Leere Netze

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Das bildstarke, beinahe wuchtige Drama aus dem Iran erzählt von einer großen Liebe, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt ist: Der Kellner Amir wird erst zum Fischer und dann zum Kriminellen, um das traditionelle Brautgeld für seine Narges aufzubringen.
Der Deutsch-Iraner Behrooz Karamizade schrieb das Drehbuch, das 2021 den Deutschen Drehbuchpreis erhielt. Er führte selbst auch Regie in seinem beeindruckenden Spielfilmdebüt, das mit unverhohlener Kritik die Zustände im Iran zeigt und insbesondere die Situation junger Menschen, zerrissen zwischen Tradition, Hoffnung und Sanktionen.

Webseite: https://port-prince.de/projekt/leere-netze/

Deutschland/Iran 2023
Drehbuch und Regie: Behrooz Karamizade
Mit: Hamid Reza Abbasi, Sadaf Asgari, Pantea Panahiha
Kamera: Ashkan Ashkani
Musik: Saba Alizadeh, John Gürtler, Jan Miserre

Länge: 101 Minuten
Verleih: Port au Prince Pictures GmbH
Kinostart: 18. Januar 2024

FILMKRITIK:

„Doch die Verhältnisse, sie sind nicht so…“ Was Bertolt Brecht einst für die Dreigroschenoper textete, hat auch heute noch Bestand. Narges und Amir, ein junges Liebesspaar, das im Iran eigentlich nur eine ganz normale Beziehung führen will, scheitert an den vertrackten Verhältnissen, denen sie nicht entkommen können. Die beiden wollen heiraten, doch Narges‘ Eltern wollen nicht auf das traditionelle Brautgeld verzichten, das Amirs Möglichkeiten um ein Vielfaches übersteigt. Als Amir dann auch noch seinen Job als Kellner verliert, sieht er seine Chancen auf ein gemeinsames Leben mit Narges schwinden: Wie soll er jetzt so viel Geld aufbringen?

Zunächst verdingt Amir sich als Fischer, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Arbeit sagt ihm zu: Er ist sportlich, kann sehr gut schwimmen und schreckt nicht davor zurück, sich anzustrengen. Doch das Brautgeld für Narges kann er auf diese Weise nicht verdienen. Als sich ihm die Chance bietet, seinen Arbeitslohn erheblich zu steigern, wagt Amir den nächsten, den verhängnisvollen Schritt. Er schließt sich einer Bande von Kaviar-Wilderern an. Das sind Fischer, die das Fangverbot für Störe ignorieren und die illegal erbeuteten Tiere gegen sehr gutes Geld an Luxus-Restaurants liefern. Und schon geht es aufwärts mit Amirs Finanzen, auch wenn er selbst zunächst nicht merkt oder wahrhaben will, dass er jetzt zum Kriminellen geworden ist und dass das einen großen Unterschied ausmacht.

Narges merkt diesen Unterschied sofort. Sie spürt, dass Amir sich verändert hat, und die Beziehung der beiden hat einen Beigeschmack bekommen. Das Materielle steht endgültig im Vordergrund, der Business geht vor. Amir betreibt die Kaviar-Wilderei als Geschäft, und auch in seiner Beziehung zu Narges gewinnt das Geschäftliche die Oberhand: Wer Brautgeld bezahlen will, muss es verdienen.

In starken, oftmals nachtdunklen Bildern, die im Verlauf der Handlung immer düsterer zu werden scheinen, zeigt Regisseur Behrooz Karamizade die gefährliche, abenteuerliche Welt der Fischer, in der sich Geschick und Wagemut durchsetzen. Sadaf Asgari als Narges und Hamid Reza Abbas als Amir überzeugen als Liebespaar in der Abwärtsspirale, auch wenn ein wenig mehr Ambivalenz der Sache gut getan hätte: dass die Liebe der beiden von vornherein keine Chance hat, wird so überdeutlich, dass es der Geschichte ein wenig die Spannung raubt.

Was bleibt, ist ein einigermaßen erschütterndes Portrait des Iran als Staat, der seiner Jugend die Zukunft raubt und sie geradezu in die Kriminalität zwingt, sobald es um die Verwirklichung von Lebensträumen geht. Diese jungen Leute haben einfach keine Chance, weder auf die große Liebe noch auf eine selbstbestimmte Zukunft.

 

Gaby Sikorski