Um 1980 entstanden zahlreiche ultrabrutale Horror-Thriller, die die Grenzen des Zeigbaren vorschoben, die oft auf dem Index landeten und zum Teil Kult geworden sind. Dazu gehört „Anthropophagus“, ein Film des legendären Joe D’Amato, dessen späte Fortsetzung nun Dario Germani vorlegt. Sein „Man-Eater“ schafft es dabei, noch simpler zu sein als das Original, ist extrem brutal und vor allem ein Film fürs Kuriositätenkabinett.
Anthropophagus II
Italien 2022
Regie: Dario Germani
Buch: Lorenzo De Luca
Darsteller: Jessica Pizzi, Monica Carpanese, Giuditta Niccoli, Diletta Maria D'Ascanio, Chiara De Cristofaro, Shaen Barletta, Valentina Capuano, Alessandra Pellegrino, Alberto Buccolini
Länge: 87 Minuten
Verleih: Indeed
Kinostart: 19. Oktober 2023
FILMKRITIK:
In der ersten Szene von „Man-Eater“ sieht man einen Serienkiller bei der blutigen Arbeit, in der zweiten eine Reihe hübscher Frauen. Beide Seiten werden aufeinandertreffen, soviel ist klar, überleben wird kaum eine der jungen Frauen, auch das ist klar. Es sind Giulia (Jessica Pizzi), Isabel (Alessandra Pellegrino), Sonia (Shaen Barletta), Cinzia (Valentina Capuano), Polly (Diletta Maria D’Ascanio), Angela (Giuditta Niccoli) und Betty (Chiara De Cristofaro), die zusammen mit ihrer Lehrerin Nora (Monica Carpanese) 24 Stunden in einem alten (!), verlassenen (!), modrigen (!), mehr als schlecht beleuchteten (!) Bunker verbringen, um – festhalten – für eine Doktorarbeit zu forschen! Welche Erkenntnisse der Bunker bereithalten soll ist nicht so recht klar, klar ist nur, das ein Verrückter in ihm haust, der sich die Frauen schnell vornimmt.
Natürlich gibt es keinen Handyempfang, ein Ausweg ist ebenfalls nicht zu finden und so bleibt den Frauen nur, sich gegenseitig zu verdächtigen, während eine nach der anderen dem entstellten Mörder (Alberto Buccolini) zum Opfer fällt.
Selbst für Horror-Thriller Verhältnisse ist der Plot von „Man-Eater“ mehr als dünn, eigentlich muss man sogar konstatieren, das er nicht vorhanden ist. Auf der Spannbreite zwischen einer psychologisch komplexen Erklärung für die Mordlüste des Killers und einem bloßen töten um des töten willens, landet „Man-Eater“ ganz klar auf der Seite des unmotivierten Abschlachtens. In diesem Sinne fällt er sogar hinter das Original zurück, das Joe D’Amato – einer der Großmeister des europäischen Exploitation-Kinos – 1980 drehte und das vor allem durch eine Szene berühmt und berüchtigt wurde, in dem der entstellte Killer genussvoll einen (natürlich nicht echten) Fötus isst, den er einem der Opfer zuvor aus dem Bauch geschnitten hat. Diese Szene zitiert Dario Germani gleich zu Beginn seiner Fortsetzung, die ansonsten wenig mit dem Original gemein hat.
Fast könnte man sogar denken, dass es Germani mit „Man-Eater“ darauf angelegt hat, einen besonders schlechten Film zu drehen, der so wenig Sinn ergeben soll wie nur irgend möglich, der banale Dialoge mit schlechtem Schauspiel kombiniert, absurd blutige Splatter-Momente mit billigster Digitalfotografie. Erstaunlicherweise gelingt es Germani also einen Film zu drehen, gegen den der originale „Anthropophagus“ wie ein komplex erzähltes Drama wirkt. „Man-Eater“ dagegen mag als Kuriosität einen gewissen Reiz haben, wer allerdings mehr von einem Film erwartet als blutrünstige Szenen, der sollte um diesen bewusst schlechten Film einen großen Bogen machen.
Michael Meyns