Living Bach

Als inspirierende und gut gelaunte Reise um die Welt erzählt der Dokumentarfilm der Dokumentarfilmerin Anna Schmidt von der globalen Liebe zur Musik des großen Komponisten Johann Sebastian Bach. Dabei stehen 8 Persönlichkeiten aus 7 Ländern – es ist ein Schweizer Zwillingspaar dabei – exemplarisch für die globale Zuneigung und Verehrung, die Bach heute entgegengebracht wird. Das Bachfest 2022 in Leipzig mit dem Motto „We Are FAMILY“ wird zum gemeinsamen Zielort und zum Höhepunkt sowohl für die Protagonisten als auch für diesen unterhaltsamen Film.

Webseite: https://www.weltkino.de

Dokumentarfilm
Deutschland 2023
Drehbuch und Regie: Anna Schmidt
Kamera: Axel Schneppat

Länge: 114 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 30. November 2023

FILMKRITIK:

Gleich zu Beginn werden die einzelnen Protagonisten vorgestellt: ihr Alltag, ihre Familie, ihr Beruf und natürlich ihre große Liebe: die Musik von Johann Sebastian Bach. Den Anfang macht David Portillo aus Asunción in Paraguay, eigentlich ein bekannter Singer-Songwriter, der als Mitglied der Bach-Gesellschaft Paraguays in einem Amateur-Chor mitsingt. Weiter geht es mit Lee Hai Lin, einer Kaffeehausbetreiberin aus Kuala Lumpur in Malaysia. Auch für sie gehört Bachs Musik untrennbar zu ihrem Leben, und sie sagt, Bach sei wie die Beatles: Es ist unmöglich, ihn nicht zu lieben. Sie spielt Violine, und sie hat mit einem Freund aus einem Bausatz mit unendlich vielen Teilen in monatelanger Kleinarbeit ein komplettes, funktionsfähiges Cembalo gebaut. In Australien lebt Bianca Porcheddu. Als Violinistin ist sie Mitglied im Bach-Ensemble von Canberra und arbeitet hauptberuflich als Lehrerin. Bei einem Besuch in einer ehemaligen deutschen Missionarssiedlung lernt sie den vielleicht ungewöhnlichsten Bach-Chor der Welt kennen: Im Ntaria Ladies Choir wird seit über 150 Jahren Bach in der regionalen Sprache der indigenen Bevölkerung gesungen. Die Palliativ-Krankenschwester Jesse Gehman singt, seit sie denken kann. Bachs Musik zu singen, bedeutet für sie die beste Therapie. Thabang Modise ist IT-Techniker in Südafrika und singt im Johannesburg Bach Choir. Für ihn hat Bachs Musik die Macht, Menschen überall auf der Welt zusammenzubringen. Die beiden Zwillingsschwestern Annalisa und Désirée aus der Schweiz sind beide im Berner Bachchor, Annalisa singt und Désirée spielt Cello. Johann Sebastian Bachs Musik ist für die beiden sozial sehr engagierten Frauen die große Konstante in ihrem Leben. Kazuko Nawata lebt in Japan. Die Sopranistin liebt Cosplay und tritt am liebsten in Barockkostümen auf, wenn sie mit ihrem Bach-Ensemble unterwegs sind.

Was zunächst wie eine unterhaltsame Nummernrevue über alle Kontinente und durch viele verschiedene Kulturen wirkt, entwickelt sich bald zu einer emotionalen Reise, die auf einen sehr schönen und unerwarteten Höhepunkt zusteuert. Nachdem die einzelnen Protagonistinnen und Protagonisten vorgestellt wurden, ohne dass so richtig klar ist, was der Film eigentlich bezweckt, außer dass es um Bachs Musik geht, wird die kleine Überraschung entkorkt: Alle Acht werden nach Leipzig reisen, um dort anlässlich des Bachfestes 2022 mit dem Motto „We Are FAMILY“ gemeinsam zu singen. Weltweit gibt es, so die sparsamen Inserts im Film, mehr als 300 Bach-Chöre und -Ensembles, in denen meistens Laien musizieren. Das Bachfest 2022 brachte 55 davon zusammen, die voller Stolz und Freude an Bachs Wirkungsstätte auftreten durften. Doch Anna Schmidt hat mit der geschickten Auswahl ihrer sympathischen Protagonistinnen und Protagonisten noch mehr geschafft als eine auch musikalisch beeindruckende Fusion vieler Einzelstimmen zu einem großen Ganzen: Sie geht auf die Suche nach der magischen Macht der Musik. Was treibt die Menschen an, die sich überall auf der Welt für die Werke Bachs begeistern und die in seiner Musik Trost und Hoffnung finden? All diese Menschen leben und atmen Bach – „living Bach“, wie der Titel schon sagt, doch was ist das Besondere an seiner Musik? Anna Schmidt findet Antworten darauf und gestaltet ihre Suche nach dem „Homo bachiensis“ mit so viel Liebe und Sensibilität, dass die verbindende Kraft der Bach’schen Klänge immer deutlicher wird – wie ein Plädoyer für den Frieden.

 

Gaby Sikorski