Love, Cecil

Zum Vergrößern klicken

Queen Elizabeth II., Mick Jagger, Marilyn Monroe, Audrey Hepburn … er hat sie alle abgelichtet, aber wer kennt den Namen des Fotografen? Lisa Immordino Vreelands Dokumentation über Sir Cecil Beaton wirkt nur auf den ersten Blick klein und bescheiden. Tatsächlich ist ihr Film eine ausgefuchst elegante, liebevoll zusammengestellte Hommage an einen großen Künstler, der mit der Ausstattung und den Kostümen zu „My Fair Lady“ und „Gigi“ unsterbliche Filmwerke mit erschaffen hat.

Webseite: www.studiocanal.de

USA 2017 - Dokumentation
Buch und Regie: Lisa Immordino Vreeland
Kamera: Shane Sigler
Länge: 98 Minuten
Verleih: Studiocanal
Kinostart: 12. Juli
 

FILMKRITIK:

Auf frühen Fotos sieht man einen melancholischen, hübschen Jungen mit traurigen Augen. Er sieht ein bisschen verloren aus. Und so hat er sich vermutlich auch gefühlt. Geboren 1904 als Sprössling einer großbürgerlichen englischen Familie, leider – wie er später bedauern wird – ohne Adelstitel, aber immerhin mit einem großen Haus im vornehmen London-Hampstead. Cecil liebt es, sich zu verkleiden und zu schminken. Zum Ärger seines Vaters will er zum Theater gehen, statt Kaufmann zu werden. Um die Fassade für die Familie zu wahren, beginnt er ein Studium, das er bald abbricht, allerdings findet er in Cambridge Zugang zu einer Gruppe von jungen Leuten, die für damalige Verhältnisse ziemlich ausgeflippt sind. Mit ihnen teilt er seine Vorliebe für Kostümierungen und originell ausgestattete Partys.

Schon vorher hat er mit der Fotokamera experimentiert – oft sind es seine beiden Schwestern, die er in für damalige Zeiten recht gewagten Posen festhält. Er arrangiert kunstvolle Fotosessions, besessen von Schönheit und Ästhetik, und er entwickelt sich immer mehr zum Dandy – stets extrem elegant und stylish gekleidet. „Alles an ihm hatte Stil, war Stil“, sagt einer seiner Weggefährten. Es dauert nicht lange, und Cecil Beaton wird ein Mitglied der High Society, vielleicht nur, weil er so aussieht, als würde er dazugehören. Er steigt auf, sein Name wird bekannt. Er macht Glamourfotos, geht in die USA und fotografiert für die „Vogue“.

Neben dem Fotografieren schreibt er viele Bücher, malt und zeichnet, er entwirft Mode und Bühnenbilder, ein echtes Multitalent. Nach Aussage seiner Weggefährten ist er allerdings niemals zufrieden mit seinen Werken. Er muss viele Tiefs wegstecken – mit seinem Temperament und seinem losen Mundwerk, aber auch mit seiner Arroganz verdirbt er sich vieles, macht sich Feinde und verliert Jobs. Für das Kostümdesign von MY FAIR LADY erhält er einen Oscar, er fotografiert die großen Stars, die seinen typischen Cecil-Beaton-Touch ebenso schätzen wie seinen Perfektionismus. Im Alter wird er sich als „unverbesserlich homosexuell“ bezeichnen, aber den größten Teil seines Lebens muss er seine Neigung verbergen. Die unglücklichen Liebesbeziehungen begleiten ihn bis ans Totenbett. Er stirbt 1980.

Cecil Beaton war stilbildend für die Mode- und Porträtfotografie. Privat und persönlich war er eine offenbar ambivalente, polarisierende Persönlichkeit. Lisa Immordino Vreeland erzählt sein Leben als Geschichte des 20. Jahrhunderts: die Wilden Zwanziger, der Zweite Weltkrieg, die Nachkriegszeit in Großbritannien, als Cecil Beaton Hoffotograf wurde und bei den Windsors ein- und ausging. Zahllose Fotos, Zeichnungen, Film- und Tonaufnahmen werden präsentiert, die Fotos, die Filmausschnitte, Zeichnungen, Gemälde … die Regisseurin rückt dem Mann hinter dem Gentleman immer näher. Seine bittersüßen Tagebucheinträge, wunderbar gesprochen von Rupert Everett, dokumentieren seine vergeblichen Träume und zerstörten Hoffnungen. Sie zeugen von Hochmut und von Unsicherheit.

Ganz unauffällig und zunächst beinahe kaum wahrnehmbar spielt Lisa Immordino Vreeland mit Effekten: Fotos erwachen zum Leben, Zeichnungen werden weitergemalt. Das hat etwas Spielerisches und passt zu Cecil Beatons Werken, in denen er sich eine wunderschöne Welt baut, die ihm deutlich besser gefällt als die echte. Er bleibt ein Suchender, sein Ziel heißt Perfektion. David Hockney kommt zu Wort, die Schauspielerin Leslie Caron und immer wieder Cecil Beaton selbst, in Fernsehinterviews oder im Radio. Man sieht ihn älter werden – der eitle Künstler verliert seine Haare, aber nicht seine Ironie. Er spricht über seine Feinde und wen er alles hasst – es ist eine lange Liste von Prominenten. Immer mehr entpuppt er sich als scharfzüngiger Dandy, freundlich gesagt: ein Oscar Wilde des 20. Jahrhunderts, etwas moderner, aber kaum weniger spöttisch. Sein Tagebuch wird zum Katalysator, eine Katze zum einzigen Freund, der Butler zum Vertrauten. „Was ist, wenn jemand ein Träumer ist?“, fragt der Mann, der niemals geliebt wurde, am Ende.

Gaby Sikorski