Ludwig II.

Kunstfreund, Exzentriker, Idealist, Märchenkönig – für Bayerns legendären Monarchen Ludwig II. finden sich viele Kategorien und Schubladen. Doch wer war er wirklich? Unter Berücksichtigung historischer Fakten und neuer Informationen aus dem Hausarchiv der Wittelsbacher rekonstruiert nun ein aufwändiger Kinofilm das Leben eines schlussendlich gebrochenen Mannes. 40 Jahre nach Visconti entwerfen Peter Sehr und Marie Noëlle ein anderes Ludwig-Bild – persönlicher und zum Ende hin immer mutiger. Hauptdarsteller Sabin Tambrea mag bis dato für viele der einzige Unbekannte unter den mitwirkenden deutschen Schauspielgrößen gewesen sein. Nach diesem Auftritt, der angesichts der Popularität der Figur durchaus Mut verlangte, muss man ihn dazu zählen.

Webseite: www.ludwig2-derfilm.de

Deutschland/Österreich 2012
Regie & Drehbuch: Peter Sehr & Marie Noëlle
Darsteller: Sabin Tambrea, Sebastian Schipper, Edgar Selge, Hannah Herzsprung, Paula Beer, Friedrich Mücke, Justus von Dohnányi, Samuel Finzi, Tom Schilling, Gedeon Burkhard, Uwe Ochsenknecht
Laufzeit: ca. 140 Minuten
Kinostart: 27.12.12
Verleih: Warner

PRESSESTIMMEN:

Überraschend unterhaltsames Porträt des bayerischen Märchenkönigs, der lieber Schlösser baute und Richard Wagner förderte als zu regieren. Ludwigs Weg in den Wahnsinn wird nicht als Freak-Show inszeniert, sondern als echte Tragödie.
KulturSPIEGEL

...opulent und wunderbar ausgestattet... Ein sehenswertes Stück Geschichte.
BRIGITTE

FILMKRITIK:

Über Ludwig II. sind unzählige historische Abhandlungen, Studien, Filme und Dokumentationen verfasst worden. Viscontis streitbares, mit Helmut Berger in der Rolle des Monarchen besetztes Vier-Stunden-Werk zählt dabei zu den besonderen Versuchen einer Annäherung an den Mann, der schon zu Lebzeiten ein Mythos war. Bis heute geht von dem einstigen Landesvater Bayerns eine ungebrochene Faszination aus, die sich mit seinem Anderssein, seiner schillernden Persönlichkeit und nicht zuletzt seinem mysteriösen Tod erklärt. All diese Aspekte beleuchten auch die beiden Filmemacher Peter Sehr und Marie Noëlle in ihrem aufwändigen, ebenfalls an Originalschauplätzen abgedrehten Ludwig-Biopic, für das eine insgesamt achtjährige Vorbereitungszeit vonnöten war. Schon an diesem Vorlauf lässt sich ermessen, wie sorgsam der Film mit seiner Titelfigur und deren Leben umgehen möchte.

Dabei nähern sich Sehr und Noëlle dem oftmals nur als „Märchenkönig“ umschriebenen Ludwig zunächst unter Einhaltung der für eine derartige Biografie gängigen Konventionen. „Ludwig II.“ beginnt, wie man es erwarten durfte – sowohl formal als auch inhaltlich. Der Zuschauer wird Zeuge vieler bekannter Stationen im Leben des Monarchen. Im Alter von 18 Jahren besteigt dieser (welch Neuentdeckung: Sabin Tambrea) den Königsthron. Ludwig ist jung, ein Idealist und Schöngeist, dem die Förderung von Kunst und Kultur am Herzen liegt. Statt die eigene Armee aufzurüsten, setzt er sich für den Musikunterricht an Schulen ein. Den seinerzeit umstrittenen Komponisten Richard Wagner (Edgar Selge) holt er zu sich an den Hof. Bereits mit dieser Entscheidung bringt er wichtige Minister gegen sich auf. Ludwig kümmert das wenig. Er liebt Wagners Opern und ihre mythologische Kraft. Bald schon ist er jedoch gezwungen, sich ernsteren Entscheidungen zuzuwenden. Sein geliebtes Bayern droht, in einen Krieg mit Preußen verwickelt zu werden. Für Irritationen sorgt zudem die Absage der royalen Hochzeit mit seiner Cousine Sophie (Paula Beer) Herzogin in Bayern. Ludwig, der sich in Wahrheit nur zu Männern hingezogen fühlt, muss sich eingestehen, dass beide nur freundschaftliche Gefühle verbindet. Ohnehin gehört sein Herz längst seinem engen Vertrauten Richard Hornig (Friedrich Mücke).

So berechenbar die erstaunlich wenig folkloristisch inszenierte Geschichte in ihrer ersten Hälfte erscheint, so sehr wandeln sich im weiteren Verlauf Ton und Erzählstil. Plötzlich befinden wir uns in einem anderen Film, der immer mehr selbst nach einer Oper Wagners anmutet. Fast scheint es, als zerfalle die Narration in einzelne Bruchstücke. Ludwigs Idealismus ist da bereits einer tiefen inneren Verzweifelung gewichen. Während sein Bruder Otto (Tom Schilling) infolge eines schweren Kriegstraumas einen Zusammenbruch erleidet, zieht er sich aus München in die Berge zurück. Dort will er eine neue Welt nach dem Vorbild Louis’ XIV. errichten lassen. Mit Ludwigs Fortgang aus München verlagert Sehrs und Noëlles Film den Fokus ebenfalls weg von seiner Hauptfigur. Deren Auftritte werden zunehmend weniger, dafür stehen nun andere Charaktere wie der Ministerratsvorsitzender Freiherr von Lutz (Justus von Dohnányi) – einst ein enger Vertrauter Ludwigs – im Mittelpunkt. In diesem Perspektivwechsel spiegelt sich vor allem der schleichende Machtverlust des kunstverliebten Schöngeists, der im fernen München kaum mehr gebraucht wird.

Erst die letzten Szenen, in denen die Tragödie auf ihren Höhepunkt zusteuert, gehören wieder ganz einem gealterten und gebrochenen Ludwig, der nun, sichtlich fülliger, von Sebastian Schipper verkörpert wird. Die Entscheidung, zwei Schauspieler die Rolle spielen zu lassen, ist ungewöhnlich und mutig. Und sie ist richtig, kommt der Film so ohne oftmals alberne Make-up-Tricks aus. In dem Ausmaß wie der Wahnsinn Ludwig und seine Welt von außen wie innen bedroht, bewegen sich Sehr und Noëlle auf spannendes, unbekanntes Terrain vor. Zu großen Aufnahmen von Bilderkünstler Christian Berger und opulenten Wagner-Klängen entwickelt ihre sehr persönliche Ludwig-Biografie einen mitreißenden, emphatischen Sog. Das brave Format eines Fernsehfilms ist da längst durchbrochen. Diese Geschichte, so erzählt und in dieser herausragenden Besetzung, verdient einen Platz im Kino.

Marcus Wessel

.