Märzengrund

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Freiheits- und Sinnsuche in der Stille der Berge – „Märzengrund“ erzählt die wahre Geschichte eines jungen Bauernsohnes, der die Last der elterlichen und gesellschaftlichen Erwartungen nicht mehr erträgt. Bis er radikal mit den traditionellen Werten des bäuerlichen Lebens bricht und sich für ein Leben im Einklang mit der Natur entscheidet. Der entschleunigt und langsam erzählte Film wirft wichtige Fragen unserer Zeit auf und präsentiert kraftvoll aufspielende Darsteller, die mit ihren Rollen verschmelzen.

Webseite: https://www.prokino.de/movies/details/Maerzengrund

Deutschland, Österreich 2021
Regie: Adrian Goiginger
Drehbuch: Adrian Goiginger, Felix Mitterer
Darsteller: Johannes Krisch, Jakob Mader, Verena Altenberger,
Gerti Drassl, Harald Windisch

Länge: 110 Minuten
Kinostart: 25.08.2022
Verleih: Prokino Filmverleih

FILMKRITIK:

Das Zillertal in den späten 60ern: Der 18-jährige Elias (Jakob Mader) ist der Sohn eines wohlhabenden, einflussreichen Großbauern. Entsprechend scheint sein Lebensweg vorherbestimmt: nicht mehr lange und Elias, der ein ausgezeichneter Schüler ist, soll in die Fußstapfen des Vaters treten und den Hof übernehmen. Doch der feinfühlige junge Mann leidet seelisch an dem Druck und den Erwartungen. Und an der Tatsache, dass seine Eltern Elias' große Liebe, die geschiedene Moid (Verena Alternberger), nicht akzeptieren.

Eine Depression sucht ihn heim, die ihn viele Wochen ans Bett fesselt. Um wieder zu Kräften zu gelangen, schickt sein Vater (Harald Windisch) ihn zur Auszeit auf die Hochalm „Märzengrund“ mitten in den Tiroler Alpen. Als seine Eltern ihn am Ende des Sommers allerdings abholen wollen, weigert sich Elias mit nach Hause zu kommen und zieht noch weiter in die Berge hinauf. Dort hofft er das zu finden, wonach er sich so lange sehnt: bedingungslose Freiheit.

Wie ist das Streben nach Entschleunigung und Entspannung mit der Hektik und dem Druck des Alltags zu vereinen? Wie stehen Freiheit und gesellschaftliche Anpassung zueinander? Und wie genau wollen wir eigentlich leben? Dies sind die Kernfragen, denen sich der 31-jährige Filmemacher Adrian Goiginger in seinem auf wahren Begebenheiten beruhenden Mix aus Aussteiger-Drama, Heimatfilm und Biografie widmet. Goiginger beweist durchaus Mut beim Bruch mit konventionellen Erzählweisen, wenn er sich etwa gegen die Chronologie der Geschehnisse und zeitlichen, gewohnt linearen Abfolge entscheidet.

Darüber hinaus zeichnet er ein direktes, unverfälschtes Bild vom harten, einfachen Landleben, dem bäuerlichen Alltag und den Verpflichtungen, die mit dem Betrieb eines (Familien-) Bauernhofs einhergehen. Auch bei der Wahl seines Casts zeigt er ein ausgezeichnetes Gespür für die richtige Besetzung und charismatische, unverbrauchte Schauspieler.

Das gilt vor allem für Hauptdarsteller Jakob Mader, der als sensibler junger Mann, dem das einengende Leben auf dem elterlichen Hof die Luft zum Atmen raubt, brilliert. Mader agiert mit unbändiger Energie und aufopferungsvoller Willenskraft. Die Szenen, die ihn inmitten der Natur der Hochalm zeigen, sind von Kraft und Wahrhaftigkeit geprägt. Sie verdeutlichen, wie Elias in den einsamen Bergwelten zu sich findet und regelrecht aufblüht: beim direkten Kontakt mit den Tieren, dem befreienden (Nackt)Bad im Bergsee, beim Genießen des betörenden Ausblicks auf die Berge und Hänge der Zillertaler Alpen.

Über einige Personen, denen Goiginger leider zu wenige Szenen zugesteht, hätte man gerne mehr erfahren. Darunter Elias nachsichtige Schwester (ausdrucksstark: Annalena Hochgruber) und die geschiedene Moid. Auch bemüht „Märzengrund“ hin und wieder zu viele abgenutzte, altbekannte Metaphern sowie bildhafte Entsprechungen, darunter einen umherkreisenden Greifvogel, der für Elias Freiheitswille und die Sehnsucht nach Abgeschiedenheit und Ruhe steht.

 

Björn Schneider