Lars und die Frauen

Zum Vergrößern klicken

Einzelgänger Lars Lindstrom vermeidet menschliche Kontakte und sucht stattdessen die Einsamkeit. Ein Zustand, der sich mit der Bekanntschaft einer lebensgroßen Silikonpuppe in ungeahnter Weise ändert.  Werbefilmer Craig Gillespie und Drehbuchautorin Nancy Oliver liefern eine absolut hinreißende Tragikkomödie ab, die ganz ohne schlüpfrigen Klamauk auskommt. Eine liebenswerte Geschichte über die Macht der Toleranz.

Webseite: www.senator.de

USA 2007
Originaltitel: Lars and the Real Girl
Regie: Craig Gillespie
Darsteller: Ryan Gosling, Emily Mortimer, Paul Schneider, Patricia Clarkson, Kelli Garner, Lauren Ash, R.D. Reid, Nancy Beatty
106 Minuten
Verleih: Senator/Central
Kinostart: 13.03.2008

PRESSESTIMMEN:

Ein warmherziger, fast märchenhafter Film über die Liebe zwischen den Menschen. Verschroben, liebenswert.
Brigitte

FILMKRITIK:

Ein kleines Städtchen im Mittleren Westen der USA. Zurückgezogen und isoliert lebt der schüchterne Einzelgänger Lars Lindstrom in der ehemaligen Garage seines Elternhauses. Sein sozialer Umgang beschränkt sich auf den regelmäßigen Besuch des Gottesdienstes und seinen Job in einer öden Büroparzelle. Die Einladungen seines Bruders Gus und dessen schwangeren Frau Karin, die gleich nebenan im Haus der verstorbenen Eltern leben, schlägt er für gewöhnlich erfolgreich aus. Es ist, als führte er ein Leben in der Warteschleife - unsichtbar und fern menschlicher Kontakte, wann immer ihm dies möglich war. Eine selbst gewählte Einsamkeit, unter der er mehr zu leiden schien, als er zu zeigen bereit war. Dies jedenfalls sollte alsbald deutlich werden.  
Während Gus sich unlängst mit der Schrulligkeit seines Bruders arrangiert hatte, gab Karin die Hoffnung nicht auf, ihren Schwager aus seinem Schneckenhaus und zurück ins Leben zu holen. Dementsprechend erfreut war sie, als sie eines schönen Tages erfuhr, dass Lars eine weibliche Bekanntschaft gemacht hatte. Eine halb brasilianisch und halb dänische Missionarin sei sie, die von Nonnen großgezogen wurde und die, da an den Rollstuhl gebunden, ständiger Pflege bedurfte. Lars habe Bianca, wie er zu berichten wusste, via Internet kennen gelernt und wie sich herausstellen sollte, entsprach wenigstens dieser Teil der Geschichte mehr oder weniger der Wahrheit. Tatsächlich und für alle Menschen außer Lars auch offensichtlich, handelte es sich bei Bianca jedoch um eine lebensgroße Silikonpuppe, welche ihm ein Internetanbieter geliefert hatte. Für Lars hingegen war Bianca vollkommen real und eine Antwort auf seine Sehnsucht nach weiblicher Freundschaft und Mutterliebe. Die Frage blieb nun, wie seine Familienangehörigen, seine Arbeitskollegen und die Gemeinde auf diese doch recht skurrile Freundschaft reagierten. Denn eines war Lars nun völlig klar, verstecken wollte er sich und Bianca auf keinen Fall.

Regisseur Craig Gillespie ist eine Ikone der Werbefilmindustrie. Vielfach ausgezeichnet, sind zwei seiner Spots Bestandteil der permanenten Sammlung des Museum of Modern Arts in New York. Nach seinem US-Debüt „Mr. Woodcock“, liefert Gillespie mit „Lars und die Frauen“ nunmehr seinen zweiten Langfilm ab. Mit viel Einfühlungsvermögen, welches wenigstens in gleichem Maße der Drehbuchautorin Nancy Oliver zuzuschreiben ist, erzählt er eine schräge und absolut liebenswerte Geschichte über Verlust, Schmerz und die Macht der Toleranz. Dabei ist es in ungeahnter Leichtigkeit und völlig frei von Voyeurismus gelungen, eine warmherzige wie hinreißende Tragikkomödie zu erzählen, die glücklicherweise ganz ohne schlüpfrigen Klamauk auskommt. Eine Leistung, aufgrund derer die „Six Feet Under“-Autorin Nancy Oliver nun völlig zu Recht auf den diesjährigen Oscar für das Beste Originaldrehbuch hoffen darf. Ganze Arbeit hat auch die Darstellercrew geleistet, die in der ungewöhnlichen und ungewöhnlich sympathischen Geschichte geradezu aufgeht. Dabei ist der Film sowohl mit seinem Hauptdarsteller Ryan Gosling als auch bis in die kleinste Nebenrolle perfekt besetzt.

Gary Rohweder

------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

Ein seltsamer Mensch ist dieser Lars schon, nicht nur ein Eigenbrötler, sondern eine gesellschaftlich fast völlig isolierte Person. Er wohnt zwar in einem abgelegenen Zimmer bei seinem Bruder Gus und dessen Frau Karin, doch er pflegt mit ihnen nur minimalen Kontakt. Berühren darf man ihn schon gar nicht, denn dann fängt er sofort an zu schreien. Normal ist das auf keinen Fall. Lars dürfte krank sein. Da muss eine Psychologin her.

Durch das Internet kommt es zu einer merkwürdigen Begegnung. Aber nicht mit einem Menschen, sondern mit einer lebensgroßen Gummipuppe, welche Lars für sich hat anfertigen, bekleiden und schicken lassen. Mit der Puppe redet er, betrachtet sie als „real girl“, gibt ihr zu essen, nimmt sie im Rollstuhl überall mit, verliebt sich in sie!

Die Leute im Städtchen sind geschockt. Was ist das für ein Sonderling, ein Verrückter, der sich mit einer leblosen Plastikfrau abgibt? Ungeheuerlich.

Langsam aber gewöhnen sich die Menschen nicht nur daran, sondern fangen an, Verständnis aufzubringen. Immer mehr wird jetzt Lars und auch der Puppe Bianca Sympathie und Wohlwollen entgegengebracht, zumal Bianca sich im Kindergarten, in einem Bekleidungsgeschäft als Modell und im Krankenhaus nützlich macht. 

Und siehe da, die therapeutische Wirkung dieser inzwischen von vielen geförderten Entwicklung bleibt nicht aus. In Lars geht eine Veränderung vor, er zeigt erstes Sozialverhalten. Nun könnte es sogar mit seiner leutseligen, netten, aber auch unsicher wirkenden Arbeitskollegin Margo etwas werden.

Ein stilistisch sehr karger, vom Hauptdarsteller jedoch sehr gut bewältigter Film, bei dem es offenbar weniger auf die Form als auf die Botschaft ankommt: tolerant sein, mit psychisch Kranken Geduld haben, mithelfen, sich möglichst sozial zeigen, mitmachen, sich nichts anmerken lassen. 

Natürlich sucht dieser Streifen auch zu unterhalten, und bis zu einem gewissen Grade gelingt ihm dies auch. Doch vor allem das Thema ist entscheidend. Und es bedarf der Botschaft dieses Films viel häufiger, als man gemeinhin wahrhaben will.

Thomas Engel