Memoria

Aus dem 2021er Wettbewerb in Cannes erreicht uns der neue Film von Apichatpong Weerasethakul, der mit Tilda Swinton erstmals einen internationalen Star verpflichten konnte. Eingeständnisse an das Publikum braucht man jedoch nicht erwarten. MEMORIA ist ein komplexer und reichhaltiger Film, der seine Substanz jedoch fast ausschließlich hinter der Fassade versteckt.

Kolumbien, Thailand, Vereinigtes Königreich, Mexiko, Frankreich 2021
Regie: Apichatpong Weerasethakul
Buch: Apichatpong Weerasethakul
Darsteller: Tilda Swinton, Jeanne Balibar, Juan Pablo Urrego, Elkin Díaz

Länge: 136 Minuten
Verleih: MUBI
Kinostart: 05. Mai 2022

 

Über den Film

Originaltitel

Memoria

Deutscher Titel

Memoria

Produktionsland

CO / TH / GB / MX / FR / DEU / QA / CN / CH

Filmdauer

136 min

Produktionsjahr

2021

Produzent

Bustamante, Diana / Chavezmontes, Julio / de Meaux, Charles

Regisseur

Weerasethakul, Apichatpong

Verleih

Starttermin

04.05.2022

 

FILMKRITIK:


Als Einstieg in das deutsche Verleihgeschäft hat der Arthouse-Streaming-Anbieter MUBI sich einer respektablen Herausforderung gestellt. MEMORIA ist der neue Film des thailändischen Regisseurs Apichatpong Weerasethakul, der in den letzten knapp 30 Jahren Dutzende Filme von Kurz- bis Lang- und Spiel- bis Dokumentarfilm ablieferte. Einen nennenswerten Aufschlag machte er hier 2015 mit FRIEDHOF DER KÖNIGE (CEMETERY OF SPLENDOUR), der beim deutschen Arthouse-Publikum Anklang fand.

Bekannt ist der asiatische Erzähler für eine deutlich fühl- aber nicht ganz erklärbare mystische Präsenz in seinen Filmen, die gern mehr in einer Stimmung verweilen, als einer deutlichen Erzählstruktur oder sogar einem Plot zu folgen. In MEMORIA scheint er diesen Trend auf die Spitze zu heben, was den Film zu einem Parade-Beispiel für einen anspruchsvollen Arthouse-Film macht, mit allem Guten und Schlechten, was damit einher geht.

Wir begleiten Jessica, die im kolumbianischen Bogotá ihre Schwester besucht und eines nachts von einem lauten Klopfgeräusch aus dem Schlaf gerissen wird. Später kehrt das Geräusch zurück und wird langsam aber sicher zum zentralen Fokus in Jessicas Leben. Auf der Suche nach dem Ursprung begegnen ihr ein Tontechniker, der das Geräusch rekreiert und eine Archäologin, die in der Nähe der Stadt menschliche Überreste untersucht. Dabei bleiben die Einsätze stets gering, das Drama fern und die Suche nach dem rätselhaften Geräusch getrieben mehr von einer scheinbar übernatürlichen Neugier als von einem Leidensdruck.

Die augenscheinliche Abwesenheit eines Plots oder irgendeiner Kausalität lässt MEMORIA auf der Grenze zwischen Spielfilm und audiovisuellem Kunstwerk spazieren, wobei zwar beide dieser Funktionen erfüllt werden, dem geneigten Publikum allerdings auch viel Aufmerksamkeit und Vertrauen abverlangt wird. Zu beschreiben ist der Film am besten als eine Meditation, die mit ihrem gemächlichen Rhythmus, ihrer unorthodoxen Struktur und ihrer hypnotischen Anziehungskraft an die Filme von Béla Tarr erinnert, wenngleich MEMORIA deutlich neutraler und „sonniger“ daher kommt.

Der Weg dieser Meditation führt die Teilnehmer*innen an eine Vielzahl von möglichen Gedankenorten und versucht über allem, auf etwas Großes, Gemeinsames, Unbekanntes hinzuweisen, das uns auf einer vielleicht längst vergessenen Ebene verbindet.

 

Timo Löhndorf

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