Fürs Kino ist der Name Eric Besnard nach so vielen wunderbaren Filmen allein in den letzten Jahren so etwas wie eine Garantie für gute, niveauvolle Unterhaltung – und wenn es so etwas gäbe wie eine Sterneküche für Filme, dann hätte er die drei Sterne sicher, die der berühmte Guide Michelin nur an absolute Spitzenrestaurants vergibt.
Auch sein neuer Film über eine engagierte Lehrerin, die Mitte des 19. Jahrhunderts die Schulbildung in ein kleines französisches Provinzdörfchen bringt, ist ein echtes Highlight des Kinofrühlings: wunderschön anzusehen, großartig gespielt und mit einer kraftvollen Aussage.
Über den Film
Originaltitel
Louise Violet
Deutscher Titel
Louise und die Schule der Freiheit
Produktionsland
FRA,BEL
Filmdauer
108 min
Produktionsjahr
2024
Produzent
Rossignon, Christophe / Boëffard, Philip
Regisseur
Besnard, Eric
Verleih
Neue Visionen Filmverleih GmbH
Starttermin
10.04.2025
Louise Violet kommt aus Paris, direkt aus der Metropole, nicht ganz freiwillig, aber auf jeden Fall mit den besten Vorsätzen. Im unwirtlichen Hochland Frankreichs sieht sie sich schnell mit einer vorwiegend sehr armen Landbevölkerung konfrontiert. Der Fleiß, mit dem die Kleinbauern ihr Land bestellen und ihre Tiere hüten, nützt ihnen nicht viel, für die meisten reichen die Einnahmen gerade so zum Überleben – zum Leben zu wenig, zum Sterben zu viel. Schon die kleinen Kinder sind es gewöhnt mitzuarbeiten und sie schuften beinahe so viel wie die Eltern. Mit Bildung hat hier kaum jemand etwas im Sinn, weder die Kinder noch die Erwachsenen können lesen und schreiben und kaum jemand interessiert sich dafür. Doch Louise Violet, die sich erstmal einen Kuhstall inklusive Kuh Madeleine zum Klassenzimmer umbauen muss, kann auf ihre sanftmütige Art sehr sturköpfig sein. Wochenlang wartet sie geduldig auf ihre Kundschaft, doch kein Kind lässt sich blicken. Glücklicherweise wird sie von Joseph, dem Bürgermeister des Dorfes, unterstützt. Dank seiner Hilfe und durch zahllose Besuche bei Familien in der gesamten Umgebung kann Louise dann doch eines Tages mit dem Schulunterricht beginnen, und siehe da: Es geht schnell aufwärts, und es gelingt Louise, nicht nur die Herzen der Kinder zu gewinnen, sondern auch die Eltern zu beeindrucken. Doch es ist nicht alles Friede, Freude und Omelette, denn Louise wird von einigen mit großem Misstrauen beäugt und verfolgt. Dass der Postbote ihre Briefe liest und den Inhalt im Dorf weitertratscht, setzt in Kombination mit Neid, Missgunst und Eifersucht eine Lawine in Gang, die Louise bald nicht mehr alleine stoppen kann.
Die großartige Alexandra Lamy („Das Zimmer der Wunder“) spielt die beherzte Lehrerin Louise mit mutigem, klaren Blick sehr würdevoll als Frau mit einem großen Geheimnis – es geht um ihre Vergangenheit und um ihre Familie. Dafür tritt Alexandra Lamy sehr uneitel als unauffällige, beinahe verhärmt wirkende Frau auf, die sich vor allem durch ihr Verhalten von der Dorfbevölkerung absetzt. Sie ist (fast immer) gelassen und souverän, und diese Sicherheit kommt großenteils aus ihrer Bildung. Alle diese Eigenschaften machen sie in den Augen der Waschweiber des Dorfes verdächtig, und Louise wird zum Ziel einer Hetzkampagne der Waschweiber, die einen regelrechten Shitstorm aufgrund von Halbwahrheiten und Fake News über sie entfachen. Das erinnert dann fatal an heute, wo sich gerade mutige Frauen ebenfalls häufig gegen Angriffe wehren müssen. In Louises Falle spielt auch die Angst vor Veränderungen eine wichtige Rolle – die Eltern fürchten, dass ihre Kinder klüger werden könnten als sie selbst, aber beinahe noch mehr fürchten sie Louises freiheitliche Gesinnung, die vom Frühsozialismus beeinflusst ist. Alexandra Lamy spielt sehr präsent und mit leiser Melancholie diese Frau, die weiß, dass sie ihrer Zeit voraus ist. Ihr Gegenspieler und gleichzeitig ihr Förderer (und mehr oder weniger heimlicher Verehrer) ist Grégory Gadebois, der bei Eric Besnard zuletzt in „À la carte – Freiheit geht durch den Magen“ zu sehen war, setzt hier wieder seinen gesamten, nicht unbeträchtlichen Teddybären-Charme ein und gibt dem Joseph eine durchaus ambivalente, interessante Persönlichkeit. Seine Bemühungen, Louises Herz zu erobern, haben etwas liebenswert Drolliges, aber in diesem Film geht es gar nicht um die Liebe, sondern im Vordergrund steht der Kampf gegen Ignoranz und Unwissenheit, geprägt von klassischen humanistischen Werten, die heute nicht mehr selbstverständlich sind. All das wird mit einer optimistischen Grundhaltung serviert. Dass Eric Besnard seine starke politische Aussage und seine Botschaft von Sinn und Nutzen der Bildung in wunderschöne Bilder hüllt, macht den Film ebenso zum Ereignis wie das kluge, von leisem Humor erfüllte Drehbuch und die generelle Leichtigkeit, für die er bekannt ist und mit der er auch diesmal inszeniert hat. Alle Filme von Eric Besnard haben dieses gewisse Etwas: ein kleiner Kick zusätzlich für Herz und Verstand, der die Menschen bewegt und unvergesslich bleibt. Und so ist es auch diesmal: Chapeau, Monsieur Besnard!
Gaby Sikorski