MaXXXine

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Schauerenthusiast Ti West legt den dritten Teil einer mit dem Retro-Slasher „X“ gestarteten Horrorreihe vor und spornt Hauptdarstellerin Mia Goth erneut zu Höchstleistungen an. „MaXXXine“ wirkt insgesamt etwas unrund, weniger konzentriert als der Erstling und dessen Prequel „Pearl“. Beeindruckend fotografierte Bilder, ein paar saftige Gewaltspitzen und eine Liebeserklärung an das Kino, vor allem der abseitigen Art, machen den Film aber zu einer willkommenen Abwechslung im heute oft lieblos heruntergekurbelten Schreckensschaffen auf der großen Leinwand.

Webseite: https://www.upig.de/micro/maxxxine

USA 2024
Regie: Ti West
Drehbuch: Ti West
Darsteller: Mia Goth, Elizabeth Debicki, Moses Sumney, Giancarlo Esposito, Kevin Bacon, Michelle Monaghan, Bobby Cannavale, Lily Collins, Halsey, u. a.

Länge: 103 Minuten
FSK: ab 18 Jahren
Verleih/Vertrieb: Universal Pictures Germany
Kinostart: 4. Juli 2024

FILMKRITIK:

Abgeschottet vom Rest der Welt, drehte US-Regisseur Ti West im Frühjahr 2021, also noch während der Corona-Pandemie, im wenig betroffenen Neuseeland die Slasher-Hommage „X“, die die in den 1970er-Jahren aufkommende Pornobegeisterung mit einem Backwoods-Szenario à la „The Texas Chainsaw Massacre“ verband. Liebevoll stellte der Regisseur und Drehbuchautor, ausgestattet mit kleinem Budget, den Look damaliger Horrorarbeiten nach und schuf mit der aufstrebenden Erotikdarstellerin Maxine Minx eine auf seltsame Weise faszinierende Protagonistin. Als Einzige entkam die junge Frau, die mit einer kleinen Filmcrew für einen Pornodreh eine Häuschen auf dem Grundstück eines alten Ehepaares gemietet hatte, dem durch die Vermieter entfachten Blutbad. Die Britin Mia Goth überzeugte nicht nur in der Rolle Maxines, sondern lieferte auch, versteckt unter aufwendigem Make-up, als betagte Antagonistin Pearl eine beachtliche Performance ab.

Direkt im Anschluss inszenierte Ti West nach einem von ihm und Goth verfassten Drehbuch das 60 Jahre früher spielende Prequel Pearl, das in Form eines bunten, aber albtraumhaften Melodrams das Leben der ebenfalls ambitionierten Titelfigur in der texanischen Provinz beschrieb. „MaXXXine“ wiederum schließt nun an das Anfangskapitel an und wirkt mit seinen unterschiedlichen Schauplätzen im Vergleich mit den beiden Vorgängern größer, strahlt keine Kammerspielatmosphäre mehr aus. Für Maxine ging es nach den Provinzmassaker aus dem Jahr 1979 offenbar stetig ein Stück nach oben. 1985 hat sie sich längst einen Namen im Pornogeschäft gemacht, träumt aber – ambitioniert, wie sie ist – von einer großen Karriere in Hollywood. Der Einstieg in die Traumfabrik soll mit einem Part im fiktiven Horrorfilmsequel „The Puritan II“ gelingen, das die nicht minder ehrgeizige Regisseurin Elizabeth Bender (Elizabeth Debicki) als B-Movie mit anspruchsvollen Ideen beschreibt.

Schon in den ersten Minuten, wenn sich Maxine beim Vorsprechen beweisen muss, ist es wieder da. Das Charisma, das Mia Goth schon in „X“ versprühte. Die nicht selten in Überheblichkeit kippende Selbstsicherheit der Pornodarstellerin kommt nicht nur in ihren Worten zum Ausdruck. Auch die Körpersprache – gerader Rücken, vorgerecktes Kinn und schwingender Gang – spricht Bände. Hier ist ein Mensch ganz von seinem Können überzeugt – und ergattert vielleicht auch deshalb tatsächlich die gewünschte Rolle. Maxines Unerschrockenheit zeigt sich zudem kurz darauf in einer hochbedrohlichen Situation. Wie sie, in einer Sackgasse angekommen, auf einen nächtlichen Verfolger reagiert, ist schmerzhaft anzusehen und unterstreicht einmal mehr: Einfach so unterkriegen lässt sie sich nicht. Die Selbstermächtigung, die im ersten Reihenkapitel thematisiert wurde, schreitet voran – und das in einem Haifischbecken wie dem von Los Angeles.

Mit Maxine erbringen West und Goth den Beweis, dass Filmfiguren nicht sympathisch sein müssen, um für das Publikum interessant zu sein. Ihre Arroganz, ihre Ichbezogenheit irritieren immer wieder. Dann gibt es aber auch Momente der Verunsicherung. Momente, in denen das Trauma des Blutbads urplötzlich hervorbricht, was die Figur facettenreicher macht.

Handlungstechnisch verknüpft Ti West Maxines Weg mit den Verbrechen eines realen, „Night Stalker“ getauften Serienkillers, der Mitte der 1980er Jahre Los Angeles in Atem hielt. Hat er auch die aufstrebende Aktrice im Visier? Es scheint so, denn aus ihrem direkten Umfeld erwischt es mehrere Personen, was die ermittelnden Polizisten Williams (Michelle Monaghan) und Torres (Bobby Cannavale) auf den Plan ruft. Ein besonders kunstvolles Erzählkonstrukt darf man nicht erwarten. Schon deshalb nicht, weil sich der Film tief vor dem italienischen Giallo-Kino, Thrillern und Horrorwerken der 1960er- und 1970er-Jahre mit ausgiebig in Szene gesetzten, oft sexualisierten Morden, verneigt. Schwarze Handschuhe, lange Klingen und wahnwitzige Tätermotivationen, alles Markenzeichen dieser südeuropäischen Spannungsspielart, kommen auch hier zum Einsatz. Und wenig verwunderlich geht es bei der Auflösung ähnlich absurd wie in vielen Italo-Arbeiten zu. Gerade der trashige Showdown wirkt allerdings als Abschluss von Maxines Reise durchaus stimmig.

Das Gesamtbild dagegen ist manchmal etwas ruckelig. Keine Frage, der Regisseur stellt die Handlungszeit mit gutem Auge nach, ohne sich übertrieben im Retro-Look zu suhlen. Immer wieder gelingen ihm einprägsame Bilder. Filmliebhaber können zahlreiche Zitate, unter anderem einen Ausflug an das „Psycho“-Set, entdecken. Und an Ideen, die den Exploitation-Stoff aufwerten, mangelt es nicht. Die Fallstricke Hollywoods werden ebenso thematisiert wie der Kulturkampf in den USA zwischen liberalen und konservativen Kräften oder die Gefahr, den falschen Menschen blindlings nachzulaufen. Das Problem: Alle Einfälle lassen sich nur schwer unter einen Hut bringen, einige Überlegungen hängen in der Luft, weshalb „MaXXXine“ unentschlossener als „X“ und „Pearl“ wirkt. Soll er voll in den Giallo-Modus schalten? Oder doch eher in Richtung Satire gehen? Ganz genau scheint es Ti West nicht zu wissen. Dass das Interesse dennoch erhalten bleibt, dafür sorgt schon Mia Goth mit ihrer abermals kraftvollen Performance.

 

Christopher Diekhaus