Late Night with the Devil

Zum Vergrößern klicken

In schöner Regelmäßigkeit machen australische Horrorfilme auf sich aufmerksam. 2014 etwa legte Jennifer Kent mit ihrem abendfüllenden Regiedebüt „Der Babadook“ ein schmerzhaftes Gruseldrama um eine alleinerziehende Mutter vor. 2022 erschien der ebenso eindringliche wie effektvolle Schocker „Talk to Me“, der um eine traumatisierte Teenagerin kreist. Und im folgenden Jahr feierte der Dämonenthriller „Late Night with the Devil“ seine Weltpremiere, der schaurigen Hokuspokus in einem erfrischend originellen Setting zelebriert. Wie es der Titel schon andeutet, lassen die regieführenden Brüder Cameron und Colin Cairnes den Schrecken in einem Fernsehstudio losbrechen. Auch wenn es nur bedingt unheimlich wird, erweist sich der Film als mit viel Herzblut gefertigter Genrebeitrag.

Webseite: https://www.capelight.de/late-night-with-the-devil

Australien/USA/Vereinigte Arabische Emirate 2023
Regie: Cameron Cairnes, Colin Cairnes
Drehbuch: Cameron Cairnes, Colin Cairnes
Darsteller: David Dastmalchian, Laura Gordon, Ian Bliss, Ingrid Torelli, Rhys Auteri, Fayssal Bazzi, Georgina Haig, Josh Quong Tart, Steve Mouzakis u. a.

Länge: 93 Minuten
FSK: ab 16 Jahren
Verleih/Vertrieb: capelight pictures
Kinostart: 30. Mai 2024

FILMKRITIK:

Einfallsreichtum und Liebe zum Detail beweisen die Geschwister bereits im Prolog, der in Form einer fiktiven Dokumentation mit allerlei fingierten Bildmaterial daherkommt: Die 1970er-Jahre sind, so wird betont, eine Zeit gesellschaftlicher Unruhen, eine Zeit, in der das Grauen in der Welt, zum Beispiel des Vietnamkriegs, über die Fernsehgeräte direkt in die Wohnzimmer der Menschen gelangt. Flucht vor der unschönen Realität bieten allerdings TV-Sendungen wie die am späten Abend laufende Talkshow „Night Owls with Jack Delroy“. Ein Erfolgsformat, dessen Gastgeber (David Dastmalchian) nur zu gerne den dominierenden Unterhalter Johnny Carson in den Schatten stellen würde.

Jack, dem eine Nähe zu einem elitären, sich in der kalifornischen Abgeschiedenheit treffenden Zirkel nachgesagt wird, ist beliebt, schwingt sich aber nie zum ganz großen Late-Night-Star auf. Als seine Ehefrau Madeleine (Georgina Haig) einem Krebsleiden erliegt, verschwindet Delroy, schwer getroffen, vorübergehend von der Bildfläche. Alle Versuche, seine Show nach seiner Rückkehr wieder in Quotenhöhen zu führen, schlagen fehl. Ein letztes Mal probieren wollen es er und seine Mitstreiter in einer der so wichtigen US-Quotenwochen mit einer Spezialausgabe an Halloween 1977. Einer Livesendung, die einen schrecklichen Verlauf nehmen wird und deren Mitschnitt lange unter Verschluss gehalten wurde, wie uns der Sprecher der fiktiven Reportage bedeutungsschwer informiert.

Nach diesem gelungenen Auftakt, der enorme Erwartungen schürt, werden wir dann Zeuge jener verhängnisvollen Show, in der Jack neben dem Medium Christou (Fayssal Bazzi) und dem gegen übernatürlichen Schwindel zu Felde ziehenden Ex-Magier Carmichael Haig (Ian Bliss) auch die Parapsychologin June Ross-Mitchell (Laura Gordon) und ihrem jungen Schützling Lilly (Ingrid Torelli) begrüßt. Letztere hat den Massenselbstmord einer Sekte überlebt und behauptet nun, von einer dämonischen Präsenz bedrängt zu werden.

Was zunächst einmal positiv hervorsticht: Cameron und Colin Cairnes, die auch das Drehbuch schrieben, lassen ihre Geisterbahn langsam anrollen. Ohne die plärrende Hektik, die im Horrorkino heute oft sehr schnell um sich greift. In Delroys Fernsehstudio prallen skurrile Figuren mit konträren Ansichten aufeinander und sorgen für genügend Reibung. Dynamik entsteht überdies, weil „Late Night with the Devil“ das wuselige Treiben in den Werbepausen der Halloweensendung einfängt. Präsentiert werden diese in Schwarz-Weiß gehaltenen Aufnahmen als Behind-the-scenes-Material, dessen Existenz man nicht weiter hinterfragen sollte. Einen triftigen Grund, die Abläufe hinter den Kulissen aufzuzeichnen, gibt es jedenfalls nicht. Pointiert vermittelt sich in diesen Sequenzen allerdings die zynische Haltung und der Quotenwahn der Fernsehmacher. „The show must go on!“, ist das Motto, das trotz beunruhigender Entwicklungen ausgegeben wird.

Die Eskalationsschraube ziehen die Regisseure Schritt für Schritt an. Aus kleinen Merkwürdigkeiten werden größere Irritationen, die irgendwann ins Chaos münden. Echtes Verstörungspotenzial hat der Film aber nur in seltenen Momenten, da die Horrorelemente dann doch sehr klassisch arrangiert sind. Trotz Ingrid Torellis eindringlicher Performance wirkt beispielsweise eine Besessenheitspassage zu vertraut, um bei Genrekennern lange anhaltenden Schrecken auszulösen. Auch die sich durchaus überschlagenden letzten Minuten gehen etwas weniger unter die Haut, als es der unheilschwangere Prolog erhoffen lässt.

Ist „Late Nate with the Devil“ deshalb ein Reinfall? Keineswegs! Denn sehenswert ist allemal das Drumherum. Wie die Cairnes-Brüder die 1970er-Jahre auferstehen lassen, verdient Applaus. Angefangen bei den Kostümen über das auch farblich wunderbar rekonstruierte Szenenbild bis hin zum Auftreten der Figuren – wüsste man es nicht besser, könnte man meinen, tatsächlich einer Late-Night-Show aus der damaligen Zeit beizuwohnen. Unbedingt erwähnenswert: David Dastmalchians nuancierte Darbietung in der Hauptrolle. Sonst zumeist auf durchgeknallte Nebencharaktere abonniert, darf der US-Amerikaner hier einmal die ganze Bandbreite seines Könnens zum Besten geben. Als schlagfertiger, ehrgeiziger, jedoch zunehmend die Kontrolle verlierender Moderator füllt er das Zentrum des Retrogruslers überzeugend aus.

 

Christopher Diekhaus