Let’s Make Money

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In seinem überaus erfolgreichen „We Feed the World“ beschäftigte sich der österreichische Dokumentarfilm-Regisseur Erwin Wagenhofer mit der Globalisierung der Lebensmittelproduktion. Sein neuer Film „Let’s Make Money“ geht noch einen Schritt weiter und versucht die Ströme des Kapitals aufzuzeigen. 

Webseite: www.lets-make-money.de

Österreich 2008 - Dokumentation
Regie: Erwin Wagenhofer
Buch: Erwin Wagenhofer
ca. 100 Minuten, Format: 1:1,85
Verleih: Delphi Filmverleih
Kinostart: 30. Oktober 2008

PRESSESTIMMEN:

Beitrag heute journal Mittwoch 8.10.08

Aufrüttelnde und unpolemische Doku über die Ausbeutung von Mensch und Natur, auch wenn der Österreicher Wagenhofer ("We Feed the World") die Komplexität internationaler Geldströme in dem knapp zweistündigen Kapitalismus-Sightseeing rund um die Welt natürlich nicht restlos transparent machen kann. Spannend wie ein Wirtschaftsthriller, in dem die abgefeimten Finanzjongleure sich mit Chuzpe in ihrer Schurkenrolle genüsslich selbst inszenieren. Ein Pflichttermin.
KulturSPIEGEL

FILMKRITIK: 

Vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Finanz- und Bankenkrise kann es eigentlich keinen aktuelleren Film geben. Während die Hiobsbotschaften scheinbar nicht abreißen und Laien sich fragen, was eigentlich mit dem Geld auf den globalen Märkten passiert und Regierungen intervenieren müssen, um Rettungspakete in Milliardenhöhe zu schnüren, wagt Regisseur Wagenhofer einen Exkurs in die undurchsichtige Welt der Finanzströme. Und führt sein Publikum fast um die ganze Welt. Er zeigt die Verlierer der Globalisierung in den Goldminen von Ghana, wo nur drei Prozent des Ertrages im Land behalten werden darf, während die anderen 97 Prozent in die Schweiz geflogen werden. Er filmt afrikanische Bauarbeiter in Andalusien, bettelarme Fabrikangestellte im indischen Madras oder Obdachlose in den USA, die sich in Wohnheimen organisieren. 

„Let’s Make Money“ ist eine bittere Reflexion über den Verbleib unseres Geldes, die komplex und erschreckend zugleich ist. Manager und Wirtschaftsexperten aus dem neo-liberalen Lager erklären anschaulich, wie sich Banken und Investmentfirmen mit einfachen Mitteln dem Kapital von Kunden oder Partnern bedienen und es in die globalen Finanzströme einspeisen. Der beliebte Slogan „Lassen Sie ihr Geld für ich arbeiten!“ bekommt dabei einen bitteren Beigeschmack, weil Erwin Wagenhofer deutlich macht, dass es das Geld der einfachen Leute ist, die jene ungerechte Umverteilung des Geldes und die Benachteiligung der Entwicklungsländer überhaupt erst möglich macht. Mit anderen Worten: Jeder der sein Geld einem Global Player anvertraut, unterstützt die klar verteilten Rollenverhältnisse zwischen Erster und Dritter Welt, die von der Weltbank und dem Internationalen Währungsfond geschürt werden.

Dennoch beansprucht der Film nicht die Rolle des Anklägers. Viel mehr wird schlicht eine Vielzahl von Akteuren gezeigt, die ihre Rolle im globalen Finanznetzwerk erklären und kritisch hinterfragen. Ein ehemaliger Mitarbeiter der amerikanischen Regierung beschreibt, wie Entwicklungsländern üppige Kredite gewährt wurden und im Austausch dafür den Großteil ihrer natürlichen Ressourcen abgaben. Systematisch wird aufgezeigt, wie bei auftretenden Problemen entweder Staatsführer ermordet wurden oder, wie im Irak, militärische Interventionen zur letzten Option wurden. Das ernüchternde Fazit von „Let’s Make Money“ ist die Wichtigkeit des kritischen Blicks auf den Neo-Liberalismus, der sich ausschließlich und mit allen unlauteren Mitteln auf die hohen Rendite gegenwärtiger Investitionen konzentriert und dabei jeglichen Sinn für Nachhaltigkeit verliert. Dennoch: Das allgemeine Credo lautet, dass der Staat nicht den Markt regulieren muss. Der Markt reguliert sich von selbst. Wer den Kinosaal verlässt, sieht die Finanzwelt mit anderen Augen. Mehr noch: Jegliche Form von Privatisierung – ob ehemals staatliches Krankenhaus oder Straßenbahn – dient nur dem Cash-Flow auf den Finanzmärkten, die besagte Spirale eines imperialistischen Kapitalismus nur fördern. 

David Siems 

Kritik an den Exzessen von Kapitalismus und Globalisierung zu üben fällt in diesen Tagen leichter denn je. Die Komplexität der globalen Vernetzung von Waren- und Kapitalströmen darzustellen wird durch den offensichtlichen Missbrauch der Möglichkeiten des Kapitals allerdings nicht einfacher. Genau genommen ist dieser Versuch für einen knapp 100-minütigen Dokumentarfilm ein Ding der Unmöglichkeit, ein quichotisches Unterfangen, dass Erwin Wagenhofer auf seine spezielle Art angeht. Bisweilen hat es zwar den Anschein, als würde er versuchen, Beziehungen zwischen einzelnen Episoden seines Films anzudeuten, einen Punkt, den ein Gesprächspartner Anfangs gemacht hat, zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufnehmen. Letztlich ist „Let’s Make Money“ aber ein Episodenfilm, der schlaglichtartig einzelne Aspekte der Globalisierung beleuchtet. 

Als offensichtlich linker Globalisierungskritiker bemüht sich Wagenhofer dabei in keinem Moment um Objektivität oder Differenziertheit. In manchen Momenten, wenn ihm Banker Sätze wie „Als Investoren sind wir für das ethische Handeln unserer Kunden in keiner Weise verantwortlich“ oder „Das funktionierende Rechtssystem Indiens verdanken wir der Kolonialzeit“ in die Kamera sprechen, meint man Wagenhofer im Off still jubilieren zu hören. Eine bessere Bestätigung des Klischeebilds vom gierigen, skrupellosen Investor kann es kaum geben. 

Und natürlich ist diese Bild nicht vollkommen aus der Luft gegriffen. Wenn man da in Spanien endlose, furchtbar hässliche Wohnsiedlungen sieht, die jedes ästhetische Empfinden verletzen und ganz offensichtlich die Landschaft verschandeln, an die Golfplätze angrenzen, die Unmengen an Wasser verbrauchen und die niemand benutzt, ist die Wut über die Exzesse des Kapitalismus nur natürlich. Doch warum genau es aus Sicht der Investoren sinnvoll ist, solche Wohnungen oder Hotels zu bauen, sie leer stehen zu lassen und damit dennoch Geld zu verdienen, dass erfährt man durch den Film nicht. Dass dies irgendetwas mit der Immobilienblase zu tun haben muss, dass es irgendwelche Gesetzte gibt, die solche Exzesse ermöglichen, ahnt man, aber in welchem Bezug dies zu in feinen Zwirn gekleideten Bankern in London oder Frankfurt steht, wüsste man schon gerne. Das Einzelne in einen Kontext zu stellen, die verflochtenen Verbindungen der Globalisierung aufzuzeigen und mehr als oberflächliche Empörung hervorzurufen gelingt Wagenhofer nicht. Schon „We Feed the World“ rannte offene Türen ein und auch „Let’s Make Money“ wird niemanden von den Gefahren der Globalisierung überzeugen, der nicht ohnehin schon Mitglied bei Attac ist.

Nur ganz selten geht der Film über Sequenzen hinaus, die man so oder so ähnlich nicht schon zigfach im Auslandsjournal oder anderen Reportagesendungen gesehen hat. Und auch dann, wenn man etwa einen ehemaligen Mitarbeiter der Weltbank mit unfassbarer Nüchternheit davon sprechen hört, wie die Vereinigten Staaten diese vorgeblich globale Institution zu eigenen Mitteln missbrauchen, fehlt jeglicher Kontext, jegliche faktische Untermauerung des Gesagten. Ohne Frage ein engagierter Film, aber kein besonders durchdachter.

Michael Meyns

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Dass es viele Arme gibt und wenige Reiche, sehr Reiche, ist nichts Neues. Doch wie erschreckend extrem diese Wahrheit und Realität ist, zeigt der neue Dokumentarfilm von Erwin Wagenhofer, der bereits mit „We Feed the World“ Aufsehen erregte. 

Da treten, wie die gegenwärtige Finanzkrise ja jetzt beweist, gewissenlose Finanzmanager auf, die nur eines im Sinn haben: geliehenes Kapital rund um den Globus zu jagen und maximale Gewinne damit zu erzielen. Auf wessen Kosten ist ihnen gleichgültig. Ob in Afrika die Menschen ihre Baumwolle nicht verkaufen können (wegen amerikanischer Baumwollsubventionen in Milliardenhöhe); ob es in afrikanischen Steinbrüchen arbeitende Frauen gibt, die für 50 Cent pro Tag schuften müssen; ob Regionen existieren, in denen der Jahreslohn 50 Euro beträgt; ob die Gewässer verseucht werden, die Landschaften veröden, die Umwelt immer mehr verdreckt und Menschen von Tag zu Tag ärmer werden – gewissen „Finanzdienstleistern“ scheint es nichts auszumachen.

Da treten Leute auf, die diese katastrophale Entwicklung mit einem Lächeln fördern; die stolz darauf zu sein scheinen, dass es Steuerparadiese wie Jersey, die Kaiman-Inseln, die Schweiz oder Luxemburg gibt, in denen der Menschengemeinschaft und den Staaten Geld entzogen wird; die bewusst erklären, dass z.B. in Indien „die Wirtschaft“ und das industrielle Vorankommen Vorrang habe, egal ob auf der anderen Seite die unmenschlichste Armut, die man sich vorstellen kann, noch Generationen andauern wird; oder in manchen Gegenden Afrikas die Lebenserwartung 42 Jahre beträgt, also die Hälfte der Lebenserwartung in Europa.

Besonders makaber die Lage an vielen spanischen Küsten, wo aus reiner Investitions- und Profitgier zigtausend Wohnungen oder Hotels gebaut und die schönsten Landstriche verbaut wurden, die Wohnungen und Hotels aber leer stehen. Von den elf größten Baufirmen der Welt kommen sieben aus Spanien.

Es gibt auch Warner und „Rufer in der Wüste“ – doch sie sind wenige im Vergleich zu den Massen der Profiteure.

Man muss diesen Film sehen, um vieles zu erfahren, um besser zu erkennen, was wirklich vor sich geht und – wenn man schon selbst nichts zum Stopp einer solchen Entwicklung beitragen kann – um wenigstens vor dem Schlimmsten gewappnet zu sein, das eintreten könnte, wenn es so weitergeht.

Thomas Engel