Als losen Abschluss einer Trilogie mag man „Love is a Dog from Hell“ bezeichnen, ein Experimentalfilm des philippinischen Regisseurs Khavn. Material aus diesem Film fand sich schon in Alexander Kluges „Happy Lamento“ und Khavns eigenen „Orphea“, der den griechischen Mythos auf den Kopf stellte. Hier geht es weiter in einem wilden, wirren Exzess, der mal laienhaft wirkt, mal Bilder von erstaunlicher Schönheit hervorbringt.
Asong Impiyerno Ang Pag-Ibig
Philippinen/ Deutschland 2022
Regie: Khavn
Buch: Douglas Candono & Khavn
Darsteller: Lilith Stangenberg, Ian Madrigal, Michael Coroza
Länge: 90 Minuten
Verleih: Rapid Eye Movies
Kinostart: 2. November 2023
FILMKRITIK:
Weit über einhundert kurze und längere Spielfilme hat der philippinische Künstler Khavn de la Cruz in den letzten Jahrzehnten gedreht, darunter manche, die (relativ) klare, stringente Geschichten erzählen und einen gewissen Eindruck auf internationalen Filmfestivals hinterlassen haben. „Ruined Heart“ oder „Mondomanila“ wären hier zu nennen, Filme, die tief in die Subkulturen, den Underground der philippinischen Haupstadt Manila eintauchen und sich einer Ästhetik bedienen, die irgendwo zwischen Punk und Psychedelia angesiedelt ist.
Immer wieder wirkten schon diese – zumindest in Khavns Werk - konventionelleren Filme wie durchgedrehte Orgien, bei denen Khavn und seine Mitstreiter jeden absurden, im Drogenrausch herbeiphantasierten Einfall filmten und daraus einen mehr oder weniger kohärenten Film schnitten. Immer wieder fühlte man sich bei diesen Filmen als Zuschauer in etwa wie ein später, noch nüchterner Gast einer Party, die schon längst ein besonderes Maß an Exzess erreicht hat.
Ein Effekt, der sich in „Orphea“ und seinem nun ins Kino kommenden Gegenstück „Love is a Dog from Hell“ verstärkt einstellt. Lose, sehr lose variiert Khavn in diesem filmischen Doppel den antiken Mythos von Orpheus, der in der Unterwelt nach seiner Geliebten Eurydike sucht, sie mit seinem Gesang befreit, aber nur unter der Bedingung, sie nicht ansehen zu dürfen. In Khavns Version ist Orpheus nun eine Frau, gespielt von der deutschen Schauspielerin Lilith Stangenberg, die aktuell als eine Art Muse von Khavn zu agieren scheint.
Neben Rollen in Kinofilmen – zuletzt etwa dem Historienfilm „Seneca“ – wurde Stangenberg durch ihre Auftritte an der damals noch von Frank Castorf geleiteten Volksbühne bekannt, wo sie in den legendär gewordenen Stücken des Regie-Berserkers oft über mehrere Stunden weniger spielte, als auf der Bühne lebte.
Einen ähnlichen Ansatz scheint nun auch Khavn verfolgt zu haben, der Stangenberg an immer abstruseren, abgründigen Orten filmt, wie sie schreit, durch den Matsch schleift, Gitarre spielt, halbnackte Gestalten betört und immer wieder singt. Was Stangenberg ebenso wenig beherrscht wie Tagalog, die gebräuchlichste Sprache auf den Philippinen, was dem Treiben oft einen durch und durch amateurhaften Touch, manchmal auch Charme verleiht.
Das viele der Bilder aus „Love is a Dog from Hell“ schon aus „Orphea“ und dem von Alexander Kluge gedrehten Essayfilm „Happy Lamento“ bekannt sind, lässt dieses jüngste Khavn-Werk ein wenig wie eine Resterampe erscheinen, bei der mit wenig Aufwand ein weiterer Film produziert wird. Oder als konsequentes Weiterdenken einer experimentellen künstlerischen Praxis, deren Qualitäten Stangenberg in einem Interview so beschrieb: „Mir gefallen oft Sachen, die eher „hingerotzt“ aussehen, als wären sie aus einer Bewegung heraus entstanden. Dahinter kann ja auch ein großer Perfektionismus stehen..“ In diesem Sinne mag man Khavns „Love is a Dog from Hell“ als eine Art lebende Performance betrachten, als Film, der sich ganz dem Experiment und dem Moment hingibt, sich nicht von einer konventionellen Handlung leiten lässt, sondern von visuellen, akustischen und anderen Einfällen. Zugänglich ist das nicht immer, eindringlich und speziell aber jederzeit.
Michael Meyns