Magie der Moore

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Vor drei Jahren hat der deutsche Naturfilmer Jan Haft in seiner bildgewaltigen Dokumentation „Das grüne Wunder – Unser Wald“ die Geheimnisse der Wälder evoziert, nun sind es in „Magie der Moore“ die faszinierenden, vielfältigen Moore. Von Pathos und Technologiewahn kann Haft erneut nicht lassen, aber sein Gespür für außerordentliche Bilder ist ungebrochen.

Webseite: www.magiedermoore-derfilm.de

Deutschland 2015 - Dokumentation
Regie, Buch: Jan Haft
Länge: 110 Minuten
Verleih: Polyband Medien, Vertrieb: 24 Bilder
Kinostart: 24. September 2015
 

FILMKRITIK:

Mit weniger als Superlativen geben sich moderne Naturfilme nicht zufrieden: egal um welche Landschaft oder Tierart es geht, alles ist mindestens ein Wunder, magisch, sensationell, spektakulär. Dieser Hang zur Gigantomanie setzt sich im Einsatz von modernster Filmtechnik fort, die gerne in aller Ausführlichkeit angepriesen wird, als würden allein der Einsatz von Kamera-Drohnen und eine fünfjährige Drehzeit für einen interessanten Film sorgen. Im Kampf um die immer kürzer werdende Aufmerksamkeitsspanne des Publikums glauben die allermeisten Regisseure immer noch daran, dass mehr mehr ist, auch wenn ihr eigener Film ihnen widerspricht.

Am Anfang von Jan Hafts „Magie der Moore“ erzählt Axel Milberg von der enorm vielfältigen Tierwelt, die es in den Mooren Europas gibt, von Myriaden Pflanzen und Gewächsen, auf die man im folgenden dann aber vergeblich wartet. – Zum Glück. Denn im Gegensatz zu zahlreichen anderen Naturfilmen jüngerer Vergangenheit, in denen praktisch im Minutentakt von einer Tierart zur nächsten gesprungen wird, stets auf der Suche nach noch spektakuläreren Bildern, passt sich „Magie der Moore“ seinem Thema an und ist angenehm bedächtig.

Keine exotischen Wesen huschen hier vor der Kameralinse vorbei, sondern Bären und Elche, Rebhühner und vor allem viele Insekten. Die Anfangs behauptete enorme Vielfalt der Moore erweist sich als Chimäre, was bedeutet, dass immer wieder zu den einzelnen Tieren und Pflanzen zurückgekehrt wird, sich ein Naturfilm endlich einmal wieder Zeit nimmt. Zeit, den Lauf des Jahres abzubilden, der Veränderung von Flora und Fauna im Wandel der Jahreszeiten nachzuspüren und einfach die Atmosphäre in den meist völlig menschenleeren Mooren zu zeigen.

Denen ist Jan Haft offensichtlich besonders zugetan, sie haben ihn lange fasziniert und lassen „Magie der Moore“ in einem ungewöhnlichen, aber passenden Exkurs gar zu einem Plädoyer für den Erhalt und Wideraufbau dieser einzigartigen Naturlandschaften werden. Ganz plötzlich sieht man da Bagger im Bild, sieht zum ersten Mal Menschen, die Landschaften umwälzen, Moore austrocknen und damit vielfältigen Tier- und Pflanzenarten den Lebensraum nehmen.

Und wie faszinierend das Leben im Moor sein kann, zeigt Haft insbesondere mittels einer Technik, die fast emblematisch für Probleme und Vorzüge der Technologie steht: der Zeitrafferaufnahme. So begeistert ist Haft von den Möglichkeiten dieser Technik, dass er anfangs nicht davon ablassen kann, Sonne oder Mond in rasender Geschwindigkeit über Landschaften wandern zu lassen. Kurz bevor man von dieser Technik endgültig genug hat, beginnt er dann endlich, sie nicht plakativ, sondern sinnvoll einzusetzen: Um das Wachstum von Moosgewächsen, besonders von Sporenpflanzen und der Insekten, die mit und von ihnen leben, in einem Detailreichtum zu zeigen, der atemberaubend ist.

Stehen in den meisten Naturfilmen offensichtlich ästhetische, gern flauschige Tiere im Mittelpunkt, zeigt Haft nicht zuletzt das, was sonst gern übersehen wird: Gräser, Sprossen, Insekten, im Wasser lebende, ebenso bizarre, wie eindrucksvolle Wesen, die auf komplizierte Weise miteinander verbunden sind und den Kreislauf der Natur im Kleinen abbilden. Für solche Bilder, für die Entdeckungslust am Obskuren und oft Übersehenen, das Haft und seine Mitstreiter hier an den Tag legen, nimmt man auch gern das bisweilen etwas unkontrollierte Pathos in Kauf.
 
Michael Meyns