Schon wieder Beziehungskino, das auf die Knochen geht. Nach Luca Guadagninos „Bones and All“ präsentiert der Berliner Fabian Stumm eine Lovestory um ein Pärchen, dessen Liebe im Laufe der Jahre bis auf das Skelett abgemagert scheint. Statt Timothée Chalamet übernimmt der gelernte Schauspieler gleich selbst die Hauptrolle bei seinem Kinodebüt, wofür er zudem das Drehbuch schrieb. Die Liebestragödie überzeugt durch verspielte Ideen der einfallsreichen Art. Lässig serviert. Locker gespielt. Lustig parliert. Auf der Berlinale gab’s dafür den Heiner-Carow-Preis der Perspektive Deutsches Kino.
Webseite: https://salzgeber.de/knochenundnamen
D 2023
Regie: Fabian Stumm
Darsteller: Fabian Stumm, Knut Berger, Marie-Lou Sellem, Susie Meyer, Godehard Giese, Alma Meyer-Prescott
Filmlänge: 106 Minuten
Verleih: Salzgeber
Kinostart: 18. Januar 2024
FILMPREISE: Heiner-Carow-Preis der Perspektive Deutsches Kino, Berlinale 2023
FILMKRITIK:
„Und ich? Was ist mit mir?“ - „Das ist nicht mein Problem!“. „Warum bist du so kalt?“ - „Ich muss mich schützen!.“ So klingen die Dialoge zwischen Schauspieler Boris (Fabian Stumm) und Schriftsteller Jonathan (Knut Berger). Seit acht Jahren sind die beiden Kreativen ein Paar. Die seit einige Zeit schon schwelende Krise macht sich seit einiger Zeit immer deutlicher bemerkbar. Während der Autor sich zunehmend in seinem neuen Roman verliert, kommt der Schauspieler bei seinen aktuellen Proben dem jungen, attraktiven Kollegen Tim näher. Das Theaterstück handelt, wie passend, von der großen Liebe. Imitiert da die Kunst das Leben? Oder ist es etwa umgekehrt? Die Dialoge auf der Bühne und in der Wirklichkeit klingen zum Verwechseln ähnlich, derweil die ganz reale Beziehungskrise mit unbarmherziger Orientierungslosigkeit weiter vor sich hin köchelt. Für willkommene Abwechslung und frischen Wind in dem ziemlich verkopft verkorksten Beziehungs-Chaos sorgt Jonathans junge Nichte Josie (Alma Meyer-Prescott), ein vorpubertäres Mädchen mit einer ansteckend amüsanten Sicht auf das Leben.
Für Fabian Stumm war seine Leinwand-Lovestory die Reaktion auf das Ende seiner letzten Beziehung. „Ich wollte mich mit den Säulen auseinandersetzen, die mein Leben ausmachen. Mich erinnern, was daran gut und stabil ist, was mir Angst oder mich traurig macht und warum das so ist. In gewissem Sinne hat der Film mich mit mir selbst ausgesöhnt und neu verbündet“, erklärt er seine Motivation - dieses Herzblut ist seinem Film deutlich anzumerken Sein Leidensdruck war derart groß, dass der Jungfilmer auf den langwierigen Gang durch den Förder-Dschungel verzichtete und das Projekt ohne Subventionen finanzierte. Für die kreative Freiheit hat sich dieses Risiko allemal bezahlt gemacht: Persönliches Kino der rigorosen Art!
Etliche Szene bieten gelungene Wiedererkennungseffekte sowie reichlich clevere Dialoge. Andere kokettieren vielleicht ein bisschen arg mit der eigenen Cleverness und wirken bisweilen überkonstruiert. Aber hey: Das ist ein schließlich Debüt, ein engagierter Erstling obendrein.
Hübsch authentisch mit originellen Einfällen. Wie etwa jener Streit nach einem gemeinsamen Kinobesuch von „Die letzte Brücke“, bei dem es auf dem Heimweg darum geht, ob Maria Schell zu rührselig spielte oder nicht. Oder dem Besuch beim freundlichen Bestatter, in dessen Särgen man gerne probeliegen darf. Von ihm stammt denn auch der Titel zum Film: „Wissen Sie“, doziert er fröhlich, „am Ende sind wir doch alle nur Knochen und Namen. Wir gehen so, wie wir gekommen sind“.
Dieter Oßwald