Regisseur Julien Colonna, der auch das Drehbuch mitgeschrieben hat, nahm sein eigenes Leben als Inspiration. Er ist der Sohn des mutmaßlichen Mafia-Bosses Jean-Jé Colonna, der im Jahr 2006 ums Leben kam. Wie viel in „Kingdom – Die Zeit, die zählt“ autobiographisch ist? Schwer zu sagen, aber Colonna hat auf jeden Fall einen Mafiafilm erschaffen, der ganz anders als die üblichen Vertreter des Genres sind. Er nannte ihn einen Anti-Gangster-Film, was nur sinnig ist, weil er den Fokus der Geschichte auf die Beziehung einer Tochter zu ihrem Vater legt.
Über den Film
Originaltitel
Le Royaume
Deutscher Titel
Kingdom – Die Zeit, die zählt
Produktionsland
FRA
Filmdauer
108 min
Produktionsjahr
2024
Regisseur
Colonna, Julien / Benedetti, Ghjuvanna / Santucci, Saveriu
Verleih
PROGRESS Filmverleih – PROGRESS Film GmbH
Starttermin
23.10.2025
Im Korsika des Jahres 1995 verlebt Lesia einen Sommer, der ganz anders ist als der andere Teenager ist. Denn ihr Vater ist ein untergetauchter Mafiaboss, der nach einem Autobomben-Anschlag befürchtet, dass sich daraus ein Rachefeldzug gegen ihn und damit auch seine Tochter ergeben könne. Um sie zu schützen, holt er sie zu sich, und es beginnt eine Flucht, bei der Vater und Tochter einander völlig neu kennen lernen.
Über dreieinhalb Jahre arbeitete Colonna an dem Film, weil die Finanzierung immer wieder Probleme machte. Mit seinem Spielfilmdebüt erweist er sich als herausragender Erzähler, der es versteht, die Spannung eines Gangsterfilms mit dem Drama einer Coming-of-Age-Geschichte in Kontrast zu setzen, ohne dass das eine oder andere darunter leiden würde. Im Gegenteil, er erzählt von einem Leben, das immer in konstanter Gefahr ist. Es ist eine diffuse Gefahr, getragen von Rivalitäten unterschiedlicher Mafia-Clans, bei der immer damit zu rechnen ist, dass Gewalt explosionsartig das Lebensgefüge zerreißt.
Colonna zeigt auch ein gutes Händchen bei der Besetzung. Mit Ghjuvanna Benedetti als Lesia hat er eine Schauspielerin gefunden, die bis dahin nie gespielt hat. Ihre Darstellung lebt von einer rohen, authentischen Wahrhaftigkeit, sie ist es auch, die den Film trägt, weil man die Geschichte durch ihre Augen sieht. Die Augen eines Menschen, der am Scheideweg von Kind und Erwachsener steht und sich in den Mechanismen einer Familie einfinden muss, in der Loyalität über alles geht. Weil Blut dicker als Wasser ist, weil der eigenen Familie mehr zu trauen ist, als jedem anderen.
Dabei zeigt der Film, wie diese Art von Leben jeden beeinflusst, weil immer auch der Hauch der Gefahr dabei ist. Colonna romantisiert das Mafia-Leben nicht, er zeigt es wohl so, wie es wirklich ist. Dabei erzählt er auf eine Weise, die mitreißt. „Kingdom – Die Zeit, die zählt“ ist einer der besten Filme des Jahres, weil man spürt, dass Colonna hier alle seine Passion und seine Seele einfließen ließ, um ein Werk zu erschaffen, das als Solitär im Bereich des Mafiafilms besteht: Ein Film über die Familie, ein Drama über Vater und Tochter, die entfremdet sind, eine Geschichte über das Leben, fast unabhängig davon, dass es im Umfeld des organisierten Verbrechens stattfindet.
Peter Osteried