Kiss me kosher

Zum Vergrößern klicken

Culture-Clash gibt gern eine gute Kulisse für Komödien ab. Hier muss sich ein israelisch-deutsches Paar den diversen Vorurteilen stellen. Dass Enkelin Shira auf Frauen steht, kann Oma Berta ja akzeptieren. Aber dass mit Maria ausgerechnet eine Deutsche geheiratet werden soll, geht für die Holocaust-Überlebende jedoch überhaupt nicht. Der Chaos-Pegel steigt, als Marias Eltern in Jerusalem anreisen, um die Hochzeit zu planen. Flottes Tempo, pfiffige Dialoge, reichlich Situationskomik sowie spielfreudige Darsteller lassen den Zusammenprall der Kulturen und ungleichen Familien zum gelungenen Debüt werden. Culture-Clash mit Chuzpe und Charme!

Webseite: www.x-verleih.de/filme/kiss-me-kosher/

Deutschland 2020
Regie: Shirel Peleg
Darsteller: Moran Rosenblatt, Luise Wolfram, Rivka Michaeli, Juliane Köhler, Irit Kaplan, Eyal Shikratzi
Filmlänge: 101 Minuten
Verleih: X Verleih
Kinostart: 10. September 2020

FILMKRITIK:

„Deine Schwester hat wirklich den dreifachen Treffer gelandet, die heilige Dreifaltigkeit: Lesbisch. Nicht jüdisch. Deutsch.“, klagt der Vater seinem Sohn. Der Teenager ist begeistert, schließlich sucht er dringend ein möglichst schräges Thema für das Filmprojekt seiner Schule. „Nichts kann meine israelisch-deutschen Lesben toppen“ schwärmt der Jungfilmer, der fortan die chaotischen Heiratsvorbereitungen mit der Kamera begleiten und mit provokativen Familien-Interviews bereichern wird. „Miss Stasi?“ fragt Liam seine künftige Schwägerin. „Ich komme aus Stuttgart!“ lautet die empörte Antwort.

Für Barbesitzerin Shira und die deutsche Biologin Maria sieht die Zukunft ziemlich romantisch aus. Wären da nur nicht all jene Ex-Partnerinnen der Gastronomin, die ständig an jeder Ecke auftauchen. Schlimmer noch: Die geliebte Großmutter verweigert der Enkelin stur ihren Segen: „Du wirst nicht heiraten, schon gar nicht Evas und Adolfs Brut!“. Bei ihren eigenen Liebesangelegenheiten gibt sich Berta liberaler und gönnt sich ein Beziehung zu einem Palästinenser - was freilich niemand wissen darf. Mit einer großen Charmeoffensive will Maria gute Stimmung bei der künftigen Schwiegeroma machen, fordert die leidenschaftliche „Monopoly“-Spielerin gar zum Duell heraus. Der diplomatische Coup der Deutschen scheitert jedoch grandios, Berta fordert beleidigt ihre Investitionen in Shiras „The Real Jewish Princess”-Bar zurück. Auch in der Beziehung der jungen Frauen knirscht es. Der romantische Heiratsantrag entpuppt sich als banales Missverständnis. Und plötzlich scheint wichtig, welche Rolle die Großeltern von Maria im Nazi-Deutschland gespielt haben.

Für neuen Wirbel sorgt der Besuch von Marias Eltern in Jerusalem. Zusammen will man die Hochzeit der Töchter planen. Für Mutter Petra (Juliane Köhler) gerät der gemeinsame Besuch im Holocaust-Museum zum traumatischen Erlebnis. Papa Hans (Bernhard Schütz) sieht die Situation, wie immer, eher gelassen und erfreut sich lieber an der schönen Landschaft. Für die Hochzeit-Aspirantinnen gilt es fortan, kleinere und mittlere Bewährungsproben zu bestehen. „Die Eltern meiner Mutter waren Nazis!“ klagt Maria. „Ihr Deutschen wisst wirklich, wie man romantische Momente zerstört.“, bekommt sie als lakonische Antwort. Ein Happy End ist für das Genre obligatorisch. Die Hochzeitsfeier hält hier freilich noch so mancherlei Überraschungen bereit.

Mit viel Chuzpe und Charme entwickelt Autorin und Regisseurin Shirel Peleg ihre Culture-Clash-Komödie, die kein Blatt vor den Mund nimmt, wenn es um heikle Themen geht: Von der deutschen Vergangenheitsbewältigung bis zur arabisch-jüdischen Gegenwart ist kein Tabu tabu. Beim wöchentlichen Familienessen in Shiras Elternhaus fliegen traditionell die Fetzen zwischen der liberalen Tochter und ihrer stramm konservativen Schwester, die gern in ihrer Uniform auftritt. Während der Vater eine rigorose Siedlungspolitik fordert, setzt Shiras künftige Schwiegermutter radikal auf Verständigung. Während Tochter Maria ganz praktisch zeigt, wie entspannt einfach das Verhältnis zu Palästinensern sein kann, hadert Oma Berta mit den Gefühlen zum palästinensischen Liebhaber.

So hitzig über politische Themen gestritten wird, so selbstverständlich wird von allen Beteiligten die sexuelle Orientierung der queeren Heldinnen als völlig normal akzeptiert. „Weshalb soll das ein Thema sein?“, bekommt der Shiras kleiner Bruder bei seinen provokativen Interviews vor der Kamera ständig zu hören. Seine frechen Fragen nach der deutschen Vergangenheit wirbeln hingegen reichlich Staub auf. Die regelmäßigen Auftritte des ambitionierten Kurzfilmers erweisen sich als gelungene Idee. Im rosafarbenen Trainingsanzug samt Kaninchen in der Hand, verfügt Liam über alle Narrenfreiheit und wird zum dramaturgischen Begleiter, der die Pointen-Bälle zuverlässig ins Feld wirft.

Wie im Genre üblich, geraten die Figuren nicht selten knietief in den Klischee-Sumpf. Umso entscheidender sind da überzeugende Schauspieler. Diesem entspannt aufspielenden Ensemble ist das Vergnügen sichtlich anzumerken. Kein schlechter Einstand für die aus Venezuela stammende Filmemacherin, die nach dem Regiestudium in Israel ihr Drehbuch-Handwerk an der Filmakademie Baden-Württemberg lernte.

Dieter Oßwald