Als Film über einen Konzertflügel könnte man Ido Fluks „Köln 75“ bezeichnen, denn am falschen Instrument wäre fast das legendäre Konzert in Köln gescheitert, mit dem der amerikanische Jazz-Pianist Keith Jarrett endgültig zur Legende wurde. Wie es dazu kam, erzählt Fluk vor allem als Emanzipationsgeschichte – aber leider ohne die Musik Jarretts.
Deutschland/ Polen/ Belgien 2025
Regie & Buch: Ido Fluk
Darsteller: Mala Emde, John Magaro, Michael Chernus, Alexander Scheer, Ulrich Tukur, Jördis Triebel
Länge: 110 Minuten
Verleih: Alamode
Kinostart: 13. März 2025
FILMKRITIK:
Gerade einmal 16 Jahre jung ist Vera Brandes (Mala Emde) 1973, als sie in Köln beginnt, als Veranstalterin von Jazz-Konzerten zu arbeiten. Eher zufällig hat sie ihre Leidenschaft entdeckt, ihre große Klappe und Unverblümtheit sorgt dafür, dass auch Musiker, die ihre Väter sein könnten, sich von dem Teenager mitreißen lassen.
Brandes wirklicher Vater (Ulrich Tukur), ein spießiger Zahnarzt, der mit seiner Frau (Jördis Triebel) in einer ausladenden, der Zeit entsprechend mit viel Holz getäfelten Wohnung residiert, ist dagegen war alles andere als begeistert von den Ambitionen der Tochter. Etwas richtiges solle die doch lieber lernen, dann könnte sie irgendwann eine Praxis haben und dazu Mann und Kind.
Genau das also, was die lebenslustige Vera Brandes gerade nicht anstrebt. Sie ist fasziniert von der Welt der Musik, besonders dem Jazz. Und so plant sie, am 24. Januar 1975 ein Konzert in der Kölner Oper zu organisieren, bei dem Keith Jarrett (John Magaro) einmal mehr beweisen soll, warum er als ebenso revolutionärer Musiker wie John Coltrane oder Miles Davis gilt.
Manchmal sind Entstehungsgeschichten fast noch besser als das eigentliche Ereignis, im Fall von Keith Jarretts legendärem „Köln Concert“ ist es eher so, dass die Umstände spektakulär, das Ergebnis dagegen eine Sensation waren. Die meistverkaufte Jazz-Platte eines Solo-Künstlers sind die Aufnahme der gut 60 Minuten, die Jarrett Ende Januar in Köln auf der Bühne verbrachte, allein improvisierend und das auf einem grenzwertigen Flügel.
Ganz so heruntergekommen, wie das im Film gezeigte Modell war der Flügel zwar wohl nicht, ansonsten hat Autor und Regisseur Ido Fluk in seinem biographischen Musikfilm „Köln 75“ die Realität aber kaum mythologisieren müssen, um einen oft fesselnden Film zu drehen. Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: Die Rechte an der Musik von Keith Jarrett und vor allem dem Köln Concert, standen nicht zur Verfügung, die besondere Qualität des musikalischen Ansatzes Jarrett wird dadurch nur aus zweiter Hand deutlich. Was allerdings zur besten Szenen des Films führt: In einer langen Einstellungen führt der zwischenzeitlich als Erzähler fungierende amerikanische Musik-Journalist Michael Watts (Michael Chernus) einmal quer durch die Geschichte des Jazz, vom Big Band-Sound über kontrollierte Improvisationen im Korsett von Standards, zum experimentellen Free Jazz eines Miles Davis, bis hin zum völlig los gelösten Ansatz Keith Jarretts, der versucht, völlig neue, noch nie gehörte Musik zu spielen und das jeden Abend.
Auch John Magaro als Jarrett und Alexander Scheer als dessen Manager Manfred Eicher (der bald danach das Label ECM mitbegründen sollte, bei dem das „Köln Concert“ zum Millionen-Erfolg werden sollte) gelingt es mitreißend, die besondere Qualität Jarretts in Worte zu fassen. So gut gelingt das, dass man bedauern mag, dass in „Köln 75“ nicht Keith Jarrett im Mittelpunkt steht, sondern Vera Brandes, die zwar nach den hier geschilderten Ereignissen eine bemerkenswerte Karriere erlebte, aber im Vergleich zu einem Genie wie Keith Jarrett dann doch etwas blass wirkt. Zumal Ido Fluk sie als kaum fehlbares Wesen schildert, der bloß Kraft ihres Enthusiasmus alles gelingt. Interessant ist diese Geschichte zwar auch, die Qualität von „Köln 75“ liegen allerdings auf anderer Ebene.
Michael Meyns