Love Life – Liebe trifft Leben

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Eine Art romantisches Krebsdrama ist „Love Life“, ein in den Niederlanden überaus erfolgreicher Film, basierend auf einem in Deutschland als „Mitten ins Gesicht“ bekannten autobiographischen Roman. Darin beschreibt der Werbeprofi Stijn sein ausschweifendes Leben, dessen außereheliche Affären auch nicht durch die Nachricht von der Brustkrebserkrankung seiner Frau gestoppt werden. Ein interessanter Film mit einem problematischen Helden.

Webseite: www.lovelife-film.de

OT: Komt een vrouw bij de dokter.
Niederlande 2009
Regie: Reinout Oerlemans
Buch: Gert Embrechts, nach dem Roman „Mitten ins Gesicht“ von Kluun
Darsteller: Barry Atsma, Carice van Houten, Anna Drijver, Jereon Willems, Sacha Bulthuis, Pierre Bokma
Länge: 110 Minuten
Verleih: Camino Filmverleih/ Vertrieb: Fox
Kinostart: 29. September 2011

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

Viele Filme beschreiben schwere, tödliche Krankheiten, doch der Fokus liegt meist auf der leidenden, sterbenden Person selbst. Welche Folgen die Erkrankung, der nahende Tod eines geliebten Menschen auf dessen Umgebung hat, dass ist das Thema von „Love Life – Liebe trifft Leben.“ Es ist die Verfilmung des autobiographischen Romans, den der Amsterdamer Werbekaufmann Raymond van de Klundert unter dem Pseudonym Kluun veröffentlichte. Das kontroverse an Roman und Film ist nun, dass die Hauptfigur Stijn nicht einfach beschreibt, wie sie mit der Nachricht umgeht, dass seine Frau Carmen an unheilbarem Brustkrebs erkrankt ist. Sondern dass er vollkommen ungeschönt und mit drastischen Worten sein exzessives Fremdgehen schildert, das auch dann nicht nachlässt, wenn Carmen erst Chemotherapie, dann Bestrahlung und schließlich gar die Amputation ihrer Brust über sich ergehen lassen muss.

Was sich auf den ersten Blick wie ein ziemlich unsympathischer Charakter anhört, entwickelt sich im Laufe der Erzählung zu einer erstaunlich komplexen Figur. Denn die andere Seite von Stijns manischem, um nicht zu sagen krankhaftem Fremdgehen, ist seine ungebrochene Liebe zu Carmen. In allen Phasen der Krankheit steht er ihr bei, erträgt ihre zunehmend labile Verfassung mit großer Gleichmut und bleibt bis zum letzten Moment an ihrer Seite. Nicht umsonst nennt Regisseur Reimound Orlemans seinen Film eine Ode an die Liebe, wenngleich es fraglos eine extremere Form der Liebe ist, als sie etwa ein Hollywood-Film wagen würde. (Ein amerikanisches Remake dieses Films ist also nicht zu befürchten.)

Es ist ein Wagnis, eine so problematische, ambivalente Figur in den Mittelpunkt eines Films zu stellen, ein Wagnis, das nur bedingt gelungen ist. Größtes Problem ist die Erzählperspektive. Buch wie Film sind aus der Sicht Stijns geschrieben, der in unverblümten Sätzen, in nonchalantem Voiceover, seine Weltsicht verbreitet. Fremdgehen wird da mit Nasebohren verglichen, von Brüsten jeglicher Couleur geschwärmt, das Nachtleben Amsterdams in den tollsten Farben geschildert. Und in ebenso tollen, leuchtenden Farben visualisiert. Im Gegensatz zu den dezenten, zurückhaltenden Seiten eines Buches, die erst in der Phantasie des Lesers zum Leben erwachen, ist ein Film natürlich viel direkter. Erst recht einer, der wie dieser in glatten Breitwandbildern in der Oberflächlichkeit der Werbeindustrie schwelgt, schöne Anzüge, Autos und Frauen in den Mittelpunkt stellt, in dem ästhetische Menschen sehr viel ästhetischen Sex haben. Nach Szenen des ungezügelten Hedonismus zu einem anrührenden Krebsdrama zu werden, ist nicht leicht und gelingt auch „Love Life“ nur bedingt. Etwas zu überzeugend wird Hauptdarsteller Barry Atsma anfangs als Widerling gezeigt, als das sein Wandel zu einem liebevollen, seine dahin siechende Frau pflegenden Ehemann wirklich überzeugend sein könnte.

Auf Dauer zerfällt der Film etwas in seine Teile, die mal mehr, mal weniger glaubwürdig erscheinen. Vor allem das überzeugende Spiel der Hauptdarsteller – neben Barry Atsma Carice van Houten als sehr glaubwürdig Leidende – lässt „Love Life“ bei allen erzählerischen Unstimmigkeiten gerade zum Ende, wenn Carmen auf dem Sterbebett liegt, zu einem anrührenden Film werden, der sein Thema auf interessante, ambitionierte Weise angeht.

Michael Meyns

Stijn ist in Amsterdam ein erfolgreicher Werbefachmann und ein ebenso erfolgreicher Macho. Es fällt ihm denn auch nicht schwer, die schöne Carmen, die eines Tages in seinem Büro auftaucht, zu verführen. Stijn will diese Frau. Rasch wird geheiratet, und bald kommt auch schon die kleine Luna auf die Welt.

Stijn macht einen Seitensprung nach dem anderen; Carmen toleriert das, solange sie es ist, die er liebt.

Von einer Geschäfts(und Vergnügungs)-Reise zurück wird Stijn mit einer schlimmen Nachricht geschockt: Carmen hat Brustkrebs. Also Chemotherapie, Bestrahlungen, Entfernung einer Brust. Stijn widmet sich ihr – aber auch Roos, einer Malerin.

Guter Bescheid: Carmen ist geheilt. Allerdings kriselt es jetzt in der Ehe. Eine Reise in die Südsee soll Abhilfe schaffen.

Wieder nichts. Stijns und Rooses Sexbeziehungen gehen trotz aller Versuche, die Ehe zu retten, weiter.

Rückfall bei Carmen. Metastasen in der Leber. Jetzt wissen alle, dass sie nicht mehr lange zu leben hat. Stijn hütet und pflegt sie, leidet auch mit ihr, gibt aber sein Sexleben mit Roos erneut nicht auf.

Erst nach einem Autounfall erkennt er, dass er zu Carmen gehört. Zu spät.

Gibt es so etwas? Offensichtlich. „Nach einer wahren Begebenheit“ heißt es dazu. Bewegend und in vielem wirklich wird die Krankheits- und Verzweiflungsgeschichte Carmens geschildert und von Carice van Houten äußerst intensiv gespielt.

Gut spielt auch Barry Atsma, der den Stijn verkörpert. Aber was für ein Mann, was für ein Schlappschwanz!. Kein Vorbild, wenn auch eine wirkungsvolle dramatische Figur. Immerhin kämpft er mit sich und seiner Veranlagung.

Regieleistung, Montage und Atmosphäre liegen auf jeden Fall über dem Durchschnitt. Grundlage ist der Erfolgsroman „Mitten ins Gesicht“ von Raymond van de Klundert.

Und Roos? Sie ist attraktiv, ist die Geliebte, das Sexobjekt. Nicht sofort, erst nach einiger Zeit erliegt sie dem zügellosen Drängen Stijns.

Krankeits-, Leidens- und Leidenschaftsgeschichte in einem ménage à trois.

Thomas Engel