Maestro

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Schon in seinem Debütfilm „A Star is Born“ standen die Musik und die Liebe im Mittelpunkt und so ist es auch in Bradley Coopers zweitem Film „Maestro“, in dem Cooper selbst den legendären amerikanischen Komponisten und Dirigenten Leonard Bernstein spielt, der ein Leben voller Widersprüche führte, oft mehr wollte, als er und seine Umgebung aushielten und zu einem der ganz großen der amerikanischen Kultur aufstieg.

USA 2022
Regie: Bradley Cooper
Buch: Bradley Cooper & Josh Singer
Darsteller: Bradley Cooper, Carey Mulligan, Matt Bomer, Maya Hawke, Sarah Silverman, Sam Nivola, Alexa Swinton, Michael Urie

Länge: 129 Minuten
Verleih: Netflix/ 24 Bilder
Kinostart: 5. Dezember 2023

FILMKRITIK:

Nicht oft lässt sich exakt bestimmen, wann ein Star geboren wurde. Im Fall von Leonard Bernstein ist dies möglich: Am 14. November 1943 bekam der damals 25jährige Assistent des Chefdirigenten der New Yorker Philharmoniker einen Anruf mit der Botschaft, dass er am Abend – ohne Proben – das Orchester dirigieren würde. Der Rest ist Geschichte. Mit dieser Szene beginnt auch Bradley Cooper seinen Film „Maestro“, wobei, nicht ganz. Bevor Cooper – der nicht nur die Hauptrolle spielt, sondern auch als Produzent, Co-Drehbuchautor und Regisseur agiert – das Leben Bernsteins in loser Chronologie nachzeichnet, zunächst in schwarz-weißen, später in farbigen Bildern, steht eine Szene, die Bernstein im hohen Alter zeigt, nach dem Tod seiner Frau Felicia (Carey Mulligan), die zu diesem Zeitpunkt schon an Krebs gestorben ist: Ich vermisse sie, sagt Bernstein und diesen Satz will Cooper als Schlüssel zu Bernsteins Leben verstanden wissen.

Ein viertel Jahrhundert war das Paar verheiratet, hatte drei Kinder und zählte lange Zeit zum Zentrum der New Yorker High Society. Vor allem Bernstein hatte in all den Jahren viele Affären, nicht nur mit Frauen, sondern vor allem auch mit Männern. Zumindest in Coopers Interpretation von Bernsteins Leben, wusste Felicia von den vielfältigen Neigungen ihres Mannes und tolerierte sie. Anfangs mit größerer Gelassenheit, später mit gewissem Argwohn, vor allem dann, wenn Bernstein, auch durch intensiven Alkohol und Koks-Konsum wenig diskret agiert.

In losen Szenen beschreibt Cooper das öffentliche, vor allem aber das private Leben eines Mannes, der viel, vielleicht zu viel wollte. Als Komponist für Musicals feierte er riesige Erfolge – vor allem mit „On the Town“ und „West Side Story“ – doch Bernstein suchte den Respekt des klassischen, auch konservativen Musik-Establishment. Ob er nicht zuletzt deswegen ein den Ansprüchen der Zeit entsprechendes Privatleben führte bleibt offen, Cooper und sein Co-Autor Josh Singer verzichten auf Psychologie, versuchen nicht, das Wesen Bernsteins und seiner Frau zu verstehen oder bis ins Detail zu erklären.

Bisweilen bleibt „Maestro“ dadurch etwas unnahbar, wird zur einerseits intimen Studie einer Ehe, die andererseits aber kalt und technisch bleibt. Zumal der Regisseur Cooper immer wieder überdeutlich zu zeigen versucht, was er kann, wie er seinen Figuren mit langen, eng kadrierten Einstellungen nahekommt, wie er dann wieder mit der Kamera schwerelos durch die Räume der Oper fährt. Subtil ist es nicht, was Cooper hier macht, sein Wunsch, ein großer Regisseur zu sein und einen bedeutenden Film zu drehen, ist oft überdeutlich zu spüren.

Viel schöner, wenn er und Mulligan ganz in ihren Rollen aufgehen, Mimik, Gestik und Sprache ihrer realen Vorbilder perfekt nachahmen, ohne in Mimikry zu verfallen. Szenen einer Ehe sind hier zu sehen, Momente der Innigkeit und der Irritation, der Liebe und des Streits, zwei herausragende Schauspieler, die ahnen lassen, was das Geheimnis das Paar Leonard und Felicia Bernstein war, das im Mittelpunkt eines biographischen Films steht, in dem es am Ende weniger um die Musik als um die Liebe geht.

 

Michael Meyns