Little Men

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Die veränderte Stadtstruktur New Yorks und die Wohnungsmarkt-Krise sorgen für einen Streit zwischen einem Hausbesitzer und einer Mietern. Zwischen die Fronten geraten deren Söhne, die zu besten Freunden werden. Regisseur Ira Sachs vermengt in seinem einfühlsamen Film eine Coming-of-Age-Geschichte mit der Thematik der Gentrifizierung. Behutsam arbeitet er dabei die Ängste aller Betroffenen fein säuberlich heraus, ohne Partei zu ergreifen. Sachs präzise Beobachtungsgabe und die herausragenden Jungdarsteller machen „Little Men“ zu einem emotional mitreißenden Arthouse-Drama.

Webseite: www.salzgeber.de/kino/

USA 2016
Regie: Ira Sachs
Drehbuch:  Ira Sachs, Mauricio Zacharias
Darsteller: Greg Kinnear, Paulina Garcia, Theo Taplitz, Michael Barbieri, Jennifer Ehle
Länge: 85 Minuten
Verleih: Salzgeber & Company Medien
Kinostart: 02. März 2017

FILMKRITIK:

Nach dem Tod des Vaters, erbt Brian (Greg Kinnear) das Familienhaus in Brooklyn. Kurz darauf zieht er mit seiner Frau (Jennifer Ehle) und Sohn Jake (Theo Taplitz), in den New Yorker Stadtteil. Im Erdgeschoss des Hauses, betreibt Leonor (Paulina Garcia) eine kleine Boutique. Es dauert nicht lange und ihr Sohn Tony (Michael Barbieri), freundet sich mit Jake an. Alles könnte gut sein, wäre da nicht die Tatsache, dass Leonors Miete deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete liegt. Deshalb sieht sich Brian eines Tages gezwungen, diese um das Dreifache zu erhöhen. Ein Schock für Leonor, die nun um ihre Existenz bangen muss – und gleichzeitig der Beginn eines lange andauernden Konflikts. Zwischen die Fronten geraten ausgerechnet die beiden Jungs, die die ganze Aufregung nicht verstehen können.

Regisseur Ira Sachs ist ein Meister des gefühlvollen, zarten Dramas. In vielen seiner Filme legt er Sorgen und Nöte seiner Protagonisten, vor allem auch einen möglichen sozialen Abstieg betreffend, schonungslos offen. Das bewies er zuletzt mit „Liebe geht seltsame Wege“ (2014). Bereits damals griff er die Thematik der steigenden Lebenshaltungs- und Mietkosten im Big Apple auf. Exakt diese Thematik steht nun am Anfang des Grundkonflikts in „Little Men“. Seine Premiere erlebte das Werk auf dem Sundance Filmfestival 2016.

Auf sensible, empfindsame Weise lotet Sachs die beiden Sichtweisen aus, die an den Enden des immer weiter eskalierenden Mieter-Vermieter-Streits stehen. Dabei berücksichtigt er beide Positionen und vermeidet, klar Stellung zu beziehen. Die Handlungsmotivationen sowohl vom Vermieter als auch der Mieterin, erscheinen verständlich: auf der einen Seite des Streits steht Brian (Greg Kinnear mit seiner stärksten Leistung seit Jahren), der nicht akzeptieren will, dass seine Mieterin lediglich ein Fünftel dessen zahlt, was ortsüblich ist. Er ist bei Weitem kein schlechter Mensch, doch die Umstände der immer teurer werdenden Lebenshaltungskosten, zwingen letztlich auch ihn zu radikalen Maßnahmen.

Und dann ist da Leonor, die unter Brians Vater nie eine Mieterhöhung mitmachen musste. Eine Anpassung der Miete würde den Fortbestand ihres Ladens gefährden – und damit auch die Existenzgrundlage für sie und Tony. Sonderlich sympathisch erscheint Leonor nicht, zumal sie sich von Beginn an auf keinerlei Gespräch mit ihrem neuen Vermieter einlassen will. Nicht einmal anhören möchte sie sich die Anliegen und Vorschläge von Brian. Jedoch steht hinter ihrem Verhalten lediglich die große (und bei einer Mieterhöhung radikal reale) Angst, womöglich bald auf der Straße zu landen. Paulina Garcia agiert in der Rolle dieser Frau, die den sozialen Abstieg vor Augen hat, jederzeit glaubhaft und wahrhaftig.

Die Begegnungen zwischen den Konfliktparteien, sind gekennzeichnet von Hemmung, Unsicherheit und Ressentiments. Das wird schon bei der ersten Begegnung zwischen Brian und Leonor offensichtlich. Mit der Zuspitzung des zunehmend außer Kontrolle geratenden Zwists, verschärft sich der Ton, die Stimmung wird rauer. Erneut beweist Sachs hier sein Talent als akribisch genauer Beobachter zwischenmenschlicher Konflikte, der das Verhalten seiner Figuren genauestens seziert.

Der eigentliche Höhepunkt des Films aber sind die Jungdarsteller Michael Barbierin und Theo Taplitz. Dank ihres natürlichen Charmes und ihrer offenkundigen Spielfreude, gewinnen sie die Sympathien der Zuschauer spielend. Mit ihnen erleben wir die Höhen und Tiefen der frühen Pubertätsjahre, inklusive des beginnenden Interesses am anderen Geschlecht und der Auflehnung gegenüber den Eltern. Eltern, die sich wegen etwas streiten, wofür den Jungs – zum Glück – noch das notwendige Verständnis fehlt und das seit jeher viele Beziehungen und Freundschaften in die Krise stürzt: Geld.

Björn Schneider