Kriegerin

Zum Vergrößern klicken

Mit seinem Spielfilmdebüt "Kriegerin" hat Regisseur David Wnendt, Absolvent der Filmhochschule in Potsdam-Babelsberg, gleich ein heißes Eisen angefaßt: Neo-Nazis in der ostdeutschen Provinz, martialische Gewalt und eine junge Frau, die tief im braunen Sumpf steckt, obwohl sie sich der Sinnlosigkeit ihres Tuns eigentlich bewußt ist. Wnendt, der auch das Drehbuch für den provokanten Film schrieb, hat für seine hart-realistische Handlung einen semi-dokumentarischen Stil gewählt und gleich den "Förderpreis Deutscher Film - Drehbuch" bekommen.

Webseite: www.kriegerin-film.de

Deutschland 2011
Regie und Buch: David Wnendt
Darsteller: Alina Levshin, Jella Haase, Gerdy Zint, Lukas Steltner, Sayed Ahmad Wasil Mrowat, Uwe Preuss, Winnie Böwe, Rosa Enskat, Haymon Maria Buttinger, Klaus Manchen, Andreas Leupold, Najebullah Ahmadi
Länge: 103 Min.
Verleih: Ascot Elite Filmverleih
Kinostart: 19. Januar 2012

PRESSESTIMMEN:

Schockierend gut. Schockierend aktuell... 'Kriegerin' ist ein Cliquenfilm über familiäre Ruinen und ostdeutsche Dörfer, in denen es normal ist, Nazi zu sein wie Fußball zu spielen. Und wie es beim Fußball ums Toreschießen geht, geht es bei den Nazis darum, Ausländer zu verprügeln... 'Kriegerin' ist ein Film des jungen Regisseurs David Wnendt, der für die Geschichte monatelang unter Neonazis recherchierte und sich dabei auf die jungen Frauen konzentrierte.
STERN

FILMKRITIK:

Die "Kriegerin", so versteht sich die junge Marisa (Alina Levshin), haut sofort zu, wenn ihr jemand dumm kommt. Ständig steht sie unter Strom, ist unberechenbar und kann ihre Aggressionen kaum bändigen. Eine permanente Rebellion gegen Perspektivlosigkeit. Ähnliche Figuren kennen wir schon aus englischen Sozialdramen. Im deutschen Film sind sie rar. Da wirken Charaktere eher abgeschliffen, abgerundet.

Diese Geschichte jedoch spiegelt Haß auf alles Fremde, Andersartige, die ständig pulsierende Wut und die dahintersteckende Angst derart authentisch im Gesicht und allen Körperporen wieder, daß man schon als Zuschauer unruhig wird. Marisa gehört zu einer Neonazi-Clique, die im Alkoholrausch ihrer Aggression freien Lauf läßt, was schon die Anfangsszene verdeutlicht. Ein emotionaler Ausnahmezustand. Da bedrohen, verprügeln sie Fahrgäste in einem Nahverkehrszug und schmeißen den Schaffner raus. Für sie sind alle schuld an der kaputten Welt. Marisa, ihr Freund Sandro (Gerdy Zint) und die anderen der Gruppe sind mit Nazi-Symbolen tätowiert, berauschen sich mit Alkohol und an brachialer, rechtsradikaler Musik, hängen am Wasser ab oder fahren mit dem Auto durch die ostdeutsche Provinz. Als sie sich von zwei afghanischen Asylbewerbern in ihrem Uferrefugium gestört fühlen, provozieren sie die beiden Jungs. Die flüchten, wobei der jüngere, Rasul (Sayed Ahmad Wasil Mrowat) den Seitenspiegel von Marisas Auto abbricht. Da eskaliert die Geschichte.

Das löst bei der jungen Frau einen allmählichen Umdenkungsprozeß aus. Marisa, als Kassiererin im Supermarkt ihrer Mutter, weigerte sich vor kurzem noch, Ausländer zu bedienen. Jetzt steht die Welt Kopf und so etwas wie ein schlechtes Gewissen nagt an ihr. Ihre rechte Lebenseinstellung kollidiert mit der Realität. Gleichzeitig stößt das junge Mädchen Svenja (Jella Haase) zu ihnen, die den Zwängen ihres Elternhauses entfliehen will und nun nach und nach im braunen Sumpf zu versinken droht. Marisa will raus und Svenja vor dem totalen Absturz bewahren. Da wäre aber noch ihr durchgeknallter Freund Sandro, während Rasul von Schweden träumt.

"Kriegerin" ist ein provokanter Film, der uns drastisch vor Augen führt, was Rechtsextremismus mit Menschen macht, wie sie sich verändern, verrohen, nur noch hassen können, ohne jegliche Perspektive. Das gilt nicht nur für junge Leute. Rechtes Gedankengut ist schon längst bis in die Mitte der Gesellschaft gelangt und paradoxerweise ist die Ausländerfeindlichkeit dort am größten, wo der Ausländeranteil am geringsten ist.

Regisseur Wnendt führt uns deshalb ganz nah ran, wählt den halbdokumentarischen Stil, meist mit der Handkamera. Aggressivität pur, unvermittelte Ausbrüche, Gnaden- und Gedankenlosigkeit in aller Direktheit und eindrucksvolle Charakterzeichnungen. Es ist erstaunlich, wie authentisch die jungen Schauspieler dabei agieren, welche Präsenz sie einbringen. Die Regie weiß sie sehr gut zu führen. Aber auch nachdenkliche Momente, die verzweifelte Suche nach Identität, den Zwiespalt wissen die Darsteller gut zu vermitteln. Das gilt besonders für Alvina Levshin. Familiäre Hintergründe werden punktuell beleuchtet. Billige Effekte gibt es nicht, ebensowenig Klischees. Die Milieuzeichnung ist realistisch, die Hintergründe gut recherchiert. Der Zuschauer erhält Einblicke, die er so schnell nicht vergißt, er versteht einiges mehr und weiß, daß es für vieles keine Entschuldigung geben kann.

"Kriegerin" ist eine neue kleine Perle des deutschen Films, der man ein größeres Publikum wünscht. Ein wichtiger Film. Auch Geschichts- und Politik-Lehrern sei deshalb empfohlen, mit ihren Schülern mal wieder ins Kino zu gehen.

Heinz-Jürgen Rippert

Fanatiker und Extremisten gibt es überall. Allgemeine Aufgabe muss es sein, sie in die Schranken zu weisen, zu versuchen, sie vom Extremismus abzubringen.

Dieser Film ist ein brauchbares Rezept dazu. Er erzählt von der jungen Marisa, die nationalistisch und rechts eingestellt ist, die zuweilen brutal vorgeht, der Ausländer und Immigranten ebenso zuwider sind wie Farbige oder Juden. Sie ist, was man eine knallharte Rassistin nennt.

Das Milieu, dem sie angehört, ist wirklich nicht vom Feinsten: saufend, grölend, blindwütige Sprüche loslassend – wohl aus pädagogischen Gründen hier auch überzeichnet oder, wie man zu sagen pflegt, „künstlerisch überhöht“.

Marisa wird im Laufe der Zeit zu neuen Erkenntnissen kommen, sich langsam ändern, eine humanere Haltung einnehmen. Der Beweis: Sie verhilft einem jungen Immigranten aus dem Mittleren Osten, dessen Freund sie allerdings zuvor schwer geschädigt hatte, zur Flucht. Selbst muss sie dafür einen hohen Preis bezahlen.

Svenja ihrerseits kommt ins Pubertätsalter. Das Verhältnis zu den Eltern wird zunehmend schlechter. Sie gerät ins Neonazi-Milieu, in dem sich auch Marisa noch herumtreibt. Die beiden haben Schwierigkeiten miteinander. Svenja aber scheint sich hier wohlzufühlen. Was wird aus ihr? Wird sie eines Tages erwachsen werden?

Ein Gesellschafts- und Jugenddrama, das auch so etwas wie ein Lehrfilm sein will. Und das ist insofern gelungen, als die Milieuschilderungen, sowohl die persönlich-privaten als auch die öffentlichen, ganz gut gelungen sind.

Das Wichtigste war den Filmmachern aber natürlich die Botschaft: Hände weg vom gesellschaftlichen Extremismus, vom ideologischen Fanatismus, vom Neonazitum (und auch vom Linksterrorismus).

Autor und Regisseur David Wnendt: „Das Vertrauen in die Demokratie oder die Wertschätzung des Grundgesetzes schwindet in zunehmend erschreckendem Tempo. Umfragen zufolge sind die Menschen, die mit der Demokratie in Deutschland zufrieden sind, inzwischen in der Minderheit. Es besteht also Handlungsbedarf auf allen Ebenen.“

Dramaturgisch und schauspielerisch – besonders gut Alina Levshin als zur Besinnung kommende Marisa sowie Jella Haase als dringend Reife benötigende Svenja – kann sich der Film auf jeden Fall sehen lassen.

Thomas Engel