King Richard

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Will Smith zeigt eine Glanzleistung als Vater von Venus und Serena Williams in einem Film, der weder Sportfilm ist noch Biopic oder plattes Aufsteigerdrama, sondern alles davon und noch mehr, nämlich eine wunderbar gespielte Charakterstudie mit gelegentlich ziemlich witzigen Passagen, viel Emotion und spannendem Zeitkolorit. Reinaldo Marcus Green gelingt es, dank einer geschickten Inszenierung und eines Drehbuchs, das sowohl den beiden Tennislegenden als auch ihrem Vater gerecht wird, den Film über den Mainstream hinauszuheben. Spiel, Satz und Sieg für Will Smith!

Webseite: https://www.kingrichard-film.de/

USA 2021
Regie: Reinaldo Marcus Green
Drehbuch: Zach Baylin
Darsteller: Will Smith, Jon Bernthal, Tony Goldwyn, Dylan McDermott, Demi Singleton, Saniyya Sidney
Länge: 138 Minuten
Verleih: Telepool, Vertrieb: Paramount
Kinostart: 24.02.2022

FILMKRITIK:

Richard Williams hat eine Vision: Seine Kinder sollen einmal erfolgreiche Tennisprofis werden. Schon im Vorschulalter werden die kleinen Mädchen Venus und Serena von ihm und Brandy, ihrer Mutter, trainiert. Doch es gibt eine weitere Vision, die beinahe noch wichtiger ist: Richard und Brandy wollen raus aus Compton, einem Vorort von Los Angeles, der von Gewalt, Bandenkriegen und Drogenkriminalität geprägt wird. Zunächst versuchen die Eltern, ihren Mädchen – insgesamt fünf an der Zahl – ein gutes Leben und eine vernünftige Schulbildung zu ermöglichen, gleichzeitig planen sie den Auf- und Ausstieg. Buchstäblich Tag und Nacht arbeiten sie für ihren Traum. Doch damit, dass Venus und Serena täglich auf den öffentlichen Tennisplätzen der Umgebung trainieren, ist es nicht getan, denn für eine Tenniskarriere müssen sie irgendwann Turniere spielen, und das geht nur über Clubs und Trainer. Auch dafür hat Richard einen Plan, den er akribisch in die Tat umsetzt. Das stellt sich allerdings als echte Herausforderung dar, denn das Tennis der 90er Jahre wird noch immer von weißen Männern in Weiß dominiert, für Schwarze ist hier wenig Platz, und schon gar nicht für schwarze Mädchen. Doch so schnell gibt sich Richard nicht geschlagen, seine Anstrengungen werden schließlich von Erfolg gekrönt, und der Aufstieg der beiden Mädchen zur Tennis-Weltspitze nimmt seinen Anfang.

Es geht gemächlich los: Reinaldo Marcus Green nimmt sich ziemlich viel Zeit für die Etablierung seiner Hauptpersonen und ihrer Umgebung. Auf den ersten Blick handelt es sich um eine fröhliche Großfamilie, in der es alles andere als chaotisch hergeht – wie in jedem gut eingespielten Team kennen alle ihre Aufgaben. Der zweite Blick zeigt ein Elternpaar, das in Doppelschichten arbeitet und sich für die Kinder aufopfert. Federführend dabei ist Richard, der Vater, der unerschütterlich an den American Dream glaubt – ein ziemlich mutiges, um nicht zu sagen kühnes Unterfangen für einen Schwarzen in den 90er Jahren. Dafür schuftet er, dafür opfert er sein Familienleben. Für seine Kinder und für seine Familie – und für seinen Traum – ist er bereit, alles zu geben. Weder scheut er davor zurück, sich lächerlich zu machen, noch beeindrucken ihn Rückschläge oder Niederlagen. Nur gelegentlich, wenn er es anders nicht mehr aushalten kann, zeigt Richard seine Verachtung, wenn man ihn schlecht behandelt oder zu demütigen versucht. Dann lässt er schon mal diskret ein Fürzchen fahren.

Diesen Vater, der gleichzeitig autoritär und liebevoll ist, der über einen hinreißenden Charme verfügt, so viele Fehler macht und bei aller humorvoller Gelassenheit auch mal mächtig auf die Pauke hauen kann, spielt Will Smith. Dabei übertrifft er sich selbst. Zu Beginn erscheint er in seiner Rolle als Patriarch sehr energisch, geradezu autokratisch und nicht allzu sympathisch. Doch das ändert sich bald. Dank seines differenzierten Spiels wird Richard als Persönlichkeit immer klarer und dadurch liebenswerter, in seiner Verletzlichkeit und Sensualität ebenso wie in der unterschwelligen Aggressivität und Wut, die er fast vollständig zu beherrschen gelernt hat. Aunjanue Ellis spielt seine Partnerin, die Mutter von Venus und Serena, die in ihrer eher kleinen Rolle leider nur selten Gelegenheit hat, sich gegen Will Smith zu behaupten. Doch wenn es dann mal so weit ist, schafft sie das lässig mit ihren aufmerksamen, intelligenten Blicken, mit ruhigen Gesten und trockenen Sprüchen. Auch Demi Singleton als Serena schlägt sich gut. Wer gegen diesen Tennisvater bestehen will, muss sich jedenfalls richtig anstrengen. Das gilt nicht nur für die Familienangehörigen, sondern für alle, die Richard Williams und seine ebenso begabten wie spielverrückten Tennismädchen auf ihrem Weg an die Weltspitze begleiten wollen. Nicht alle finden Gnade in Richards Augen. Seine Prinzipien sind streng, sie gelten nicht nur für Venus und Serena, sondern auch für alle anderen, ihn selbst eingeschlossen. Richard begleitet seine Töchter nicht, sondern er gestaltet ihr Leben und ihren Weg, und wer ihn unterschätzt oder für dumm verkaufen will, hat keine Chance.

Sportfilme haben stets ihren eigenen Charme. Meistens geht es um den Aufstieg zur Spitze, und das klappt nur sehr selten. Ein Start von ganz unten, hartes Training, Kämpfe, Niederlagen, innere und äußere Verletzungen folgen, Hindernisse wollen überwunden werden, doch schließlich folgt die verdiente Belohnung in Form von Triumphen und Siegen, und dabei geht es oft um viel Gefühl, um Motivation, um Kampf und Selbstüberwindung. Das alles gehört dazu. Sport ohne Leistungsgedanken geht einfach nicht. Doch nur sehr selten stehen dabei nicht die Sportler selbst im Mittelpunkt. Anders hier: Serena und Venus spielen nicht die Hauptrollen. Sie sind im Film zwei fröhliche, ehrgeizige und durchaus selbstbewusste Mädchen, die verrückt nach Tennis sind und unbedingt ihren Traum leben wollen. Tatsächlich haben die Williams-Schwestern den Film koproduziert, der in erster Linie hochklassige Unterhaltung bietet und bieten will, nicht nur für Tennisfans, die hier natürlich ihren Spaß haben werden. Das Biopic über Richard Williams macht Venus und Serena aber keineswegs zu unwichtigen Nebendarstellerinnen. Vielmehr wird ihre Sportgeschichte zusätzlich veredelt, der Fokus wird verlegt und zum Drama eines Mannes und seiner gesamten Familie erhoben: eine schwarze Familie, die an den American Dream glaubt, vielleicht sogar mehr als an die Realisierung sportlicher Ziele. Wider besseren Wissens verfolgen sie gemeinsam ihren Traum … und das ist – mal abgesehen vom Sport – auch ein sehr schönes, romantisches Märchen, das hier tatsächlich in Erfüllung geht.

Gaby Sikorski