Mary Poppins’ Rückkehr

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Mit „Chicago“ und „Nine“ inszenierte Rob Marshall bereits zwei populäre Kino-Musicals. Nun zeichnet der Regisseur für die späte Fortsetzung des Disney-Klassikers „Mary Poppins“ aus dem Jahr 1964 verantwortlich, die sich wegen des zeitlichen Abstands von mehr als einem halben Jahrhundert eher wie eine Neuadaption als ein Sequel anfühlt. Wie das Original setzt „Mary Poppins' Rückkehr“ auf knallbunte Farben, sehr viele Gesangseinlagen und fantasievolle Kulissen, die Zeichentrick- und Realfilmbilder kombinieren. Eine Kitschbombe für die ganze Familie.

Webseite: deinkinoticket.de/marypoppinsrückkehr

OT: Mary Poppins Returns
USA 2018
Regie: Rob Marshall
Darsteller/innen: Emily Blunt, Ben Whishaw, Emily Mortimer, Pixie Davies, Joel Dawson, Nathanael Saleh, Meryl Streep, Colin Firth, Julie Walters
Laufzeit: 130 Min.
Verleih: Walt Disney
Kinostart: 20. Dezember 2018

FILMKRITIK:

Der von Walt Disney produzierte Musical-Fantasyfilm „Mary Poppins“ lief 1964 höchst erfolgreich im Kino. Der Film von Regisseur Robert Stevenson fügte auf damals innovative Weise Trickfilmfiguren in die Realaufnahmen ein und gewann bei dreizehn Nominierungen fünf Oscars, darunter für den besten Filmsong und die beste Filmmusik sowie für den Auftritt von Julie Andrews in der Titelrolle. Das an die „Mary Poppins“-Romane der Autorin Pamela L. Travers angelehnte Musical spielte im London des Jahres 1910, die Fortsetzung nach einem Drehbuch des „Life of Pi“-Autors David Magee führt den Plot des Originalfilms zwanzig Handlungsjahre später fort.
 
London 1930: Während der Weltwirtschaftskrise müssen die inzwischen erwachsen gewordenen Geschwister Michael und Jane Banks (Ben Whishaw, Emily Mortimer) sowie Michaels junge Kinder Annabel, Georgie und John (Pixie Davies, Joel Dawson, Nathanael Saleh) mit der Trauer um die verstorbene Mutter klarkommen. Noch dazu will sich der skrupellose Bankier William Weatherall Wilkins (Colin Firth) das Familienhaus unter den Nagel reißen.
 
In der schwierigen Situation schwebt das magisch begabte Kindermädchen Mary Poppins (Emily Blunt) wie ein Wirbelwind in die gebeutelte Familie. Gemeinsam mit dem Arbeiter Jack (Lin-Manuel Miranda) und mit Hilfe von Poppins' schrulliger Cousine Topsy (so farbenfroh wie der Rest: Meryl Streep) bringt die wunderliche Frau den Banks-Kindern auf fantastischen Abenteuerreisen das kindliche Staunen zurück.
 
Gleich zu Beginn verdeutlicht eine beherzte Gesangseinlage des Laternenputzers Jack, wohin die Reise geht. Ganz im Geist des Originalfilms setzt „Mary Poppins' Rückkehr“ auf sehr viel Musik, bonbonbunte Bilder und einen exzessiven Hang zum Kitsch. Wenn die Figuren nicht gerade singen, läuft im Hintergrund fast pausenlos Filmmusik. Wer sich mit singenden Filmcharakteren schwer tut, sitzt hier definitiv in der falschen Vorstellung.
 
Wie im Klassiker von 1964 bildet die kindliche Fantasie einen Gegenpol zur durchrationalisierten Welt. Wenn Mary Poppins den Kindern ein Bad einlässt und das Badevergnügen als fantasievoller Unterwasserausflug stattfindet, unterhält das ebenso gut wie die Kombination von Real- und Trickfilmsequenzen. Letztere erscheint heute nicht mehr so neuartig wie damals, strahlt aber nach wie vor kreativen Charme aus. Mit 130 Minuten ist der überbordende Film allerdings zu lang geraten, was auf Dauer zu einer regelrechten Reizüberflutung führt.
 
Das Highlight der Neuversion ist Emily Blunt („A Quiet Place“) in der Titelrolle. Blunt tritt mit spürbarer Spielfreude in die Fußstapfen von Julie Andrews und bringt die Poppins-eigene Mischung aus Strenge und Spaß lebhaft rüber. Mit ihrem divenhaften Auftreten verbucht die Nanny die meisten Lacher auf ihrer Seite. Ein spezieller Humor entsteht auch dadurch, dass Poppins plötzliches Erscheinen von allen Figuren einfach so hingenommen wird. So heißt die Haushälterin Ellen (Julie Walters) die Nanny im Vorbeigehen mit einem simplen „Hallo, Mary Poppins“ willkommen – mehr muss zur unverhofften Rückkehr des Kindermädchens nicht gesagt werden.
 
Die Familie Banks wird aller Sorgen zum Trotz als intakte Musterfamilie gezeichnet, die das angepeilte Familienpublikum im Kinosessel gleich ein Stückchen näher zusammenrücken lässt. Wer den betagten Klassiker von Robert Stevenson ins Herz geschlossen hat oder im Kino heitere Unbeschwertheit sucht, dem dürfte der Musicalfilm zusagen.
 
Christian Horn