Le Weekend

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Klingt erst mal nicht so originell: Ein britisches Paar reist nach Paris und feiert seinen Honeymoon. Klingt schon viel besser: Das Drehbuch stammt von Schriftsteller Hanif Kureishi („Mein wunderbarer Waschsaon“). Und endgültig hellhörig macht die Besetzung der männlichen Hauptrolle mit dem wunderbaren Jim Broadbent. Tatsächlich entpuppt sich dieser Film als herrlich schrullige Liebeskomödie mit mehreren doppelten Böden. Jim Broadbent wurde für seine Leistung beim San Sebastian Fim Festival mit der Silbernen Muschel ausgezeichnet.

Webseite: www.leweekend-derfilm.de

Le Week-End
Großbritannien 2013
Regie: Roger Michell
Buch: Hanif Kureishi
Darsteller: Jim Broadbent, Lindsay Duncan, Jeff Goldblum
Länge: 93 Minuten
Verleih: Prokino
Kinostart: 30. Januar 2014

PRESSESTIMMEN:

"Mit großer Intensität: komisch, authentisch und anrührend."
Brigitte

"Eine ebenso beschwingte wie melancholische Komödie... Eine tragikomische Romanze, die dem Zuschauer ein paar gute Gründe gibt, sich aufs Altenteil zu freuen."
Der Spiegel

FILMKRITIK:

Seit 30 Jahren sind Nick (Jim Broadbent) und Meg (Lindsay Duncan) verheiratet. Sie sind nicht unglücklich, aber auch alles andere als locker. Die Frage der Unterbringung stellt die Reise nach Paris auf den Spuren ihrer Hochzeitsreise nicht gerade in ein gutes Licht. Nick hat das gleiche Hotel wie damals gebucht, das sich aber als ziemlich heruntergekommen entpuppt. Meg weigert sich standhaft, hier ein Zimmer zu beziehen. Ihr schwebt ein richtiges Luxushotel vor. Und tatsächlich lässt selbst Nick alle Vorsicht fahren und bucht eine Suite in einem Hotel, das ihr Budget deutlich sprengt. Damit ist die Routine gesprengt, und der Philosophie-Professor und die Lehrerin streiten, tanzen, singen sich durch Paris. Immer auf den Spuren der verlorenen Zeit, all der Lebenslügen und Enttäuschungen. Schließlich begegnen sie Morgan (Jeff Goldblum), einem erfolgreichen US-Autor, der früher mit Nick studierte. Er lädt sie zu einer folgenreichen Party in seinem Luxus-Appartement ein.

Selbst Menschen, die nicht wie die Protagonisten Ende Fünfzig sind, fragen sich angesichts von „Le Weekend“, wo sie geblieben ist, die Zeit. Nicht etwa, weil der Film übermäßig wehmütig zurückblickte. Im Gegenteil, sein Ton ist sehr gegenwärtig. Und doch ist „Le Weekend“ eine Zeitreise, die beständig die Frage stellt: Wie sind wir nur hier gelandet? Seine Hauptfiguren waren Ende der Sechziger Jahre jung, als die Popkultur der Gegenwart mit all ihren verlorenen Idealen erfunden wurde. Sie waren damals liberal, offen, neugierig und hatten als vielleicht erste Generation überhaupt das Gefühl, ihr Leben selbst erfinden zu können. Heute haben sie einen Sohn, der ständig am Telefon nervt, weil er kein Geld hat und mit seiner Familie wieder zuhause einziehen will. Der Film funktioniert also nicht nur als unterhaltsame Ehe-Komödie, er ist auch das Porträt einer Generation, die mehr zu verlieren hatte als die vor ihr.

Man spürt die Verbitterung über die verlorenen Träume. Aber sie äußert sich in herrlich bissigen und unterhaltsamen Seitenhieben. Auf eine selbstverliebte, unerträglich arrogante Jet-Set-Intelligenzia etwa. Nick raucht lieber einen Joint mit Morgans einsamem Sohn, als sich mit blasierten Partygästen zu langweilen. Doch noch zu einer Rede genötigt, zieht er ein hartes Resümee, dass in seiner Offenheit zutiefst anrührt. Meg dagegen weiß nicht, ob sie es mit diesem Eigenbrödler überhaupt noch länger aushalten will. War sie nicht eigentlich sowieso gegen die Ehe? „Le Weekend“ ist eine Hommage an die Komödien der Nouvelle-Vague mit ihrem Anarchismus und ihrer frechen Leichtigkeit. Jim Broadbent ist mit seinem Knittergesicht wie gemacht für diese Rolle, die ihn erneut kunstvoll Komik und Tragik ausloten lässt. Und Lindsay Duncan wirkt so schön und klug wie weiland Anna Karina in „Eine Frau ist eine Frau“.

Oliver Kaever