King’s Land

Zum Vergrößern klicken

Die Kolonialisierung der jütländischen Heide. Auf den ersten Blick nicht unbedingt ein aufregendes Sujet, aus dem der dänische Regisseur Nikolaj Arcel jedoch einen eindringlichen und auch berührenden Film gemacht hat. „King’s Land“, im Original deutlich prägnanter „Bastarden“, lebt dabei zum einen von seinen kargen, abweisenden Bildern und dem scharfen, undurchdringlichen Gesicht Mads Mikkelsen.

Bastarden
Dänemark 2023
Regie: Nikolaj Arcel
Buch: Nikolaj Arcel, Anders Thomas Jensen, nach dem Roman von Ida Jessen
Darsteller: Mads Mikkelsen, Simon Bennebjerg, Amanda Collin, Kristine Kujath Thorp, Hagberg Melina, Gustav Lindh

Länge: 127 Minuten
Verleih: Plaion Pictures/ Studiocanal
Kinostart: 6. Juni 2024

FILMKRITIK:

25 Jahre hat Ludvig Kahlen (Mads Mikkelsen), der uneheliche Sohn einer Magd, gebraucht, um zum Hauptmann der dänischen Armee aufzusteigen, während Vertreter des Adels, sogenannte „Perückenträger“, dies in kaum sechs Monaten schaffen. Wenn dieser stoische, auch sture Mann im Jahre 1755 also den König um Erlaubnis bittet, die Heide zu kolonisieren, ahnt man, dass er viel Gepäck mit sich rumträgt.

Nichts als Heidekraut wächst in der stürmischen Landschaft im Westen Dänemarks, Wölfe hausen hier, Räuber treiben ihr Unwesen – und ein finsterer Adeliger namens Frederik de Schinkel (Simon Bennebjerg), ein Bösewicht wie man ihn sich böser nicht vorstellen kann. Unweit von dessen Anwesen beginnt Kahlen mit der Urbarmachung der Heide, auf der er bald eine besondere Pflanze zur Saat bringen will, die als unverwüstlich gilt: Die Kartoffel.

Während Schinkel das zu verhindern sucht, denn er fürchtet um seinen Einfluss, hat Kahlen nur wenige Unterstützer: Der Priester Anton Eklund (Gustav Lindh) hofft auf neue Bewohner, um die Herden des Herrn zu bestellen, die Magd Ann Barbara (Amanda Collin) ist zusammen mit ihrem Mann Johannes (Morten Hee Andersen) vor Schinkel geflohen und schließlich nimmt Kahlen auch noch das Sintomädchen Anmai Mus (Melina Hagberg) auf, die auf Grund ihrer dunklen Hautfarbe von den meisten Landbewohnern als Verkörperung des Teufels betrachtet wird.

Immer brutaler wird der Kampf zwischen Kahlen und Schinkel, in dessen Mitte Helene (Kristine Kujath Thorp) steht, Schinkels Cousine und designierte Ehefrau, die sich vom feschen Kahlen einen Ausweg aus ihrer persönlichen Bredouille erhofft. Doch Kahlen verliert sich zunehmend in seinem großen Ziel, an dessen Ende ein Adelstitel stehen soll.

Archaisch mutet die Welt an, in der Nikolaj Arcel seine Geschichte erzählt, geprägt vom nackten Kampf ums Überleben, getrieben vom Klassenkampf und dem Wunsch, aufzusteigen, voll von Vorurteilen und Rassismus und schließlich dem Wunsch nach blutiger Rache. Eine ganze Weile läuft die Geschichte dennoch vorhersehbar ab, werden die Figuren und ihre Verbindungen etabliert, wirkt es so, als würde sich „King’s Land“ in sehr bekannten Bahnen bewegen.

Erst nach gut der Hälfte wird jedoch spürbar, dass auch der dänische Autor und Regisseur Anders Thomas Jensen am Drehbuch mitgeschrieben hat, der mit Filmen wie „Adam’s Äpfel“ oder „Helden der Wahrscheinlichkeit“ immer wieder ein Faible für Geschichten angedeutet hat, die sich um das Schicksal, um Fatalismus und Zufälle drehen. Wirkte Ludvig Kahlen anfangs noch wie ein grundsympathischer Mann mit ehrenwerten Zielen, deutet sich zunehmend an, von welcher Obsession er getrieben ist. Dem Verlangen, durch die Urbarmachung der Heide einen Adelstitel verliehen zu bekommen, unterwirft Kahlen alles, auch das Wohl seiner wenigen Unterstützer. Was anfangs noch als fast bewundernswerter Stoizismus verstanden werden konnte, wird bald zur fragwürdigen Sturheit, die Kahlen immer mehr zu dem werden lässt, was er eigentlich verachtet. Was als etwas schlichtes Drama begann, in dem die Rollen allzu schematisch verteilt waren, entwickelt sich in der zweiten Hälfte doch noch zu einem berührenden Film, der von blindem Fanatismus, Rassismus und dem Streben nach Freiheit in einer autokratischen Welt erzählt, Aspekte die „King’s Land“ zu einem unterschwellig hochaktuellen Film machen.

 

Michael Meyns