Meine Zeit mit Cézanne

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Paul Cézanne und Èmile Zola, der Maler und der Schriftsteller, der eine schon zu Lebzeiten weltberühmt, der andere ein Leben lang verkannt. Bewusst stellt Autorin und Regisseurin Danièle Thompson in ihrem ausufernden, wuchernden Doppelporträt "Meine Zeit mit Cézanne" die Kontraste zwischen zwei der größten Künstler Frankreichs heraus, was ihren Film in vielerlei Hinsicht zu einem geradezu impressionistischen Werk mit erzählerischem Reichtum macht.

Webseite: www.cezanne-derfilm.de

OT: Cézanne et moi
Frankreich 2016
Regie & Drehbuch: Danièle Thompson 
Darsteller: Guillaume Canet, Guillaume Gallienne, Alice Pol, Déborah Francois, Sabine Azéma, Gérard Meylan
Länge: 113 Minuten
Verleih: Prokino, Vertrieb: Fox
Kinostart: 6. Oktober 2016

FILMKRITIK:

Als Kinder lernten sich der 1839 geborene Paul Cézanne und der fast gleichaltrige Émile Zola in Cézannes Heimatstadt Aix-en-Provence kennen und schlossen eine Freundschaft, die ein ganzes Leben halten sollte, es aber nicht tat. War Cézanne als Sohn eines Bankiers Zeit seines Lebens frei von finanziellen Sorgen, lebte Zola mit seiner verwitweten Mutter in ärmlichen Verhältnissen. Aus ihnen auszubrechen war ein Ziel auf Zolas Lebensweg, der möglicherweise dazu beitrug, dass er nach ersten Erfolgen zunehmend seine avantgardistischen Ansichten revidierte und konformistisch wurde. Verteidigte er anfangs die malerischen Experimente der Impressionisten und damit - zumindest auf dem Papier - auch seinen Freund Cézanne, stand er ihnen später kritisch gegenüber. In seinem 1886 veröffentlichten Roman "Das Werk" beschreibt er in kaum verhohlener Autobiographie auch einen Maler, der an seinen Ambitionen scheitert und sich umbringt. Verständlicherweise erkannte sich Cézanne in der literarischen Figur wieder und kündigte Zola die Freundschaft auf.

Dennoch imaginiert Autorin und Regisseurin Danièle Thompson ein Treffen der beiden Künstler im Jahre 1888, eine Aussprache, ein vielleicht erstmaliges Aussprechen langgehegter Gedanken, zu dem sie im Laufe von "Meine Zeit mit Cézanne" immer wieder zurückkehrt. Zeitsprünge prägen die Erzählform des biographischen Doppelporträts, die Kindheit der Künstler etwa wird mit zwei, drei prägnanten Momenten abgehakt, Begegnungen mit großen Künstlerkollegen wie Auguste Renoir, Camille Pisarro oder Guy de Maupassant passieren en passant, aber auch der für die Entwicklung der Malerei so bedeutende Moment, als die alten, selbst gemischten Farben durch moderne Ölfarben in der so praktischen Tube abgelöst wurden, wird so nebenbei erzählt, dass man ihn leicht verpasst.

Vielleicht nicht ganz zufällig, denn ein Film über die Malerei ist "Meine Zeit mit Cézanne" nur bedingt. Ganz selten sieht man Pinsel eine Leinwand berühren, die Gemälde selbst, die langwierigen, mühevollen Experimente Cézannes, die ihm später den Ruf Picassos eintrug "Der Vater von uns Allen" zu sein, bleiben außen vor. Gerade das die vielfältigen Aspekte dieser speziellen Künstlerfreundschaft, die zudem in einer besonders fruchtbaren Ära der französischen Kultur stattfand, nur angedeutet werden, lässt Thompsons Film geradezu kongenial impressionistisch wirken.

Zwar hat dieser überaus lose Ansatz zur Folge, dass sich nur in Momenten ein erzählerischer Fluss entwickelt, doch das ist zu verschmerzen. Zum einen da mit Guillaume Canet und besonders Guillaume Gallienne zwei herausragende Schauspieler in die Rollen der Künstler schlüpfen, zum anderen da die Vielfalt der Erzählung, der angedeuteten persönlichen und künstlerischen Konflikte, aber auch gesellschaftlicher Entwicklungen wie der Pariser Kommune oder später der Dreyfus-Affäre ein breites Porträt einer Ära zeigen. Ins Detail geht Thompson zwar nie, doch in seinem erzählerischen Reichtum ist "Meine Zeit mit Cézanne" einer jener Filme, die viel Lust macht, sich anschließend mit den nur angedeuteten Menschen und Inhalten auseinanderzusetzen.

Michael Meyns