La Boheme

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Von all den Darstellungsformen, bei deren Stoffen sich das Kino seit seinen Anfängen bedient, ist die Oper die am wenigsten genutzte. Aus guten Gründen, wie auch diese Filmversion von Puccinis „La Boheme“ beweist. Auch Superstars wie Anna Netrebko und Rolando Villazon können nicht verhindern, dass Robert Dornhelms Film, bei aller musikalischen Qualität, wenig mehr ist als abgefilmtes Theater.

Webseite: www.nfp.de

Deutschland, Österreich 2008
Regie: Robert Dornhelm
Buch: Robert Dornhelm, nach dem Libretto von Giuseppe Giacosa und Luigi Illica
Musik: Giacomo Puccini, gespielt vom Bayerischen Symphonieorchester, Dirigent Bertrand de Billy
Darsteller: Anna Netrebko, Rolando Villazon, Nicole Cabell, Vitalij Kowaljow, Tiziano Bracci
Länge: 115 Minuten, Format: 1:2,35 (Scope)
Verleih: NFP
Kinostart: 10. Oktober 2008

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Eine Verfilmung von Giacomo Puccinis „La Boheme“ mit zwei der berühmtesten Opernstars der Gegenwart in den Hauptrollen muss auf dem Papier wie ein Selbstläufer gewirkt haben. Dass es in der Filmgeschichte kaum eine Opernverfilmung gegeben hat, die auch filmisch überzeugte, spielte da offenbar keine Rolle. 

Die Probleme fangen mit dem Regisseur an. Robert Dornhelm ist ein Fernsehregisseur, der in den letzten Jahren mit paneuropäischen Megaproduktionen wie „Krieg und Frieden“ oder „Kronprinz Rudolf“ reüssierte, die sich in erster Linie in schwelgerischer Ausstattung und Kostümen ergingen und ansonsten wenig visuelle Originalität verrieten. Dementsprechend plakativ inszeniert Dornhelm auch diesen Film. Natürlich in Scope – als wäre allein die breite Leinwand Beleg für die Kinotauglichkeit – mit vielen Großaufnahmen, in denen seine berühmten Operndarsteller agieren wie auf einer Bühne. Dass man im Kino nicht für die letzte Reihe spielen muss, dass dort, im Gegensatz zur Bühne, die Kamera, die Nahaufnahme dies erledigt, hat besonders Villazon offenbar niemand gesagt. 

Während Netrebko noch verhältnismäßig zurückhaltend agiert und sich neben ihrer Stimme vor allem auf ihr bei jeder Gelegenheit ins rechte Licht gerückte Dekollete verlässt, chargiert und grimassiert sich Villazon ungebremst durch seine Rolle. Zu allem Überdruss agieren sämtliche Darsteller zum Playback einer konzertanten Aufführung der Oper, die vom Bayerischen Symphonieorchester unter Bertrand de Billy eingespielt wurde. Die Folge ist eine merkwürdige Distanz zwischen Tonspur und Bild, zumal einige Sänger im Film nicht auftreten und quasi von anderen Schauspielern synchronisiert werden.

So will sich das Pathos der Geschichte nicht wirklich entfalten, obwohl es eigentlich kaum einen besseren Stoff für ein Melodram gibt: Im Paris des ausgehenden 19. Jahrhundert fristet der Dichter Rodolfo (Villazon) ein karges Dasein in einer Dachkammer. Zusammen mit seinen Freunden, einem Maler, einem Musiker und einem Philosophen, geben sie sich als typische Bohemiens, die kein Geld aber großen Lebenshunger haben. Im gleichen Haus wohnt auch die schöne, aber kranke Mimi (Netrebko), in die sich Rodolfo unsterblich verliebt. Hin und her wogt die Liebe, in vier Bildern, im Film sehr langen Sequenzen erzählt, und am Ende siecht Mimi in den Armen des Dichters dahin.

Musikalisch ist an „La Boheme“ nichts auszusetzen, Netrebko und Villazon sind Profis genug, um in ihren Rollen zu glänzen, und auch die Nebenfiguren, in denen sich Leben und Liebe der Hauptfiguren spiegelt, überzeugen. Allein, was nutzt es, wenn sich die Figuren in zwar aufwändigen, aber vollkommen banalen Dekors bewegen, die selbst den meisten Stadttheatern zu plakativ wären. Von der Originalität mit der etwa einst Michael Powell die Strauss-Operette „Oh…Rosalinda!!“ fürs Kino adaptierte, ist Dornhelms „La Boheme“ weit entfernt. Will man einen wirklichen Kinofilm über das Leben der Boheme sehen, sollte man auf Baz Luhrmanns „Moulin Rouge“ zurückgreifen, dessen Geschichte eine kaum verklausulierte Adaption der Puccini-Oper, wenngleich mit anderer Musik, ist.
 

Michael Meyns

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Keine nur theatermäßig abgefilmte Operndarbietung, sondern eine filmnahe, regiemäßig durchaus gelungene Inszenierung des Puccini-Werkes mit zeitgenössischen Bildern aus dem Paris des 19. Jahrhunderts, mit anschaulichen Massenauftritten und natürlich mit der Originalhandlung der Oper. Den Chor nicht zu vergessen.

Mimi, die einsam ist, und Rodolfo, der Maler, der sich gerne mit seinen Freunden herumtreibt, begegnen sich und verlieben sich.

Zweiter Akt. Die erste Liebe ist verflogen. Rodolfo hat sich bereits von Mimi abgewandt, ist wieder bei seinen Kumpanen. Mimi sucht und findet ihn und hört insgeheim, dass er ihnen erzählt, wie krank sie sei.

Letzter Akt. Tatsächlich ist Mimi an der Schwindsucht erkrankt. Das Paar findet wieder zusammen. Doch es gibt keine Rettung mehr.

Eins zu null für diejenigen, die es begrüßen, dass die Oper im Ambiente der Zeit belassen wurde. Weniger gut für diejenigen, die Inszenierungen nur noch in modernem Gewand wollen. Das Überpathetische der Handlung liegt an der Epoche, das muss man hinnehmen.

Die Hauptsache an dem Ganzen: die absolut wundervollen Stimmen der Anna Netrebko und des Rolando Villazón. Die Stimmgewalt, die geschmeidige Intonation, die Klarheit der Stimmen und das sichere Liebes- und Nostalgiegefühl, aus dem heraus hier gesungen wird, dürfte nicht leicht zu übertreffen sein. Was nicht bedeutet, dass nicht auch die übrigen Mitwirkenden ihr Bestes gaben, einschließlich des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks und seines Dirigenten.

Thomas Engel