Machines

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Im westindischen Staat Gujara hat Rahul Jain seine erste längere Dokumentation gedreht, die doppeldeutig „Machines“ heißt. Denn wer in den Räumen der indischen Textilindustrie eigentlich die Maschinen sind, die Geräte oder die Menschen, die unter schwierigsten Bedingungen für einen Hungerlohn arbeiten bleibt offen. Ein eindrucksvoller, eindringlicher Film.

Webseite: www.pallasfilm.de

Dokumentation
Indien/ Deutschland/ Finnland 2017
Regie: Rahul Jain
Länge: 71 Minuten
Verleih: Pallas Film
Kinostart: 9. November 2017

FILMKRITIK:

Die Konnotationen sind eindeutig: Wie ein Höllenschlund wirken die engen Räume, in denen die Teile der indischen Textilindustrie angesiedelt sind, die Rahul Jain in seiner Dokumentation „Machines“ zeigt. Es brodelt und zischt, Flammen schlagen aus Herden und drohen die Arbeiter zu verbrennen, ebenso wie das kochende Wasser. Dazu Dampfschwaden, die man zwar nicht riechen kann, von denen man aber ahnt, wie sehr sie stinken, wie ungesund sie sind, wie weit weg von vernünftigen, von Gewerkschaften und Regularien kontrollierten Arbeitsbedingungen das ist.
 
Für wen hier Kleidung hergestellt wird, ob für den einheimischen Markt oder einen internationalen Giganten bleibt offen, denn Jain hat für seinen ersten längeren, nur 71 Minuten langen Film eine betont spartanische Form gewählt, zumindest was seine eigene Position betrifft. Kein Kommentar ist zu hören, keine Einordnung der Situation, keine Musik, vor allem auch keine deutliche Kritik an dieser offensichtlich ausbeuterischen Arbeit. Aber ist sie das wirklich? Immer wieder lässt Jain Arbeiter zu Wort kommen, die sich zwar über die Härte der Arbeit, die unbezahlten Überstunden, die gelinde gesagt schwierigen Bedingungen beschweren, die aber auch betonen, dass sie freiwillig hier arbeiten, um Geld zu verdienen.
 
Doch wie freiwillig ist es wirklich, wenn man keine andere Wahl hat, als unter unmenschlichen Bedingungen zu arbeiten? Alternativen gibt es kaum, sich gegen die Arbeitsbedingungen aufzulehnen ist sinnlos, bei einem Volk, das längst über eine Milliarde Einwohner zählt, ist kein Mangel an Arbeitskräften. Gegen Ende ist dann auch doch ein Besitzer zu sehen, der keinerlei Mitleid mit seinen Angestellten zeigt, ihnen gar vorhält, weite Teile ihres Lohns nicht an die Familien in weit entfernten Regionen Indiens zu senden, sondern für Tabak, Alkohol und Prostituierte auszugeben.
 
Doch bevor „Machines“ zu ideologisch werden kann, bevor er in allzu dogmatische, allzu einfache Konstruktionen von Besitzer/Ausbeuter gerät, konzentriert sich Jain wieder auf die größte Qualität seines Films: Die bemerkenswerten Bilder. Zusammen mit seinem mexikanischen Kameramann Rodrigo Trejo Villanueva taucht Jain die Fabriken und Arbeiter in satte Farben, die ebenso an klassische Gemälde erinnern, wie an die stilisierten Bilder in den Filmen Michael Glawoggers. Zwar lässt er sie nicht so sehr für sich stehen, wie es der Österreicher in einem Film wie „Workingmans Death“ tat, riskiert damit nicht, dass ihm Ästhetisierung der Not vorgeworfen werden könnte.
 
Jain ist direkter, betont politischer, bezieht letztlich klar Stellung und prangert die miserablen Arbeitsbedingungen an. Doch ebenso sehr scheint ihm bewusst zu sein, dass auch er als Filmemacher in gewisser Weise von der Not der Arbeiter profitiert: Ohne sie hätte er kein Thema für seinen Film, schon gar nicht so ein eindringliches, bildgewaltiges. Gerade diese selbstreflexive Komponente trägt dazu bei, „Machines“ zu einem bemerkenswerten Film zu machen.
 
Michael Meyns