Die Geschichte, die Regisseur Raymond Grimbergen in „Lioness – die Löwin“ erzählt, beruht auf bewährten Vorgaben: Eine begabte Sportlerin muss alles geben und zahlreiche Hindernisse überwinden, bis sie am Schluss, im großen Spiel, triumphieren kann. Die Story war schon 1976 nicht neu, als Sly Stallone seinen „Rocky“ zum ersten Mal in den Boxring geschickt hat. Trotzdem gelingt „Lioness“ ein kleines Wunder. Obwohl man von Anfang an ahnt, wie’s ausgeht und bei vielen Szenen das Gefühl hat, sie schon mal gesehen zu haben, ist dieser Coming-of-Age-Film ein Riesenspaß, bei dem das junge ebenso wie das ältere Publikum gut unterhalten wird.
Über den Film
Originaltitel
Leeuwin
Deutscher Titel
Lioness – Die Löwin
Produktionsland
NDL
Filmdauer
85 min
Produktionsjahr
2023
Regisseur
Grimbergen, Raymond
Verleih
Der filmverleih GmbH
Starttermin
22.05.2025
Rosis Eltern haben über ihren Kopf hinweg beschlossen, von Surinam in die Niederlande zu ziehen. Und das hat Rosi richtig weh getan, vor allem, weil sie ihre Großmutter verlassen musste. Doch nun versucht sie sich in ihrer neuen fremden und leider auch abweisenden Heimat durchzubeißen. Als hochbegabte Fußballspielerin weiß sie, dass Kampfgeist und Ausdauer zum Ziel führen, dass man aber auch Freunde in der Mannschaft braucht, um Erfolg zu haben. Als sie sich mit ihrer Mitschülerin und Nachbarin Jitte anfreundet, ist das erste Eis gebrochen. Auch der junge Mark erkennt bald, wie gut Rosi kicken kann, aber Marks Freundin Chloe, die Kapitänin des Fußballteams, ist eifersüchtig auf Rosi und bleibt der Neuen gegenüber feindselig. Doch mit Hartnäckigkeit und einigen mit großem Geschick erzielten Toren gelingt es Rosi, die Trainerin von sich zu überzeugen. Die setzt sie aber ausgerechnet auf der Position ein, auf der bisher Jitte gespielt hat, und so muss Jitte auf der Ersatzbank Platz nehmen. Daran droht die Freundschaft zwischen den beiden Mädchen zu zerbrechen. Rosi denkt schon aufs Aufhören, zumal der plötzliche Tod ihrer Großmutter sie mitnimmt. Doch als ausgerechnet ihr Großvater, der immer gesagt hat, dass Fußball nichts für Mädchen ist, sie beschwört, weiterzumachen, nimmt Rosi einen neuen Anlauf…
Lioness funktioniert als zugegeben etwas formelhafter Sportfilm sowie als authentische Teenagergeschichte, nicht zuletzt, weil sich hier Sport und Pubertät perfekt ergänzen. Im Leben eines Teenagers lauert hinter dem kleinsten Missverständnis stets das große Drama, genau wie im Fußball aus einer vergebenen Chance oder einer Ungenauigkeit beim Abspiel plötzlich eine Frage von existenzieller Bedeutung werden kann. Auch wenn man die Mechanismen wiedererkennt, die Raymond Grimbergen clever anwendet, kann man sich dem Sog aus großen Teenager-Emotionen, mitreißend gefilmten Fußballszenen und ins Ohr gehender Pop-Musik kaum entziehen. Wer da nicht die Daumen drückt, wenn Rosi am Schluss zum entscheidenden Elfmeter anläuft, hat vermutlich weder mit Kino noch mit Fußball irgendwas am Hut.
Einen großen Anteil am Erfolg des auf zahlreichen Festivals preisgekröntem Film hat Alyssa van Ommeren in der Hauptrolle der Rosi. Sie spielt nicht für die Galerie bzw. die Tribüne, sondern interpretiert Rosi als eine leicht introvertierte, reflektierende junge Frau, die im Leben und auf dem Spielfeld ihre Entscheidungen mit Überlegung trifft. Dadurch verleiht sie der Figur eine sympathische Anziehungskraft und Authentizität, die beinahe vergessen lässt, dass Rosi als junge Fußballerin beinahe zu perfekt ist.
In den Szenen auf dem Fußballplatz wird deutlich, dass hier Menschen am Werk waren, die den Fußballsport lieben, seine Mechanismen verstehen und mit viel Ideen und Kreativität einfallsreich vermitteln können. Hier wurden nicht nur schnelle Schnitte mit Bällen und Füßen aneinandergereiht, sondern sogar sehenswerte, durchdachte Spielzüge choreographiert. Man versteht, warum Rosi bereit ist, alles für diesen Sport zu geben, der von seinen Fans auch das „Beautiful Game“ genannt wird.
Obwohl der Film auch die Schattenseiten eines Teenager-Lebens nicht ausspart und mit großer Ernsthaftigkeit Themen wie Verlust, Vertrauen und Freundschaft behandelt, ist er in jeder Minute pures Gute-Laune-Kino. „Lioness“ strotzt geradezu vor Lebensfreude und positiver Energie. Und wäre dieser Film ein Fußballtrainer: Man könnte ihn mit Fug und Recht als „Motivationskünstler“ bezeichnen.
Gaby Sikorski