Lucky Day

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In den 90er Jahren war Roger Avary eine der großen Stimmen des amerikanischen Independent-Films, danach verschwand er jedoch. Dann meldete er sich mit „Lucky Day“ zurück, einer Art Sequel zu seinem Kultfilm „Killing Zoe“. Hier kommt ein Mann aus dem Knast, will nur ein normales Leben mit Frau und Kind führen, wird jedoch von einem irren Killer verfolgt. Das Ganze mutet dabei reichlich aus der Zeit gefallen an.

Website: https://buschmediagroup.de/en/portfolio/lucky-day-2/

Lucky Day
USA 2019
Regie: Roger Avary
Buch: Roger Avary
Darsteller: Luke Bracey, Nina Dobrev, Crispin Glover
Länge: 99 Minuten
Verleih: Busch Media Group
Kinostart: 14. September 2023

FILMKRITIK:

Red (Luke Bracey) wird nach zwei Jahren Haft aus dem Gefängnis entlassen. Er kehrt zu seiner Frau Chloe (Nina Dobrev) zurück, die als Künstlerin just an dem Tag eine Ausstellung hat. Leider ist der Galerist reichlich aufdringlich. Red wiederum hat Probleme mit seinem Bewährungshelfer und quer durch die Stadt zieht der Killer Luc (Crispin Glover) eine Schneise des Todes. Er sucht Red.

Zuletzt inszenierte Roger Avary im Jahr 2018 einen Film in Frankreich. Und davor: „Die Regeln des Spiels“ im Jahr 2002. Zu der Zeit hatte er sich mit Quentin Tarantino schon über- und ihm vorgeworfen, dass er ihm die Ideen klauen würde. Ein knappes Jahrzehnt später fand sich Avary im Gefängnis wieder. Wegen Fahrens unter Drogeneinfluss und Totschlags wurde er zu mehr als einem Jahr Haft verurteilt. In der Zeit schrieb er „Lucky Day“ – den Titel hatte er als mögliches Sequel zu „Killing Zoe“ schon Mitte der 90er Jahre ins Spiel gebracht. Er sieht den Film auch als eine Art Fortsetzung und hat die Namen seiner Hauptfiguren an die des anderen Films angelehnt. Aus Zed wurde Red, aus Zoe wurde Chloe.

Produziert wurde „Lucky Day“ von Samuel Hadida, der vor Fertigstellung im Jahr 2018 verstarb und der in der Nachspannsequenz zu sehen ist. Er war so etwas wie ein Förderer von Avary und wohl maßgeblich dafür, dass der Autor und Regisseur diesen Film überhaupt machen konnte. Es ist ein merkwürdiges Biest, das Avary hier abgeliefert hat. Man hat das Gefühl, als hätte der Film ein Vierteljahrhundert in einer Zeitkapsel gelegen und sei dann erst wiederentdeckt worden. Alles an „Lucky Day“ schreit 90er Jahre. Das mag ein inszenatorischer Kniff sein, weil Avary auch auf allzu moderne Elemente verzichtet – das Handy, das hier vorkommt, ist schon ein eher älteres Modell –, das könnte aber auch ein Zeichen dafür sein, dass er sich als Künstler nicht weiterentwickelt hat.

Im Lauf seiner Karriere hat er häufig beklagt, dass „Pulp Fiction“ ein Fluch sei, weil fortan jeder Film, der in eine ähnliche Richtung ging, als von ihm inspiriert angesehen wurde. Das gilt nun auch erneut, denn „Lucky Day“ ist vor allem ein Trip in die Vergangenheit. Wer die Filme, die im Fahrwasser von Tarantinos Erfolg kamen, schätzt, wird auch bei diesem hier seine Freude haben. Weil die Dialoge das Nichtige und das Absurde zelebrieren, weil einige Szenen diesen Coolness-Faktor der 90er Jahren, aber auch, weil Crispin Glover mit seinem harten französischen Akzent eine echte Schau ist. Stark ist die Szene in der Bar, in der auch Tomer Sisley und Mark Dacascos dabei sind.

Avary nannte die Zeit im Gefängnis eine Offenbarung, weil sie als Disruptor fungierte, der ihn wieder schätzen lernen ließ, was er hatte. Diese Empfindung brachte er auch bei „Lucky Day“ ein, der unbedingt im Original zu empfehlen ist. Weil Avary manchen Figuren einen französischen Akzent gibt, anderen einen britischen – es ist ein Akzent-Kuddelmuddel, der zur Unwirklichkeit des Films beiträgt. Neben Glover die beste Figur ist übrigens Beatrice, die Tochter von Chloe und Red, die sich beharrlich weigert, englisch zu sprechen und nur noch französisch kommuniziert. Très chic.

Peter Osteried