Last Christmas

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Regisseur Paul Feig hat mit seinen letzten Regiearbeiten immer für Wirbel gesorgt. Das Internet brannte aufgrund seiner rein weiblichen Neuausrichtung von „Ghostbusters“, seine Melissa-McCarthy-Komödien werden stets von geteilter Meinung aufgenommen und die Thrillersatire „Nur ein kleiner Gefallen“ erwischte viele auf dem falschen Fuß. Doch der gebürtig aus Michigan stammende Regisseur besitzt ein begnadetes Humorverständnis, was er auch in seiner Weihnachtskomödie „Last Christmas“ wieder unter Beweis stellt.

Webseite: upig.de

UK/USA 2019
Regie: Paul Feig
Darsteller: Emilia Clarke, Emma Thompson, Henry Golding, Michelle Yeoh, Patti LuPone, Sue Perkins, Ingrid Oliver, Margaret Clunie
Verleih: Universal Pictures
Länge: 102 Min.
Start: 14. November 2019

FILMKRITIK:

Vom Leben enttäuscht und ohne Zukunftsperspektiven zieht es die junge Kate (Emilia Clarke) zurück in ihre Heimatstadt London. Hier heuert sie als Elf in einem Weihnachtsgeschäft ein. Ihre resolute Chefin (Michelle Yeoh) verzweifelt jedoch regelmäßig an Kates lockerer Arbeitsmoral. Als sie eines Tages nach einer Schicht auf den charmanten Tom (Henry Golding) trifft, scheinen sich die Dinge für Kate zu wenden. Immer häufiger ziehen die beiden gemeinsam um die Häuser, doch richtig nah kommen sich die zwei dabei nie. Immerhin ermutigt Tom Kate, endlich ihrer Leidenschaft, dem Singen, nachzugehen. Kate geht zu Castings und Talentshows, allerdings nur mit mäßigem Erfolg. Vor allem ihre besorgte Mutter Adella (Emma Thompson) macht sich große Sorgen um ihren Sprössling. Es braucht eben seine Zeit, bis sich die junge Frau entschließt, endlich Menschen in ihr Leben zu lassen und ihren Schutzpanzer abzulegen…
 
„Last Christmas, I gave you my Heart. But the very next Day, you gave it away.“ – Jedes Jahr pünktlich zur Weihnachtszeit, bescheren uns Fernsehstationen und Radiosender den ewig gleichen Ohrwurm. Und nun hat sich „Brautalarm“- und „Ghostbusters“-Regisseur Paul Feig genau diesen Song zur Brust genommen, um anhand dessen sowie diverser weiterer George-Michael-Klassiker eine zuckersüß-anarchische Weihnachtsgeschichte zu erzählen. Zuckersüß, weil die Unschuld dieser Geschichte, gepaart mit dem wohl zauberhaftesten Leinwandpaar des Jahres (Emilia Clarke und Henry Golding) nicht besser zur (Vor-)Weihnachtszeit passen könnte und insbesondere beim weiblichen Publikum für feuchte Augen und Herzklopfen sorgen wird. Und anarchisch deshalb, weil es sich bisweilen so anfühlt, als würde man einem Sack Flöhen auf der Leinwand zuschauen; so viele Ideen packt Feig in diese Comedyromanze, in der er insbesondere in der zweiten Hälfte noch eine ordentliche Portion Melancholie mit einfließen lässt. Gerade aufgrund eines Twists auf der Zielgeraden, werden sich an „Last Christmas“ zwar definitiv die Geister scheiden. Doch schon aufgrund der unbändigen, kreativen Vielfalt – das gilt sowohl für die Inszenierung als auch für den bemerkenswert diversen Cast – sollte man sich diesen ganz speziellen Weihnachtsfilm auf keinen Fall entgehen lassen. „Last Christmas“ ist eine Rarität, wie man sie im Kino kaum noch zu Gesicht bekommt.
 
Wenn wir sagen, dass man in der ersten halben Stunde gar nicht so recht kapiert, worauf Feig mit seiner Geschichte eigentlich hinaus will, dann klingt das weitaus negativer, als es gemeint ist. Wir lernen Kate als ziellose Herumtreiberin kennen, die nicht weiß, was sie mit ihrem Leben anfangen soll. Wir kommen in Kontakt mit allen möglichen, spleenigen Nebenfiguren. Wir treffen auf Kates exzentrische Mutter (grandios: Emma Thompson, die auch das Drehbuch verfasste), auf den charmanten Tom und bekommen ganz nebenbei auch noch ein überwältigend-farbenfrohes, weihnachtliches London präsentiert, dessen erzählerischer Mittelpunkt der grell funkelnde Weihnachtsladen ist. In allem steckt Kreativität. Jede Sekunde auf der Leinwand quillt regelrecht über vor Leben. Diverse Handlungsstränge werden aufgemacht, Setpieces präsentiert und der Soundtrack umhüllt das Ganze mit allerhand George-Michael-Songs. Das titelgebende „Last Christmas“ ist – so viel kann beruhigend vorweggenommen werden – übrigens nicht annähernd so präsent, wie man es vielleicht vorab befürchtet, wenn es denn sogar die Titelwahl so maßgeblich beeinflussen konnte. Inwiefern der Film vom Inhalt des Weihnachtsklassikers inspiriert ist, erkennt man sowieso erst ganz zum Schluss; das können wir vollkommen ohne Spoilerangst an dieser Stelle vorwegnehmen, weil ohnehin erst dann der Bezug zwischen Geschichte und Song hergestellt werden kann, wenn der Groschen ob der Überraschungen und Twist längst gefallen ist. Und dass Paul Feig weiß, wie man effektvoll Twists inszeniert, hat er bereits mit seiner aberwitzigen Thrillerkomödie „Nur ein kleiner Gefallen“ bewiesen.
 
Darüber hinaus beweist Feig auch in „Last Christmas“ seinen Hang zu bunten Ensembles; in seinem Film steht zwar ein gemischtgeschlechtliches (Liebes-?)Paar im Mittelpunkt, doch nicht nur ist er ein Mensch asiatischer Abstammung, insbesondere unter den Nebenfiguren setzt Feig auf Diversität: Unter den Nebenfiguren herrscht ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Männern und Frauen, es gibt gemischtgeschlechtliche Paare, verschiedene Person of Color sowie Menschen mit körperlicher Behinderung. Was eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein sollte, zeigen die Macher einem hier derart selbstverständlich, dass man erst lang nach dem Film überhaupt realisiert, wie weit Feig seiner Zeit leider immer noch voraus ist. Dass er seinen diversen Cast zudem nie als Grundlage für Probleme oder Konflikte nutzt, unterstreicht dies; und auch, dass er sich trotzdem immer wieder einige beißende Pointen erlaubt. Vor seinem Humor ist eben Niemand sicher.
 
Wenngleich „Last Christmas“ allein schon aufgrund seines halsbrecherischen Tempos sowie der hohen Gagdichte in Sachen Slapstick (der leider nicht immer ganz funktioniert) und Pointen klar im Genre der Komödie verortbar ist, genehmigen sich die Macher insbesondere in der zweiten Hälfte einige melancholische Anflüge. Sie versorgen die Romanze zwischen Kate und Tom mit Würze und Romantik; und sorgen für einen Schlussakt, der so richtig an die Nieren geht. Bis dahin hat man Tränen gelacht und mit den beiden mitgefiebert. Und plötzlich findet man sich im Kinosaal wieder und weint sich die Augen aus dem Kopf. Paul Feig bedient die gesamte Klaviatur der Emotionen und liefert mit „Last Christmas“ einen wundervoll-andersartigen, mutigen und mit Sicherheit auch aneckenden Weihnachtsfilm ab. Aber ganz sicher auch einen so noch nie zuvor dagewesenen.

Paul Feigs „Last Christmas“ ist ganz klar der Weihnachtsfilm des Jahres!
 
Antje Wessels