La Maison

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Emma Becker ist Schriftstellerin, die selbst einige Zeit in einem Bordell in Berlin gearbeitet hat. Sie wollte ein Buch über das Milieu schreiben, sie fühlte sich aber auch zu der Arbeit hingezogen – etwas, dass sie ihrer Schwester und Freunden nur schwer begreiflich machen konnte. Nach dem erfolgreichen Buch gibt es nun den Film, der die Geschichte manchmal interessant, manchmal etwas oberflächlich erzählt.

Webseite: https://www.capelight.de/

Frankreich 2022
Regie: Anissa Bonnefont
Buch: Anissa Bonnefont, Diastème
Darsteller: Ana Girardot, Aure Atika, Rossy de Palma

Länge: 89 Minuten
Verleih: Capelight
Kinostart: 30. März 2023

FILMKRITIK:

Emma hat zwei Romane geschrieben, davon leben kann sie aber nicht. Aus Liebeskummer floh sie einst nach Berlin, wo wie nun mit ihrer Schwester lebt. Sie denkt darüber nach, ein Buch über ein Bordell zu schreiben. Mehr noch denkt sie darüber nach, selbst in einem zu arbeiten. Für ihr Buch, aber vielleicht auch aus anderem Grund? So ganz ist ihr das selbst nicht ganz klar. Am Anfang des Films denkt sie darüber nach. Was war es, das ihre Faszination zu diesem Gewerbe geweckt hat? Und wie wird es auf sie wirken, wenn sie es hinter sich gelassen hat?

„La Maison – Haus der Lust“ hat viele interessante Momente. Etwa der, wenn die jüngere Schwester Emma vorwirft, mit einem solchen Buch würde sie das Leben als Prostituierte romantisieren. Mädchen könnten sich davon angesprochen fühlen und diesen Weg einschlagen. Aber Emma will das Leben als Prostituierte gar nicht verherrlichen. Es gibt sie, die Momente der inneren Leere, die, in denen man denkt, man könne nicht mehr, vielleicht auch die, wenn man zu vergessen glaubt, wie Intimität sein kann, wenn sie echt ist – und nicht dafür bezahlt wird.

Der Film betrachtet die Damen dieses Gewerbes, aber er bleibt an der Oberfläche. Weil sie gar nicht tiefer blicken lassen. Selbst untereinander kennen sie ihre wahren Namen nicht. Es ist eine Parallelwelt, in der sie existieren, aber eine – so meint eine von Emmas Kolleginnen –, in der sie vielleicht wirklich sie selbst sind. Dann wäre das normale Leben da draußen nur eine Fassade.

Emma weiß von den Frauen, die sich diesen Beruf nicht aussuchen. Die von anderen Menschen oder den Umständen dazu gezwungen werden, doch sie erzählt von Frauen wie sie, die sich selbst hierfür entschieden haben. Das mag der ein wenig romantisierende Teil des Films sein. Dabei versucht er immer wieder, den Alltag in all seinen Aspekten abzubilden – mit Freiern jeder Couleur. Die freundlichen, schüchternen Typen, die Durchgeknallten, die Gefährlichen. Aber zu oft erscheint der Film hier zurückhaltend. Den Seelendreck, den man in diesem Gewerbe unweigerlich auf sich lädt, lässt der Film fast gänzlich außen vor. Abgesehen vom letzten Freier, den Emma hat. Zumindest ist es so geschnitten, dass es wirkt, als würde sie danach aussteigen. Ein Mann, der will, dass sie sich wie ein Mädchen gibt, damit er seine pädophilen Neigungen ausleben kann.

Am Ende philosophiert sie dann darüber, dass sie eigentlich das falsche Geschlecht hat. Eine Geschichte, wie sie sie erzählen wollte, sollte eigentlich aus der der männlichen Perspektive heraus stattfinden. Auch hier gilt: Das Ende gibt sich in seiner Bedeutungsschwere etwas schwammig. Man ist im Grunde nicht schlauer als vorher – wieso Emma diesen Weg beschritt, noch weniger jedoch, was es mit ihr machte. Nur eines sagt sie klar heraus: Das Leben im Bordell verfolgt auch, wenn man ausgestiegen ist.

 

Peter Osteried