Licht

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Wien 1777. Die 18-jährige Klaviervirtuosin Maria Theresia Paradis (1759-1824) ist blind. Als sie bei einem mehrmonatigen Aufenthalt in der Kurklinik eines umstrittenen Arztes erste Bilder wahrzunehmen beginnt, muss sie zu ihrem Schrecken feststellen, dass sie ihre musikalischen Fähigkeiten verliert. Anspruchsvolles, perfekt ausgestattetes Kostümdrama, das vom Erwachsenwerden einer jungen Frau erzählt und gleichzeitig etwas über Klassenschranken in einer höfischen Gesellschaft zu sagen hat. In der Hauptrolle von Maria Dragus bravourös gespielt.

Webseite: www.lichtderfilm.de

Deutschland / Österreich 2017
Regie: Barbara Albert
Darsteller: Maria Dragus, Devid Striesow, Lukas Miko, Katja Kolm, Maresi Riegner
Länge: 97 Min.
Verleih: Farbfilm
Kinostart: 1.2.2018

FILMKRITIK:

Wien 1777. Die 18-jährige Maria Theresia Paradis, kurz Resi genannt, ist blind, seit ihrer Kindheit schon. Und trotzdem spielt sie Klavier wie keine Zweite. Ein Wunderkind, und darum geben ihre Eltern in der feinen Wiener Gesellschaft gerne mit ihr an. Oft muss sie vorspielen, nicht immer zur Zufriedenheit der Eltern, die stets einen Grund zur Mäkelei finden. Im auf Äußerlichkeiten bedachten Zeitalter des Rokoko fürchten sie um ihr Ansehen, ihren Status und ihren Wohlstand. Um nach vielen vergeblichen Behandlungen vielleicht doch ihr Augenlicht wiederzuerlangen, geht Resi für einige Monate in die Kurklinik des Arztes Franz Anton Mesmer. Der scheint zunächst ein wahrer Scharlatan zu sein: Mit Handauflegen und magnetischen Schwingungen rückt er der jungen Frau zuleibe. Und doch gewinnt er ihr Vertrauen. Resi genießt im Kreise wundersamer Patienten und in der Freundschaft zum Stubenmädchen Agnes zum ersten Mal so etwas wie Freiheit. Und dann beginnt sie zur Überraschung aller vage Bilder wahrzunehmen. Doch umso mehr sie Umrisse und Farben erkennt, umso mehr verliert sie ihre Virtuosität am Klavier – bis sie schließlich nur noch mit verbundenen Augen akkurat spielen kann. Ihren Eltern ist das gar nicht recht.
 
Maria Theresia Paradis (1759-1824) war eine Zeitgenossin von Joseph Haydn und Wolfgang Amadeus Mozart. Der Abspann informiert uns darüber, dass sie von 1783 bis 1786 auf Europatournee ging und auch als Komponistin von sich reden machte. Die österreichische Regisseurin Barbara Albert, 1999 bekannt geworden mit „Nordrand“ und zuletzt 2012 mit „Die Lebenden“ in den Kinos, und ihre Drehbuchautorin Kathrin Resetarits haben sich nun, basierend auf dem 2010 erschienen Roman „Am Anfang war die Nacht Musik“ von Alissa Walser, ganz auf den Aufenthalt der jungen Frau in Dr. Mesmers Klinik konzentriert. Dabei funktioniert der Film auf mehreren Ebenen. Zum einen ist er ein Historiendrama, das mit perfektem Set- und Kostümdesign in ein Zeitalter entführt, in dem es noch große Klassenunterschiede gibt und nur der gesellschaftliche Erfolg zählt. Man schaue nur einmal auf die kunterbunten Hosen, die die Männer tragen, oder die engen Korsetts, die die Frauen in ihre Rolle zwängen. Zum anderen ist „Licht“ die Geschichte des Erwachsenwerdens einer jungen Frau, die sich, ungern zunächst, von ihrem Elternhaus löst und auf eigenen Füßen steht. Und dann geht es in „Licht“ – wie auch im Kino – ums Sehen und ums Hören, um Bilder und Töne, und wie sich beides gegenseitig bedingt. „Wer nicht sehen kann, der wird auch nicht gesehen – und wer nicht gesehen wird, der wird auch nicht gehört“, heißt es an einer Stelle, Resis Dilemma umschreibend. Mit anderen Worten: In dieser auf Oberflächenreize konzentrierten Gesellschaft gilt der vermeintlich Schwache nichts. Zum Gelingen des Films tragen vor allem die Schauspieler bei: Devid Stresow ist als Mesmer wundervoll ambivalent, mal Dandy, mal Vaterfigur, mal Scharlatan, mal helfender Arzt. Und Maria Dragus macht den Konflikt ihrer Hauptfigur, zwischen den Erwartungen anderer und Selbstverwirklichung, zwischen Dunkelheit und Welt-Wahrnehmung, bravourös deutlich.
 
Michael Ranze