter. Doch er will mehr Geld. Er ist drogensüchtig, und das ist teuer.

Frankie kennt Johnny Amato gut. Der hat Beziehungen und einen Plan. Frankie und Russel sollen die illegale Spielhölle von Markie Trattman auseinander nehmen. Das bringt Kohle. Eine Gefahr, erkannt zu werden, besteht nicht, denn Markie hat vor vier Jahren seine eigene Spielerrunde überfallen und ausgeraubt. Dummerweise plauderte er das irgendwann aus. Wenn also wieder so etwas vorkommt, kann nur er es gewesen sein.

Das Spielersyndikat ist wegen der 50 000 Dollar, die durch Frankie und Russel abhanden kamen, beunruhigt. Es muss handeln, ein Zeichen setzen, und zwar zuerst an Markie. Der wird halbtot geschlagen.

Dann werden Jackie Cogan und Mikey, von Beruf Auftragskiller, engagiert. Russel hat, als er high war, das Maul nicht halten können. Also weiß man, wer hinter dem Überfall steckt.

Mickey taugt nicht mehr viel. Seit dem Verlust seiner Frau ist er heruntergekommen und säuft. Jackie Cogan ist es, der die „sanfte“ Tötung übernehmen muss.

Eine finstere Sache, aber toll dramatisiert und inszeniert. Die Figuren stimmen, das Ambiente stimmt. Die Spannung hält voll durch. Die Kameraarbeit entspricht dem düsteren Thema. Ein Action-Thriller mit lauter „dunklen Ehrenmännern“.

Ray Liotta ist Markie Tratman. Der arme Mann ist dieses Mal unschuldig und wird dennoch derart malträtiert. Brad Pitt spielt den Killer Jackie Cogan: analytisch, ruhig, unerbittlich. Mickey wird von James Gandolfini dargestellt. Sein Auftritt ist ein schauspielerisches Kabinettstückchen erster Güte. Ein „Schmankerl“ sozusagen. Auch die restlichen Akteure, z.B. Richard Jenkins, mimen, was das Zeug hält.

Während des gesamten Films hört man voice over Wahlreden: von Obama, von seinem Mitbewerber für das Präsidentenamt, von seinem Vorgänger George W. Bush und anderen. Sie alle versprechen ein friedliches, heiles Amerika.

Im Film geschieht das genaue Gegenteil.

Für Action-Thriller-Fans ein gefundenes Fressen.

Thomas Engel