Mamma Ante Portas

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Gekommen um zu bleiben – In der französischen Komödie „Mamma Ante Portas“ quartiert sich eine selbstbezogene und chaotische Mutter bei ihrer gewissenhaften, ordnungsliebenden Tochter ein. Zunächst nur für ein paar Tage. Doch aus Tagen werden Wochen, aus Wochen werden Monate. Auch wenn nicht alle Gags gleich gut funktionieren: „Mamma Ante Portas“ verbindet gut getimten Dialogwitz mit absurdem Humor. Hinzu kommen wohl dosierte, akkurate Beobachtungen zwischenmenschlicher Konflikte und familiärer Beziehungen.

Frankreich 2021
Regie: Eric Lavaine
Buch: Eric Lavaine, Héctor Cabello Reyes
Darsteller: Josiane Balasko, Mathilde Seigner, Jérôme Commandeur,
Philippe Lefebvre, Line Renaud

Länge: 85 Minuten
Verleih: Filmwelt
Kinostart: 25. Mai 2023

FILMKRITIK:

Die 70-jährige Jacqueline (Josiane Balasko) lässt gerade ihre Wohnung renovieren. Sie will eigentlich mit ihrem Freund Jean (Didier Flamand) zusammenziehen, doch die Arbeiten ziehen sich hin. Eine Notunterkunft muss her! Zunächst will sie bei ihrem Sohn Nicolas (Philippe Lefebvre) einziehen, als er Jacqueline jedoch abwimmelt bleibt nur noch Tochter Carole (Mathilde Seigner) – obwohl der Zeitpunkt gerade auch für sie alles andere als günstig ist. Denn der Job stresst und mit ihrem Mann Alain (Jérôme Commandeur) macht sie gerade eine Paartherapie. Zu dumm, dass sich Jacqueline, die den Alltag ihrer Gastgeber gehörig auf den Kopf stellt, bei Carole und Alain so wohl fühlt, dass sie gar nicht mehr gehen möchte.

Eine bunte Mischung unterschiedlichster, höchst eigenwilliger Charaktere versammelt Regisseur und Drehbuchautor Eric Lavaine in seiner (Familien-)Komödie unter einem Dach. Dabei ist es vor allem die beherzt und selbstbewusst aber auch ganz schön rücksichtslos und dreist auftretende Jacqueline, die mit ihrem Verhalten für mächtig Chaos sorgt – und das Leben ihrer Tochter und ihres Schwiegersohns auf Links krempelt.

Josiane Balasko agiert als dauernörgelnde Jacqueline mit beschwingter Komik und sichtlicher Spielfreude. Selbstsüchtig und ohne Feingefühl verhält sie sich wie ein Elefant im Porzellanladen: Sie blockiert das Bad, räumt die Wohnung um, beschwert sich über die Einrichtung oder den viel zu großen Flachbild-TV. Meinungsverschiedenheiten am Esstisch inklusive. Manche Gags zünden, einige erweisen sich im alltäglichen Zusammenleben mit Carole und Alain jedoch als allzu erwartbar und plump.

Wenn Jacqueline dem – vom Paartherapeuten verordneten Liebesspiel – der Beiden wieder und wieder in die Quere kommt, dann wirkt das auf Dauer zu bemüht und redundant. Apropos bemüht: Selbiges gilt letztlich ebenso für den Grund, wieso sich der Aufenthalt bei der Tochter immer weiter in die Länge zieht. Die Handwerker werden nicht fertig und bis der Wasseranschluss nicht gelegt ist, kehrt Jacqueline nicht in ihre Wohnung zurück. Dabei stellt sich der osteuropäische Installateur arg unbeholfen und unglücklich an. Und: begriffsstutzig. Ein erzwungener Vorwand, um die Grundprämisse von „Mamma Ante Portas“ möglichst lange aufrecht zu erhalten. Aber es gibt andererseits herrlich treffsicheren Humor und gelungenen Witz. Dazu zählen die Paartherapie-Sitzungen und ein skurriles Missverständnis, durch das Alain unkonventionelle sexuelle Vorlieben bei seiner Schwiegermutter vermutet.

Schade ist, dass einige der Nebenfiguren zu eindimensional gezeichnet sind und über den Status als blasse Stichwortgeber nicht hinauskommen. Darunter Jacquelines Sohn und ihr Liebhaber, die nicht wirklich viel zur Handlung beizutragen haben. An anderer Stelle funktioniert „Mamma Ante Portas“ ganz wunderbar. Denn mit ironischer Leichtigkeit und ebenso trockenen wie subtilen Beobachtungen lotet Lavaine die – familiären – Bindungen und Beziehungen der Figuren untereinander gekonnt aus. Und lässt die Handelnden mit bissigen Kommentaren wiederholt und genüsslich ihre Finger in die Wunde des Gegenübers gleiten.

So vergleicht Jacqueline Carole gehäuft mit ihrer in Brasilien lebenden Schwester, was bei Carole nur entnervtes Augenrollen provoziert. Oder in den Szenen, in denen Jacquelines 90-jährige Mutter zu Besuch kommt. Der respektlose Umgang der Mutter mit ihrer Tochter spiegelt exakt das Verhalten wieder, dass Jacqueline wiederrum ihrer Tochter entgegenbringt. Der Apfel fällt eben nicht weit vom Stamm und das zeigt sich in diesen klugen, augenzwinkernden Momenten ziemlich deutlich.

 

Björn Schneider